# taz.de -- Sexuelle Gewalt als Kriegswaffe: Billig, nachhaltig, perfide
       
       > Den Haag und New York erkennen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe an. An
       > Lösungsstrategien mangelt es noch. Oft können die Täter nicht ermittelt
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Männliche Leichen mit abgeschnittenen Genitalien: Exhumierung eines Massengrabes in der befreiten ukrainischen Stadt Isjum
       
       Sexuelle Gewalt ist eine effiziente und die billigste Waffe in einem Krieg.
       Sie sorgt nicht nur dafür, dass die Opfer körperlich und seelisch verletzt
       werden, sondern sie sind in den meisten Fällen längerfristig traumatisiert.
       Diese perfide Form der Kriegsführung gibt es, seit es Kriege gibt – weil
       sie so „einfach“ und so „nachhaltig“ ist. Die Opfer haben auf vielfältige
       Weise mit den Folgen zu kämpfen: chronische körperliche Schmerzen, mitunter
       Unfruchtbarkeit, Depressionen, Angst, Hass, Ekel.
       
       Nicht wenige können später weder sexuelle noch soziale Beziehungen führen.
       Das zerstört Familien, Partnerschaften, soziale Kontakte. Nahezu alle
       Betroffenen können gar nicht oder erst viele Jahre später über ihre
       schrecklichen Erfahrungen sprechen. Man bezeichnet sie daher als „stumme
       Opfer“. Allein das Schweigen verbuchen die Täter als Erfolg.
       
       Die Betroffenen sind zu großer Mehrheit Frauen, aber auch Männer werden
       zunehmend [1][Opfer sexueller Gewalt]. In den Massengräbern, die jüngst in
       der Ukraine ausgehoben worden sind, fanden UN-Mitarbeiter:innen männliche
       Leichen mit abgeschnittenen Genitalien. Die Täter handeln aus einem
       selbsternannten Machtanspruch heraus und sie sind Teil der
       Zerstörungsmaschine, die auf das Sozialgefüge der angegriffenen
       Gesellschaft zielt und gemeinschaftliche humanistische Werte in toxische
       Kräfte verwandelt.
       
       Das gelingt vor allem dadurch leicht, dass die Betroffenen demoralisiert,
       vereinzelt, entmutigt werden und in einem religiösen Kontext für eine
       „reine Ehe“ nicht mehr „brauchbar“ sind. Auch das trifft mittlerweile
       Frauen wie Männer, wenngleich Frauen in einem weitaus höherem Maße.
       
       Der Internationale Gerichtshof und die Vereinten Nationen (UN) erkennen
       unterdessen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe an. Seit 2008 müssen
       UN-Sonderbeauftragte jedes Jahr über das Ausmaß sexueller Kriegsgewalt
       berichten. [2][Pramilla Patten, die aktuelle UN-Sonderbeauftragte,] wirft
       Russland vor, Vergewaltigungen als „eindeutige Militärstrategie“ im
       Ukraine-Krieg einzusetzen.
       
       Die [3][Erkenntnisse sind da, an Lösungsstrategien indes mangelt] es. Das
       jedoch ist den Ermittler:innen und Behörden kaum vorzuwerfen. Bei
       sexueller Gewalt können zwar [4][Beweise gesichert] und Vergewaltiger,
       soweit sie bekannt sind, benannt werden. Trotzdem ist den [5][Tätern nicht
       so leicht beizukommen] – erst recht nicht in Kriegssituationen.
       
       Die Prozesse durch das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen
       massenhafter Verurteilungen im [6][Bosnien-Krieg] haben das auf
       beispielhafte Weise gezeigt: Nur eine Handvoll der zahlreichen Täter wurde
       verurteilt, die Prozesse dauerten jahrelang. Es bleibt zu befürchten, dass
       auf die tausenden Opfer sexueller Gewalt im Ukraine-Krieg ähnliche
       Erfahrungen warten.
       
       25 Nov 2022
       
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