# taz.de -- Fußball-WM, Erdoğan, Deutsche Bahn: Nächstes Mal Popo zeigen
       
       > Die Nationalelf macht auf Schülerstreich. Erdoğan nutzt seine Wild Card
       > aus dem russischen Angriffskrieg. Und Bahnpassagiere sind rollende
       > Gefangene.
       
 (IMG) Bild: Oder dem Schiri einen nassen Schwamm auf den Stuhl legen?
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Enzensberger gegangen.
       
       Und was wird diese Woche besser? 
       
       Habermas ist noch da und geht auch nicht zu Lanz.
       
       Ob Regenbogenflaggen oder [1][One-Love-Binde] – die Mannschaften und
       Medienschaffenden versuchen auf unterschiedlichen Wegen, die WM in Katar zu
       kritisieren. Wie mutig war die deutsche Mannschaft, als sie sich auf dem
       Teamfoto den Mund zuhielt? 
       
       Schülerstreich. Nächstes Mal Popo zeigen oder dem Schiri einen nassen
       Schwamm auf den Stuhl legen. Dagegen demonstrierten die beiden BVB-Defender
       ein neues Konzept der werteorientierten Innenverteidigung, verhalfen so
       Japan zum Sieg und Schlaaand zum baldigen WM-Boykott. Daheim sieht man
       keine Wimpel an Autos und mehr ukrainische als deutsche Fahnen in den
       Fenstern. Man könnte jetzt hoffen, der Moralinfarkt dieser WM führte zum
       Zusammenbruch. Doch Prognose: Der DFB professionalisiert seine tapsige
       Menschenrechts-Performance, heuert einen Wokeness-Trainer und Bierhoff übt:
       „Man kann uns die Binde nehmen, aber nicht unsere Laktatwerte.“ Es geht so
       weiter.
       
       Nach [2][Angriffen der Türkei auf kurdische Gebiete] in Syrien und Irak
       mahnt die Bundesregierung die türkische Regierung, „verhältnismäßig zu
       reagieren“ und „das Völkerrecht“ zu achten. Das juckt Erdoğan aber nicht.
       Was sollte Deutschland tun? 
       
       Erdoğan nutzt die Wild Card, die er sich als internationaler Vermittler
       gekauft hat: Russland und Ukraine brauchen ihn für minimale Kontakte,
       dazwischen flirtet er mit China und loddelt der EU die Flüchtlinge vom
       Hals. Die Anwesenheit dieses Players in der internationalen Außenpolitik
       besteht auch aus der Abwesenheit anderer. Das Baerbock-Credo „Mit Russland
       kann man nicht verhandeln“ etwa schafft ein Vakuum, in das Erdoğan gern
       geht.
       
       In vielen Städten haben die Weihnachtsmärkte eröffnet – dieses Jahr wegen
       der [3][Energiekrise] aber mit weniger Beleuchtung als sonst üblich.
       Sollten Weihnachtsmärkte nicht auch einfach abgeschafft werden? 
       
       Die Melange aus adventlicher Besinnlichkeit und auf Kabelstränge gekotzten
       Glühwein erschließt sich nur mäßig. Hier ringen Tourismus und Einzelhandel
       schon länger mit Corona, Energiekrise, Verstand und dann doch einem
       gewissen Charme: Wo das muslimische Personal von Dönerimbissen agnostischen
       Schlenderern erzgebirgischen Christenmerch andreht, schauen wir in eine
       bessere Zukunft unseres Landes. Der Schock des Krieges hätte auch für ein
       paar autofreie Sonntage und marktfreie Weihnachten gelangt; man sähe gern,
       was private Geselligkeit anstellt, wenn die Norm mal Pause macht.
       Wenigstens unser Selbstvertrauen köchelt auf Sparflamme.
       
       Italien hat unter Ministerpräsidentin Meloni das Bürgergeld abgeschafft. In
       Deutschland kommt das [4][Bürgergeld] nun doch. Klappt es hier besser? 
       
       Man kann also auch Postfaschistin sein, um von NZZ bis FAZ wohlwollende
       Anerkennung zu kassieren: Für einen „realistischeren Kurs“, für „Abschied
       von der sozialen Hängematte“. Melonis erster Haushalt zerschießt die
       Stützen „für diejenigen, die arbeiten können“ – ohne sich mit dem Detail
       aufzuhalten, ob es für die auch Arbeit gibt. Italiens „Bürgergeld“ war
       höher als das deutsche „Hartz“, 2024 treffen sich beide und ab da gibt es
       ein „Existenzeinkommen“ für Italiener, die sich auf’s Existieren
       konzentrieren dürfen. In Deutschland ist die SPD das Schandmal „Hartz“
       losgeworden; wie marktgläubig es dahinter weitergeht, steht aus.
       
       Vor anderthalb Wochen sind zwei Güterzüge auf der Strecke zwischen Hannover
       und Berlin kollidiert. Das hat wochenlang Verzögerungen und Ausfälle zur
       Folge. Was kann die Bahn eigentlich gut? 
       
       Fahrgastrechteformulare, „Christinenbrunnen“-Gratiswasser im Speisewagen,
       teils technisch sehr detaillierte Durchsagen. In Hannover warten wir auf’s
       Personal aus dem verspäteten Gegenzug, bei Stendal muss der Lokführer ans
       andere Ende watscheln, bei Celle öffnen wir die Türen nicht, wohingegen Sie
       in Hamm eine rauchen können, weil wir dann eh auf Regio umsteigen. So
       wandelt sich die Wut der Passagiere in ein rollendes Stockholmsyndrom.
       Gefangene eines kaputtgesparten Unternehmens: Die Politik stellt die
       Weichen, wir die Harten.
       
       Was machen eigentlich die Borussen? 
       
       Wählen einen neuen Präsidenten, geben sich einen neuen „Kodex“ mit
       natürlich 09 moralisch hochwertigen Leitsätzen und beschließen die Sitzung
       vorzeitig: Bier, Erbsensuppe.
       
       Fragen: Ann-Kathrin Leclère
       
       27 Nov 2022
       
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