# taz.de -- Hohe Energiekosten für Sportvereine: Es ist saukalt
       
       > Wegen der hohen Energiepreise ziehen viele Vereine Konsequenzen. Die
       > Schwimmer vom SC DHfK Leipzig müssen ins kalte Wasser.
       
 (IMG) Bild: Für das Schwimmtraining sollte man möglichst viel Textil tragen
       
       Drei Grad – um mehr geht es nicht. Sie sind für Nils Kricke aber ein
       Riesenproblem. Kricke ist ehemaliger Leistungsschwimmer und leitet jetzt
       die Abteilung „Schwimmen“ beim SC DHfK Leipzig. Der größte Verein der Stadt
       hat über 6.100 Mitglieder, 19 Abteilungen, Leistungs- und Breitensport und
       530 Schwimmer.
       
       Im Verein spüren sie die [1][Folgen der „Energiekrise“], die Schwimmer vor
       allem im Becken. Da ist das Wasser jetzt nämlich drei Grad kälter. „Der
       Körper nimmt im Wasser die Temperatur anders war“, erzählt Kricke.
       „Draußen, an der frischen Luft, fühlen die meisten wohl nicht mal einen
       Unterschied zwischen 29 und 26 Grad Lufttemperatur. Aber im Wasser fühlt es
       sich an wie 10 Grad Unterschied.“
       
       In Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine wird allerorten zum
       Energiesparen angehalten. So empfahl auch die Deutsche Gesellschaft für das
       Badewesen (DGfdB), das Wasser in den Hallenbädern weniger zu heizen.
       Ursprünglich waren in Leipzig nur 24 Grad angedacht. „Damit wäre Training
       fast unmöglich gewesen“, erklärt Kricke. Doch auch weil der Deutsche
       Schwimmverband intervenierte, blieb es bei 26 Grad.
       
       Im Leistungsbereich der Jugendlichen, sagt Kricke, ließ sich das alles noch
       einigermaßen abfedern. Wer ihm Sorgen machen, sind die Kinder. „Eine
       normale Trainingsstunde, bei der alle Kinder die ganze Zeit im Wasser sind,
       ist quasi nicht mehr möglich. Nach einer halben Stunde fangen sie an zu
       frieren.“ Einige Eltern hätten ihre Kinder deshalb vom Schwimmen
       abgemeldet. „Das habe ich bislang so auch noch nicht erlebt.“ Nach den
       Corona-Einschränkungen jetzt die „Energiekrise“ – das macht der Sportart zu
       schaffen. Immer weniger Kinder können ausreichend schwimmen. Damit wird die
       Basis für den Leistungssport kleiner.
       
       ## Spaß im kalten Wasser?
       
       Das bereitet auch Olympiasieger Florian Wellbrock Sorgen: „Wie will man da
       einem Fünf- oder Sechsjährigen beibringen, dass [2][der jetzt ins kalte
       Wasser gehen muss und Spaß dabei haben soll,] schwimmen zu lernen? Das ist
       aus meiner Sicht nicht möglich.“ Ähnlich sieht es Nils Kricke, der in
       Leipzig gerade vom Jugendbereich ausgehend wieder einen Leistungskader
       aufbaut. „Wenn sich Kinder zwischen zwei Sportarten entscheiden, dann fällt
       die Entscheidung selten fürs Schwimmen.“
       
       Zwar merken alle Vereine die gestiegenen Energiepreise, Sportarten wie
       Eishockey oder Schwimmen trifft es jedoch besonders. So sind beispielsweise
       die Hallenzeiten in Leipzig im August um 15 Prozent teurer geworden. Dazu
       kommen im Leistungsbereiche höhere Fahrtkosten und Startgelder. In der
       Abteilung merken sie, dass die Mitglieder teils jeden Euro umdrehen müssen.
       So sind die Anmeldungen für die Schwimmkurse, die jetzt 130 Euro kosten,
       schon vor der Preisanpassung um etwa 20 Prozent zurückgegangen.
       
       Laut dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) erwarten 40 Prozent der
       Vereine starke Auswirkungen durch die Energiekrise, wie
       Mitgliederrückgänge, Abteilungsschließungen oder Trainingseinschränkungen.
       Sechs Prozent würden sogar eine „akute Existenzbedrohung“ befürchten. Für
       die Sportvereine ist laut DOSB-Präsident Thomas Weikert „die Energiekrise
       bedrohlicher als die Coronapandemie.“ Er fürchtet eine Abwärtsspirale:
       Steigende Mitgliedsbeiträge könnten zu mehr Austritten führen, was die
       Situation noch weiter verschärfen würde. Die Befürchtung vieler, die nicht
       offiziell zitiert werden möchten: Einige Vereine seien zu überaltert und
       zudem schlecht geführt. Für sie könnten die gestiegenen Energiepreise der
       Todesstoß sein.
       
       Von politischen Verantwortungsträgern wird Unterstützung zugesagt. Katja
       Büchel, Sportdezernentin der Stadt Leipzig, erklärt, man wolle helfen,
       soweit es „unsere Möglichkeiten zulassen“. Ein Problem vor Ort ist, dass
       viele Sportstätten Mangelbauten aus den 70er Jahren sind. An Energiesparen
       dachte damals niemand. Der Stadtrat hat beschlossen, dass bis 2035 alle
       städtischen Gebäude energetisch saniert werden sollen, das hilft den
       Vereinen aber jetzt nicht.
       
       Das merkt auch der SV Mölkau 04, ein im besten Sinne durchschnittlicher
       Stadtteilverein. 600 Mitglieder, sieben Sportarten und drei von der Stadt
       gepachtete Sportanlagen. Vor allem die sind derzeit eine Last. Mietet ein
       Verein nur Hallenzeiten bei der Stadt, ist das im Jugendbereich kostenlos.
       Bei Pachtanlagen kann der Verein über die Liegenschaft freier verfügen,
       muss dafür aber die steigenden Nebenkosten tragen. Vorstandsmitglied Jens
       Januszewski spricht von verdoppelten Abschlägen. Der Mehraufwand betrage
       rund 10.000 Euro. „Wir stehen finanziell gut da, wir können das
       ausgleichen“, sagt Januszewski. Allerdings fiel den gestiegenen
       Energiepreise der geplante Kunstrasenplatz zum Opfer – zu teuer.
       
       Aktuell, so sagen viele Vereine, sei das alles irgendwie zu stemmen. Doch
       was passiert, wenn die Gaspreisbremse ausläuft? Wenn der nächste Winter
       kalt wird? Wie lange gibt es Hilfen? Nils Kricke wünscht sich derzeit vor
       allem eins: Dass die Wassertemperatur wieder um drei Grad steigt. [3][Er
       hat sich die Gaspreise angeschaut] und versteht nicht, warum die Regelung
       noch aufrechterhalten wird. Für den ehemaligen Leistungsschwimmer war der
       Sport immer „Dreh- und Angelpunkt meines Lebens“. Der Spaß, die Freude, die
       Lust am Schwimmen wolle er jetzt an die nächste Generation weitergeben. Und
       dafür brauche es ebendiese verflixten drei Grad mehr.
       
       29 Jan 2023
       
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