# taz.de -- +++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: 130.000 Kyjiwer*innen ohne Strom
       
       > Nach russischen Angriffen sind in der Ukraine weiter viele Menschen ohne
       > Energie- und Wasserversorgung. Das Land erinnert an die Hungersnot
       > Holodomor vor 90 Jahren.
       
 (IMG) Bild: Wolodimir Selenski besuchte den Kyjiwer Vorort Wyschhorod, wo russische Raketen eingeschlagen waren
       
       Deutschland will ukrainische Getreidelieferungen zusätzlich unterstützen 
       
       Deutschland wird ukrainische Getreideexporte nach Angaben von Bundeskanzler
       Olaf Scholz (SPD) mit zusätzlichen Mitteln unterstützen. Die Bundesrepublik
       werde in Abstimmung mit dem Welternährungsprogramm zusätzliche 15 Millionen
       Euro für weitere Getreidelieferungen aus der Ukraine bereitstellen, sagte
       Scholz am Samstag in einer Videobotschaft. Die Ukraine erinnerte
       unterdessen an eine Hungersnot vor 90 Jahren, den sogenannten Holodomor.
       
       Bundeskanzler Scholz sagte zudem, ein von Deutschland gesponsertes Schiff
       des Welternährungsprogramms sei auf dem Weg, um ukrainisches Getreide nach
       Äthiopien zu bringen.
       
       Seine Videobotschaft wurde anlässlich der neuen Initiative „Getreide aus
       der Ukraine“ veröffentlicht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
       hatte den Bundeskanzler zu der Eröffnungszeremonie der Initiative am
       Samstag in Kiew eingeladen, wie eine deutsche Regierungssprecherin
       erklärte. Thema sei die globale Ernährungssicherheit. Die Initiative habe
       das Ziel, ukrainische Getreidespenden über den Schwarzmeerkorridor an
       Entwicklungsländer auf den Weg zu bringen.
       
       Der Start der neuen Initiative erfolgt am Tag, an dem die Ukraine an die
       von der Sowjetführung verursachte Hungersnot in dem Land vor 90 Jahren
       erinnert. Sie wird als Holodomor bezeichnet. Der ukrainische Begriff
       bedeutet Tötung durch Hunger und bezieht sich auf die Jahre 1932 und 1933.
       Damals hatte der sowjetische Machthaber Joseph Stalin durch eine erzwungene
       Kollektivierung der Landwirtschaft eine große Hungersnot ausgelöst, an der
       in der Ukraine mehrere Millionen Menschen starben.
       
       Mehrere europäische Ministerpräsidenten kamen am Samstag in die ukrainische
       Hauptstadt Kiew, darunter der belgische Regierungschef Alexander De Croo,
       wie er auf Twitter mitteilte. Laut dem ukrainischen Grenzschutz besuchte
       unter anderem auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki Kiew
       und gedachte der Opfer des Holodomors.
       
       Die Ukrainer hätten „Schreckliches durchgemacht“, erklärte Selenskyj am
       Samstag in einem in Online-Netzwerken veröffentlichten Video. Er verwies
       auf die Zerstörungen der ukrainischen Energieinfrastruktur durch russische
       Angriffe: „Einstmals wollten sie uns durch Hunger zerstören, nun – mit
       Dunkelheit und Kälte.“ Er fügte hinzu: „Wir können nicht gebrochen werden.“
       
       Scholz sagte in seiner Videobotschaft anlässlich der Erinnerung an den
       Holodomor, Hunger dürfe nie wieder als Waffe eingesetzt werden. Daher dürfe
       die derzeitige Nahrungsmittelkrise, die laut Scholz schlimmste seit Jahren,
       nicht hingenommen werden. Millionen Menschen seien davon betroffen.
       
       Russland habe die Situation mit dem Angriff auf die Landwirtschaft in der
       Ukraine und der monatelangen Blockade von Schwarzmeerhäfen noch verschärft,
       sagte der Bundeskanzler. Die „zynische“ Kriegsführung Russlands sei nicht
       zu akzeptieren.
       
       Scholz sagte außerdem, Deutschland begrüße die erfolgreichen Bemühungen der
       Vereinten Nationen zur Ausweitung des Getreideabkommens. Die Welt beobachte
       sehr genau, ob Russland seinen Verpflichtungen nachkomme.
       
