# taz.de -- Stuntfrau auf dem Motorrad: An der Todeswand
       
       > Die Indonesierin Karmila Purba bewegt sich inmitten einer Machowelt
       > waghalsig auf dem Motorrad. Sie möchte Vorbild für andere Frauen sein.
       
 (IMG) Bild: Motorradspektakel in Indonesiens Hauptstadt Jakarta
       
       Karmila Purba ist eine Gestalt, die man nicht leicht vergisst, wenn man sie
       in Aktion gesehen hat. Freihändig und grinsend jagt die junge Frau auf
       einem Motorrad auf einer fast senkrechten Steilwand entlang. Sie muss die
       Geschwindigkeit halten, denn wenn sie zu langsam fährt, wird sie
       ungeschützt in die Tiefe stürzen. Gleichzeitig darf sie bei dem Höllentempo
       im Kreis die Orientierung nicht verlieren, auch dann stürzt sie. Wand des
       Todes heißt die Zirkusattraktion, bei der Motorradsportler:innen
       (meistens sind es Männer) in einer Art gigantischem Fass auf einer beinahe
       90-Grad-Steilwand im Kreis rasen.
       
       Manchmal stirbt tatsächlich jemand, aber seltener, als der Name vermuten
       lässt. Oben jubelt und bangt das Publikum, oder hält Geldscheine hin, die
       die Fahrer:innen im Vollspeed aus der Luft pflücken, während sie Tricks
       vollführen. Auf Indonesisch heißt das Spektakel Tong Setan und [1][ist eine
       reine Männershow]. Aber inmitten der Machowelt brettert seit einigen Jahren
       eine junge Frau. Bürgerlich heißt sie Karmila Purba, ihr Künstlername:
       Prinzessin des Tong Setan.
       
       „Leute sagen, ich bin keine gute Frau, weil ich fast allein unter Männern
       arbeite“, erzählt Karmila Purba in einem Interview 2019. „Oder: Frauen
       sollten so einen Sport nicht machen.“ Niemand [2][in Indonesien] erwartet
       eine junge, verheiratete Frau in den testosterongeladenen [3][Stuntshows].
       Aber genau darin liegt auch die Stärke und Popularität von Purbas
       Performance. „Ich erwecke bei anderen Frauen Träume, die lange begraben
       gewesen sind.“ Die vielleicht erste indonesische Frau, die die Todeswand
       fährt, lässt sich nicht in eine Schublade stecken.
       
       Privat trägt Purba offenes Haar und Tattoos, bei manchen Auftritten aber
       auch Hidschab. Sie liebt Motorräder, aber auch Hello Kitty. Sie erfüllt
       sich an der Steilwand einen lang gehegten Traum und betont doch, eigentlich
       gehe es vor allem darum, ihrer in bescheidenen Verhältnissen lebenden
       Familie zu helfen. Und auf Instagram weiß sie sich klug zu vermarkten. Wenn
       die polarisierende Prinzessin des Tong Setan fährt, strömen die Leute her.
       
       ## Mit Löwe als Beifahrer
       
       Schon immer war die Todeswand ein Ort einzelner weiblicher Pionierinnen.
       Die Attraktion entstand wahrscheinlich in den 1880er Jahren auf Jahrmärkten
       und in Varieté-Shows; damals fuhr man noch mit dem Fahrrad an der
       Steilwand. Die Motorisierung kam später. Es gehört mehr als nur Mut und
       Schwindelfreiheit dazu: Wer mit 60 Stundenkilometern auf dem Motorrad
       waagerecht in diesem Fass fährt, schreibt der Spiegel, sei Kräften
       ausgesetzt wie sonst nur Kampfpilot:innen und Astronaut:innen. Ein
       Knochenjob, der enormes Balancegefühl, Artistik, Ruhe und eben Kraft
       benötigt. Als die Fahrt selbst nicht mehr genug Spektakel bot, wurden die
       Darbietungen immer irrer.
       
       Lolita und Marjorie Kemp, die in den Zwanzigern zu den ersten Fahrerinnen
       gehörten, bretterten im Sportwagen mit Löwen im Beifahrersitz über die
       Todeswand. Als einmal ein Löwe die Lust verlor, verlor Marjorie Kemp fast
       ihren Arm. Zwischen Genie und Tragik oszillierte auch die britische
       Pionierin Yvonne Stagg, die in den Sechzigern als vielleicht erste Frau
       auch Besitzerin einer Todeswand wurde. Ein Star mit reichlich bewegtem
       Leben – unter anderem war sie in einen Mordfall verwickelt, bei dem ihr
       Liebhaber ihren Ehemann erstach. Lange rang sie mit dem Alkohol,
       schließlich beging sie Suizid.
       
       So spektakulär und schillernd sie waren: Weibliche Motorradfahrerinnen an
       der Todeswand bleiben eine Seltenheit. Karmila Purba, der unwahrscheinliche
       Star aus Indonesien, will das ändern. Und erst einmal selbst hoch hinaus:
       Sie träumt von einer internationalen Karriere. „Damit die Welt sieht, dass
       ich das kann.“ Eines ihrer Tattoos ist ein Stern – für den Griff zu den
       Sternen selbstverständlich.
       
       26 Jan 2023
       
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