# taz.de -- Ausschluss russischer Skilangläufer: Verbannung in den Ural
       
       > Die Skilangläufer sollen die Saison ohne russische Athleten und den
       > Besten Alexander Bolschunow bestreiten. Russische Vertreter sehen sich
       > als Opfer.
       
 (IMG) Bild: Bester Athlet bei den Winterspielen in Peking: Bolschunow freut sich hier über eine Goldmedaille
       
       Alexander Bolschunow war [1][der erfolgreichste Athlet der Olympischen
       Winterspiele] in diesem Jahr. Drei Goldmedaillen hat er für das Team des
       Russischen Olympischen Komitees in Peking gewonnen, dazu je einmal Silber
       und Bronze. Über den Sommer hat man wenig gehört von dem 25-jährigen
       Langläufer, der seinen letzten großen Auftritt am 18. März im
       Luschniki-Stadion in Moskau hatte, als er mit seinen Medaillen [2][bei der
       großen Kriegspropagandashow] zusammen mit seinem Staatspräsidenten Wladimir
       Putin aufgetreten ist.
       
       Klar, Bolschunow ist Wintersportler. Nur ein paar Mal hat er sich über den
       Sommer auf seinen Social-Media-Kanälen gezeigt, auf Rollskiern beim
       Training oder als stolzer Vater, der er seit diesem Sommer ist. Seit ein
       paar Wochen nun mehren sich seine Postings, und auch auf den Sportseiten
       des Landes fällt sein Name häufiger.
       
       Da war er zu sehen, wie er als Crossläufer mit Joggingschuhen den Kurs der
       olympischen Langlaufstrecke von Sotschi bewältigt. Auch sein Auftritt in
       einer beliebten Comedyshow war Thema der Berichterstattung. Es war der
       Vorlauf für eine Saison, in der Bolschunow auch wieder bei internationalen
       Wettkämpfen antreten wollte. Das war ihm nach dem Beginn des russischen
       Angriffskriegs auf die Ukraine nicht mehr möglich. Der Internationale
       Skiverband hatte wie viele andere Sportverbände das russische und
       belarussische Team von allen Wettbewerben ausgeschlossen. Das sollte sich
       in dieser Saison ändern. In Russland war man davon ausgegangen, dass der
       Bann nicht aufrechterhalten wird.
       
       Die Gespräche mit der Fis hatten schon zu ersten Ergebnissen geführt. Je
       sechs Männer und Frauen aus Russland hätten im Weltcup starten dürfen, das
       geht aus vorläufigen Startlisten hervor. 22 Betreuer hätten die Aktiven
       begleiten dürfen. Daraus wird nun doch nichts. Am Wochenende hat die Fis
       beschlossen, den Bann aufrechtzuerhalten, „in Übereinstimmung mit den
       Empfehlungen des Internationalen Olympischen Komitees“, wie es in der
       Begründung heißt. Namhafte Skisportlerinnen hatten angekündigt, die WM im
       kommenden Jahr in Planica zu boykottieren, sollte die Fis ein russisches
       Team zulassen. „Hier geht es um mehr als nur um Sport“, sagte etwa die
       Schwedin Maja Dahlqvist, die in Peking Silber und Bronze gewonnen hat.
       
       ## Bestätigung der Opferrolle
       
       Vielleicht war es der Druck der Sportlerinnen, vielleicht war es die Angst
       vor einer Auseinandersetzung [3][mit dem IOC], die die Fis letztlich dazu
       bewogen hat, russische und belarussische Sportlerinnen auszuschließen. Das
       Ergebnis ist jedenfalls eindeutig.
       
       In Russland fühlen sich die Verantwortlichen wieder einmal so, wie sie sich
       nur allzu gerne sehen: als Opfer. Man wundere sich nicht über die
       Entscheidung, meinte Denis Tichomirow, der Chef des russischen Skiverbands.
       Der Zeitpunkt sei aber mehr als unglücklich. Flüge und Quartiere zu den
       ersten Rennen seien schon gebucht gewesen. Sollte das stimmen, wäre es ein
       Beleg dafür, wie weit die Vorbereitungen für eine Reintegration des
       russischen Teams bei der Fis schon gediehen waren.
       
       Alexander Bolschunow muss nun also ohne internationale Wettkämpfe
       versuchen, in seinem Heimatland in den Schlagzeilen zu bleiben. Noch muss
       er selbst nicht viel dafür tun. Als in der vergangenen Woche die
       Versammlung der Internationalen Olympischen Komitees den besten
       Olympioniken der Spiele von Peking ausgezeichnet hat, machten sich nicht
       wenige Medien darüber lustig, dass die Wahl auf den südkoreanischen
       Short-Tracker Hwang Dae-heon gefallen ist. Der habe in Peking schließlich
       nur eine Goldmedaille gewonnen und alle in der weiten Welt des Sports
       wüssten, dass die Auszeichnung Bolschunow gebühre.
       
       Jelena Välbe, die Cheftrainerin des russischen Langlaufteams, meinte, sie
       werde die Wettbewerbe dann eben von außen verfolgen und beobachten, wie das
       so wird ohne echte Spitzenathleten. Die Qualität der Wettbewerbe werde
       sinken, das Interesse der Geldgeber auch. Und das Newsportal sports.ru
       zitiert den britischen Langläufer Andrew Musgrave, der sich ausmalte, wie
       es sich wohl anfühlen würde, ein Rennen zu gewinnen und sich dann sagen zu
       müssen: „Das war nur, weil Bolschunow nicht dabei war.“
       
       Und was macht Bolschunow jetzt? Der wird Anfang November in den Ural nach
       Chanty-Masysk fahren, um erste Testrennen zu bestreiten. Ob sich dafür wohl
       jemand interessieren wird?
       
       25 Oct 2022
       
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