       Das im Juli unterzeichnete Getreideabkommen zwischen der Ukraine und
       Russland soll die sichere Ausfuhr von ukrainischem Getreide durch einen
       Schutzkorridor im Schwarzen Meer und den Export von russischen Lebens- und
       Düngemitteln trotz des Krieges ermöglichen. Die Ukraine ist einer der
       größten Getreideproduzenten der Welt. (afp)
       
       Polen und Litauen wollen Ukraine zum Sieg verhelfen 
       
       Die Regierungschefs von Polen und Litauen haben bei einem
       Solidaritätstreffen mit ihrem ukrainischen Kollegen Denis Schmyhal in Kiew
       erneut ihre Unterstützung für den Kampf der Ukraine gegen den russischen
       Angriffskrieg beteuert. „Dieser Krieg kann nur ein Ergebnis haben: Entweder
       gewinnt die Ukraine oder ganz Europa verliert“, sagte Polens
       Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach Angaben der polnischen
       Nachrichtenagentur PAP. Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte schrieb
       nach dem Treffen auf Twitter: „Unsere Unterstützung für die Ukraine muss
       und wird weitergehen bis zu ihrem und unserem Sieg.“
       
       Anlass des Besuchs der Regierungschefs der beiden EU- und Nato-Länder mit
       dem ukrainischen Ministerpräsidenten Schmyhal war ein Treffen des
       sogenannten Lublin-Dreiecks zum offiziellen Gedenken an die verheerende
       Hungersnot Holodomor vor 90 Jahren. Das Lublin-Dreieck ist ein 2020 in der
       polnischen Stadt Lublin unterzeichnetes informelles politisches Bündnis der
       drei Staaten, um die West-Annäherung der Ukraine zu fördern.
       
       Am Samstag unterzeichneten die drei Regierungschefs in Kiew eine
       Vereinbarung, die diese Zusammenarbeit weiter vertiefen soll. Schmyhal hob
       nach Angaben von PAP hervor, eine der wichtigsten Aufgaben der
       internationalen Unterstützung für die Ukraine sei es, die Kriegsverbrechen
       Russlands in der Ukraine zu untersuchen und die Täter zur Rechenschaft zu
       ziehen. (dpa)
       
       London: Moskau setzt in Ukraine wohl veraltete Trägerraketen ein 
       
       Russland setzt in der Ukraine nach Einschätzung britischer Geheimdienste
       veraltete Trägerraketen ein, die eigentlich für nukleare Sprengköpfe
       ausgelegt sind. Auf öffentlich zugänglichen Aufnahmen seien Trümmer eines
       mutmaßlich abgeschossenen Raketentyps zu erkennen, der aus den 1980er
       Jahren stamme und als nukleares Trägersystem entwickelt worden sei, hieß es
       am Samstag in einem Bericht des britischen Verteidigungsministeriums. Die
       Trägerraketen würden jetzt unbewaffnet abgefeuert, ohne die Sprengköpfe.
       
       Obwohl diese Raketen trotzdem Schaden anrichten könnten, sei es
       unwahrscheinlich, dass Moskau damit ernsthafte Erfolge erreiche, hieß es
       von der britischen Regierung. Vielmehr hoffe der Kreml wohl darauf, die
       ukrainische Luftabwehr abzulenken. London wertete dies als Zeichen dafür,
       wie erschöpft Russlands Arsenal an Langstreckenraketen sei.
       
       Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des
       russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf
       Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit
       will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung
       entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft
       London eine Desinformationskampagne vor. (dpa)
       
       Tote bei russischen Angriffen auf Cherson 
       
       Die Ukraine kämpft mit den verheerenden Auswirkungen der jüngsten
       russischen Angriffe. In der südukrainischen Stadt Cherson wurden am Freitag
       nach Angaben der Behörden mindestens 15 Zivilisten bei russischem Beschuss
       getötet. 35 weitere Menschen seien verletzt worden, darunter ein Kind,
       erklärte eine Vertreterin der kürzlich zurückeroberten Stadt in
       Online-Netzwerken. Unterdessen bemühten sich Techniker im ganzen Land, die
       Wärme-, Wasser- und Stromversorgung in ukrainischen Großstädten
       wiederherzustellen.
       
       In Cherson wurden den Angaben zufolge mehrere Wohnhäuser und mehrstöckige
       Gebäude bei dem Beschuss beschädigt. Wegen „anhaltender russischer
       Bombardierungen“ kündigte die Militärverwaltung der Region am Freitag die
       Evakuierung der Krankenhäuser an. Der Stadtrat von Cherson bot Zivilisten
       eigenen Angaben zufolge an, sie in andere Regionen zu evakuieren.
       
       Die russischen Truppen hatten die Stadt Cherson acht Monate lang besetzt
       gehalten. [1][Vor zwei Wochen zogen sie sich aus der Stadt zurück], nachdem
       die ukrainischen Truppen in dem Gebiet immer weiter vorgerückt waren.
       Cherson war die einzige Regionalhauptstadt, welche die russischen Truppen
       erobert hatten.
       
       Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Ende September die Annexion von
       Cherson und drei weiteren ukrainischen Regionen verkündet. Auch nach dem
       Truppenabzug aus der Stadt betonte der Kreml, Cherson bleibe Teil des
       russischen Staatsgebiets. (afp)
       
       Fortschritte bei Wiederherstellung von Stromversorgung 
       
       Nach den jüngsten russischen Angriffen auf die Infrastruktur der Ukraine
       haben sich die Behörden am Samstag weiter um die Wiederherstellung der
       Strom- und Wasserversorgung im Land bemüht. Seit verbreiteten
       Stromausfällen in den vergangenen Tagen seien Millionen Menschen wieder ans
       Netz angeschlossen worden, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr
       Selenskyj.
       
       Von Mittwoch bis zum Freitagabend sei es gelungen, die Zahl der von der
       Stromversorgung abgeschnittenen Menschen von fast zwölf Millionen auf mehr
       als sechs Millionen zu halbieren und das System zu stabilisieren, sagte
       Selenskyj am Freitag in seiner abendlichen Fernsehansprache. In den meisten
       Regionen, darunter die Hauptstadt Kiew, gebe es allerdings weiterhin
       Blackouts.
       
       Mit Blick auf Kiew verwies der Präsident auf „viele Beschwerden“ bezüglich
       der Einrichtung von öffentlichen Versorgungspunkten, in denen sich die
       Bewohner aufwärmen, mit Nahrungsmitteln und Wasser versorgen sowie Akkus
       laden können. Die Bewohner von Kiew bräuchten mehr Schutz, forderte
       Selenskyj. Von Stromausfällen betroffen seien noch 600 000 Menschen. „Ich
       erwarte Qualitätsarbeit vom Büro des Bürgermeisters“, sagte er unter
       Anspielung auf Amtsinhaber Vitali Klitschko. (ap)
       
       130.000 Menschen in Kiew weiter ohne Strom 
       
       Nach schweren russischen Angriffen sind [2][in der ukrainischen Hauptstadt
       Kiew Zehntausende Bewohner weiterhin ohne Strom]. Am Samstagvormittag seien
       noch 130.000 Menschen der Drei-Millionen-Einwohner-Metropole betroffen
       gewesen, teilte die städtische Militärverwaltung mit. Die Reparaturen
       sollen innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen werden. Dann sollen auch alle
       Heizungen wieder funktionieren. Die Wasserversorgung hingegen sei bereits
       wiederhergestellt, hieß es. Lediglich in den obersten Etagen von
       Hochhäusern könne es noch Probleme mit niedrigem Wasserdruck geben.
       
       Mit Dutzenden Raketen und Marschflugkörpern hatte Russland am Mittwoch
       gezielt die Energie-Infrastruktur der Ukraine beschossen und schwere
       Schäden angerichtet. Auch in vielen anderen Landesteilen fielen Strom,
       Wasser und Wärmeversorgung aus. Angesichts des beginnenden Winters ist die
       Lage vielerorts dramatisch. (dpa)
       
       ## Ukraine erinnert an Hungersnot Holodomor vor 90 Jahren
       
       Die Menschen in der Ukraine haben am Samstag des [3][Beginns der Großen
       Hungersnot, des Holodomors, vor 90 Jahren] gedacht. Damals ließ der
       sowjetische Diktator Josef Stalin Nahrungsmittel und Getreidevorräte in der
       Ukraine beschlagnahmen, viele Ukrainer und Ukrainerinnen wurden deportiert.
       Innerhalb von zwei Jahren kamen mehr als drei Millionen Menschen ums Leben.
       
       Bundeskanzler Olaf Scholz zog in einer Videobotschaft Parallelen zwischen
       der damaligen Situation und den Auswirkungen des aktuellen russischen
       Angriffskriegs auf die Weltmärkte. Die Ukraine ist ein wichtiger Produzent
       von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Lebensmitteln. Die Exporte
       wurden nach einem Abkommen mit Russland unter UN-Vermittlung wieder
       aufgenommen, liegen aber deutlich unter Vorkriegsniveau. Weltweit stiegen
       dadurch Lebensmittelpreise, vielerorts droht eine Hungersnot.
       
       Hunger dürfe nie wieder als Waffe benutzt werden, sagte Scholz in seiner
       Videobotschaft. Deshalb könne nicht geduldet werden, was aktuell zu
       beobachten sei: die schwerste globale Nahrungsmittelkrise seit Jahren mit
       entsetzlichen Folgen für Millionen Menschen von Afghanistan bis Madagaskar,
       vom Sahel bis zum Horn von Afrika. Deutschland stelle in Zusammenarbeit mit
       dem Welternährungsprogramm weitere zehn Millionen Euro bereit, um
       Getreidelieferungen aus der Ukraine voranzutreiben, kündigte Scholz an.
       (ap)
       
       26 Nov 2022
       
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