# taz.de -- Jesus, Alice Schwarzer, Beate Zschäpe: Aktivismus und seine Grenzen
       
       > Was macht einen Menschen zum/zur Aktivisten/Aktivist*in? Ein fiktives
       > Gespräch unter Freundinnen.
       
 (IMG) Bild: Erst Aktivist, dann Heiliger: Jesus, hier als Bildnis bei einer Männerwallfahrt in Thüringen 2022
       
       „Würde der Strom in der ganzen Stadt ausfallen, könnte man all die Sterne
       hell leuchten sehen!“, sagt die Freundin vorm Restaurant beim Rauchen kurz
       vor Mitternacht.
       
       „Wie kannst du immer das Positive sehen? Du bist grausam in dieser
       Hinsicht“, sagt der Freund.
       
       „Ein Sternenhimmel in sorgloser Nacht ist ein Privileg“, sagt die andere
       Freundin.
       
       „So wie selig in warmen Wohnzimmern sitzen und über einer monströsen Pute
       auf den Weltfrieden anzustoßen!“
       
       „Eine nicht totzukriegende Utopie.“
       
       „Stille Nacht, düstere Nacht.“
       
       „Menschen brauchen Rituale, sonst werden sie auffällig – Religion schafft
       Ordnung.“
       
       „Und die Rechtfertigungsgrundlage für Mord und Totschlag!“
       
       „Ich glaub, die ganze Jesus-Nummer ist an den Haaren herbeigezogen,
       eigentlich war der Typ der erste Aktivist der Weltgeschichte!“
       
       „Und sie haben ihn zum Heiligen upgegradet!“
       
       „Wie bei ‚Life of Brian‘!“
       
       „Im Grunde ist Epiphanie nie mehr als eine alte Sandale!“
       
       [1][„Jesus war in Wirklichkeit ein politischer Aktivist?“] 
       
       „Eher als der Fußballflitzer!“
       
       „Der wollte nur mehr Reichweite!“
       
       „Da hat Jesus klar die Nase vorn!“
       
       „Polit-Flitzi musste schon mit Nachteilen rechnen.“
       
       „Überschaubar!“
       
       „Im Vergleich zu der Sache mit dem Kreuz!“
       
       „Wie ist [2][Aktivismus] konkret definiert?“
       
       „Meine Hände sind zu kalt zum Googeln.“
       
       „Man ist nicht passiv, wenn man was scheiße findet!“
       
       „Dann bin ich jeden Tag in meiner Firma Aktivistin.“
       
       „Muss der Allgemeinheit dienen, so politisch-sozial!“
       
       „Das Gute aktivieren, auch wenn es für dich dann schlecht aussieht!“
       
       „Außerparlamentarisch!“
       
       „Meint ihr, [3][Beate Zschäpe] hält sich für eine Aktivistin?“
       
       „Schon möglich, Perspektive ist eine heikle Sache.“
       
       „Kannste nicht verbieten.“
       
       „Zumindest wird sie sich nicht für eine Feministin halten.“
       
       „Was ist mit [4][Alice Schwarzer]?“
       
       „Aktivistin!“
       
       „Die sahnt doch nur noch ab, poliert Vorurteile, erteilt Vorschriften!“
       
       Eine ältere Dame mit Zigarillo dreht sich um: „Was sie als junge Frau
       bewegt hat, ist schon klasse!“
       
       Ihr Mann sagt: „Man muss das Gesamtwerk sehen, wie bei Picasso: Ein
       toxischer Mann in allen Facetten – hätte heutzutage keine Chance!“
       
       Die Freundin sagt: „Sie können doch nicht Kunst und Feminismus in einen
       Topf trümmern!“
       
       „Ach, junge Frau, Pablo und Alice haben bei aller Fehlbarkeit ein großes
       Werk vollbracht, Ecken und Kanten haben alle Genies.“
       
       „Sag nicht ‚junge Frau‘, Wolfram!“, sagt seine Frau.
       
       „Sie nennen ihren Rassismus und ihre Transfeindlichkeit ‚Ecken und
       Kanten‘?“, fragt die Freundin.
       
       „Ich nenn’ es Redefreiheit, wenn Ihnen das lieber ist, gnädige Frau!“
       
       Seine Frau sagt: „Feminismus ist heute so vielseitig wie die Auswahl an
       Shampoos bei Budni! Du kannst gar deinen nackten Busen im Namen der Sache
       in die Kamera halten!“
       
       „Gleiches Recht auch für Exhibitionistinnen!“
       
       „Nicht für Frauen mit Kopftuch, wenn es nach Alice Schwarzer geht!“
       
       „Frauen, Männer, aktiv, passiv, gut, böse, angezogen oder nackt, alle bloß
       Staub unterm Firmament!“
       
       „Und manchmal funkelt es zumindest hell über unseren Köpfen und alles
       scheint gut.“
       
       „Alle Jahre wieder.“
       
       17 Dec 2022
       
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