# taz.de -- Berlinale, Karneval und „Friedensdemos“: Bussis und woanders wird gestorben
       
       > Wer ist größerer Infektionstreiber, die Coronale aka Berlinale oder
       > Karneval? Gleichzeitig dreht Söder frei und das Morden in der Ukraine
       > geht weiter.
       
 (IMG) Bild: Erstmals seit drei Jahren wurde wieder Karneval gefeiert. Folgt nun eine Krankheitswelle?
       
       Die Coronale geht in die zweite Woche. Die [1][Berlinale] meine ich
       natürlich, auf der eine Coronaparty nach der anderen gefeiert wird: Bussi,
       Bussi, wer will noch mal, wer hat noch nicht? Hier ist meine Kippe, da mein
       Glas und dort mein Schnodder – Virenschleudern aller Länder, vereinigt
       euch! Oder frei nach Wilhelm Busch: „Dass sie von dem Aerosole / eine
       Portion sich hole / wofür sie besonders schwärmt / wenn die Krankheit
       aufgewärmt.“
       
       Unsere Berlinalefreundin war bei meiner Frau zu Besuch, ich bin so lange in
       meine kleine Wohnung zurückgezogen, die meine ukrainischen Gäste nach zehn
       Monaten hier wiederum Richtung Dnipro verlassen haben. Für sie kein guter
       Zeitpunkt, dem jedoch praktische Zwänge zugrundeliegen. Doch für mich kam
       diese Ringtauschmöglichkeit gerade zur rechten Zeit, denn ich war leider
       einmal mehr Corona-positiv. Da wollte ich die beiden Damen natürlich nicht
       anstecken. Das sollen sie schon bitte selbst tun, dafür sind die Berliner
       Filmfestspiele schließlich da.
       
       Am Montag und Dienstag wetteiferte das Festival noch in harter Konkurrenz
       mit dem Karneval. Dessen aufgrund vieler Freiluftveranstaltungen geringeres
       Infektionspotenzial macht er locker durch Masse wett. Wo sich Millionen
       Bützchen geben, fällt auch für Freund Covid sein ungesundes Scherflein ab.
       
       Am Aschermittwoch war dann alles vorbei. Freigetestet hatte ich mich am
       Vortag, nun drehte in Passau ein Volkstribun frei: [2][Der bayerische
       Ministerpräsident Markus Söder zog beim politischen Aschermittwoch der CSU]
       fett vom Leder. Im Angesicht von 74.000 Alkoholtoten im Jahr („Bavarian way
       of life“) warnte er vor der Legalisierung von Cannabis und der düsteren
       „Woke-Wolke“, die „unseren weiß-blauen Himmel zu verdunkeln droht“.
       
       ## Höhnender Volkstribun
       
       Die Ampel-Koalition verhöhnte er als „schlechteste Regierung, die
       Deutschland je hatte“, was im Umkehrschluss ja implizit nur heißen kann:
       „Unter Adolf war nicht alles schlecht“, so wie ich es in meiner Jugend
       selbst noch häufig von Älteren zu hören bekam. Solche NS-Zombies hatte ich
       nämlich auch als Lehrer, bevorzugt für Geschichte. „Den Bock zum Gärtner
       machen“, würde man das heute nennen, damals war es Normalität.
       
       Während hier gefeiert wurde, wurde woanders gestorben. Vor allem in den
       Erdbebenregionen in der Türkei und in Syrien, sowie in der Ukraine. Hier
       war die große Frage zum am 24. Februar sich erstmals jährenden Überfall
       Russlands: Was fällt den Russen „zur Feier“ dieses Tages wohl ganz
       besonders Fieses ein?
       
       Denn ein symbolträchtiges Datum wie das einjährige Jubiläum ihres
       Terrorangriffs lassen sie üblicherweise nicht ungenutzt verstreichen.
       Schließlich stehen in Dnipro und anderswo noch immer ein paar Wohnhäuser,
       und die gut geschmierte Mordmaschinerie läuft bei solchen Gelegenheiten
       stets auf besonders hohen Touren; es wirkt, als begingen Mörder ihre
       Silvesterparty mit einem todbringenden Feuerwerk.
       
       ## Putinflüsterer am Brandenburger Tor
       
       Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses gab es noch nichts Außergewöhnliches
       zu vermelden, [3][man tötet und zerstört halt so routiniert vor sich hin].
       Doch einen vergleichbaren Anlass haben sich die Verbrecher bislang noch
       nicht entgehen lassen. Dahinter steckt ein Mindset, wie es schon der
       Polizeipsychologe „Fitz“ in der Krimiserie „Cracker!“ erwähnt: Niemand ist
       sentimentaler, selbstmitleidiger und pathetischer veranlagt als Mörder. Vor
       sich und anderen versuchen sie, so ihre Taten zu adeln.
       
       Eher nicht gespannt bin ich darauf, wie anderntags die Putinflüsterer auf
       ihrer „Friedensdemo“ erwartbar Forderungen an die Angegriffenen und deren
       Unterstützer stellen, den Aggressor, der sowieso nicht verhandeln will,
       dabei aber weitgehend außer Acht lassen. Die Empathie endet am eigenen
       Weinkeller. Zu denen fallen mir nur Körperteile ein, auf die ausgesprochen
       selten die Sonne scheint – kleiner Tipp: Die Achselhöhlen sind es nicht.
       
       Kaum war ich wieder gesund, traf es dann leider unsere Coronalefreundin –
       so hatte auch sie dann noch ihren persönlichen Aschermittwoch. Das breit
       verkündete Ende der Pandemie haben wir uns jedenfalls anders vorgestellt.
       Gesünder irgendwie.
       
       25 Feb 2023
       
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