# taz.de -- Erfolgreich aufgeschobene Arbeit: Die Rechtschreib-Hilfe
       
       > Etwas besseres als die Steuererklärung gibt es immer: Wie ich es
       > schaffte, auch diesmal wieder eine Kolumne zu schreiben.
       
 (IMG) Bild: Inspiration Grundschule: ein Ort der kreativen Rechtschreibung
       
       Der Nachteil einer [1][regelmäßigen Kolumne] ist, dass man alle vier Wochen
       – oder sogar öfter! – einen Text abgeben muss, ob es einem gerade passt
       oder nicht. Der Vorteil ist, dass man sich dann auch hinsetzt und wirklich
       einen Text schreibt. Würde ich sonst nicht tun – ist anstrengend.
       
       Wenn ich nicht weiß, worüber ich schreiben will, trinke ich erst mal einen
       Kaffee. Wenn das nicht hilft, gehe ich Laufen. Beim Laufen kommen Ideen und
       Sport ist ja ohnehin eine gute Sache, sollte ich öfter machen. Ich kann
       mich aber erfahrungsgemäß nur aufraffen, um noch Beschwerlicheres zu
       vermeiden. Nach dem Joggen muss ich dann noch duschen und es gelingt mir,
       den Arbeitsbeginn gleich um mehrere Stunden aufzuschieben. Um den Moment
       noch weiter hinauszuzögern, räume ich dann sogar meist noch ein bisschen in
       einem Schrank oder einer Kiste im Regal auf.
       
       Das tue ich, damit ich Platz habe für all das, was bei mir im Zimmer
       herumliegt und dringend einsortiert werden sollte. Denn bevor ich meine
       Steuererklärung machen kann, muss ich in meinem Arbeitszimmer für mehr
       Ordnung sorgen. Aber bevor ich richtig aufräume, muss ich erst mal meine
       Kolumne schreiben. Weil es heute draußen regnet und stürmt, erscheint mir
       wiederum die Kolumne als das kleinere Übel im Verhältnis zum Joggen und zur
       Steuer sowieso. Das bedeutet aber auch, dass ich jetzt nach dem zweiten
       Kaffee langsam mal auf ein gutes Thema kommen sollte.
       
       Ich finde, für eine Kolumne sollte man witzig oder einigermaßen geistreich
       schreiben. An schlechten Tagen wundere ich mich, wie es überhaupt sein
       kann, dass ich für eine seriöse Zeitung arbeite – ich kann das doch gar
       nicht! Ich kann nicht mal Grammatik oder Rechtschreibung! Was würde meine
       alte Deutschlehrerin von der Haupt- und Realschule – deren Mundwinkel so
       sehr herunterhingen, dass sie selbst in ihren entspannten Momenten komplett
       vergrätzt aussah – dazu sagen, dass ich heute beruflich schreibe? Sie würde
       sich [2][im Grab umdrehen.]
       
       ## Schreib-Fundstücke aus der vierten Klasse
       
       Mein nächst älterer Bruder – er ist unter anderem Germanist – litt
       physische Schmerzen, als er vor dreißig Jahren meine Diplomarbeit
       korrekturlesen musste. Weil er es trotzdem getan hat, weiß ich, dass er
       mich liebt. Darum muss ich keine Angst haben, er könne mich verraten.
       
       Um diesen Bruder rankt im Übrigen eine Familienlegende: Sie besagt, er habe
       in seiner gesamten Grundschulzeit nur einen einzigen Rechtschreibfehler
       gemacht – und zwar in dem Wort „Sperrmüll“. Wir dachten nämlich, es hieße
       „Spermel“. Der Aufsatz, in dem er davon schrieb, wie gerne wir mit
       „Spermel“ spielten, sorgte für Verwirrung.
       
       Meine Schreibfehler waren nicht zählbar und deshalb ist leider keiner
       überliefert. Damit es meiner Tochter nicht auch so ergeht, bewahre ich
       einige besonders kreative Schreib-Fundstücke auf. Da gibt es eine
       Technik-Arbeit aus der vierten Klasse, in der es um Roboter geht. Das Wort
       taucht darin zehn Mal auf und sie schafft es, acht verschiedene
       Schreibweisen zu benutzen, aber kein einziges Mal die korrekte. Mir
       gefielen besonders „Roppottar“ und das schlicht-schöne [3][„Robota“].
       
       Wahrscheinlich sollte ich nicht zugeben, dass ich Freude an der
       Rechtschreibphantasie meines Kindes habe. Bestimmt bekomme ich dann die
       Schuld für die Leserechtschreibschwäche zugeschoben.
       
       Jetzt gehe ich aber erst mal doch im Regen Laufen. Aber vorher trinke ich
       noch einen Kaffee.
       
       22 Jan 2023
       
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