# taz.de -- Missbrauch in der katholischen Kirche: Vertuschen und verzögern
       
       > Ein Gutachten zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche wird auf
       > April 2023 verschoben. So verwirkt die Kirche jede Glaubwürdigkeit.
       
 (IMG) Bild: Lieber ruhen lassen? Das sagt zumindest Erzbischof Robert Zollitsch
       
       Ende Oktober sollte das Gutachten veröffentlicht werden. Eigentlich. Jetzt
       soll die Studie zu den [1][Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche] in
       Freiburg, die von der Erzdiözese Freiburg selbst in Auftrag gegeben wurde,
       erst im kommenden April erscheinen. Damit verzögert sich die
       Veröffentlichung der Untersuchung erneut – wegen rechtlicher Bedenken, wie
       der Freiburger Generalvikar laut Report Mainz erklärte.
       
       Christoph Neubrand begründet das Zurückziehen der Schrift, mit der
       jahrelange schwere Missbrauchsfälle aufgearbeitet werden sollen, mit Worten
       wie diesen: „Wichtig ist für uns, dass der Bericht vollständig ans Licht
       kommt, dass die systemischen Komponenten, die im Hintergrund einfach auch
       vermutlich ja da waren, dass das alles genau benannt wird, dass
       Verantwortliche benannt werden, Verantwortlichkeiten benannt sind. Und da
       muss die Zeit in diesem Falle einfach zweitrangig sein.“
       
       Man hört es, man liest es – und glaubt es nicht. Schon lange nicht mehr.
       Seit Jahren sichert die katholische Kirche umfassende Aufklärung und
       Aufarbeitung von Missbrauchsfällen zu, die in ihren Einrichtungen
       stattgefunden haben, von ihren eigenen Würdenträgern begangen. Doch die
       Öffentlichkeit erlebt das absolute Gegenteil: [2][Verdecken, Vertuschen,
       Verschweigen, Verzögern]. Selbst bei Fällen, die weitgehend bekannt sind –
       bei den zuständigen Kirchenbehörden, bei den Angehörigen der Opfer, in der
       lokalen Öffentlichkeit.
       
       Selbst wenn Täter, wie in Freiburg, verstorben sind, hält die Kirche ihre
       schützende Hand über sie. Im Freiburger Fall hatte sich ein Pfarrer nach
       der Anzeige eines Opfers bei der Polizei 1995 das Leben genommen. Für den
       Betroffenen, der als Kind von dem Pfarrer missbraucht wurde, kommt der
       Suizid einem Schuldbekenntnis gleich. Was hindert die katholische Kirche
       daran, sich nun intensiv mit dem Fall zu beschäftigen und den Opfern zu
       helfen? Ihnen wenigstens ein kleinen Schritt entgegenzukommen?
       
       ## „Schaden möglichst begrenzen“
       
       Stattdessen wiegelt kein Geringerer als Robert Zollitsch, ehemaliger
       Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und seinerzeit
       Personalreferent der Erzdiözese Freiburg, ab. „Nach unserer Auffassung geht
       es nun darum, den Schaden möglichst zu begrenzen […]. Herr Pfarrer B. ist
       tot und hat keine Möglichkeit mehr, Stellung zu nehmen oder sich zu wehren.
       Man sollte ihn in Ruhe lassen“, schreibt Zollitsch in einer Stellungnahme
       auf eine Anfrage von Report Mainz. Böswillig zugespitzt könnte man solche
       Worte auch so lesen: Man sollte alles ruhen, auf sich beruhen lassen.
       
       Die Freiburger Verzögerungstaktik erinnert stark an die Verschlusstaktik im
       [3][Umgang mit einer Studie] der Erzdiözese Köln, in die [4][der
       umstrittene Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki] verstrickt ist. Im März
       2020 sollte das Papier vorliegen, kurz vor der Präsentation kam die Absage.
       Aus rechtlichen Gründen, wie es hieß. Die Studie blieb unter Verschluss,
       eine neue wurde in Auftrag gegeben. Mehr noch: Ausgewählten
       Journalist:innen, die später Einblick in die untersagte Studie bekommen
       sollten, hätten vorab eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben
       sollen.
       
       ## Sieht so Aufarbeitung aus?
       
       Sieht so echte Aufarbeitung aus? Was fangen Medienvertreter:innen
       mit einem Wissen an, das sie nicht mit der Öffentlichkeit teilen dürfen?
       Woran sollen sich Opfer orientieren, wenn ihre lang gehegte Hoffnung auf
       Aufarbeitung so dreist und plump enttäuscht wird? Oder – um es sehr
       zugespitzt zu formulieren – mit welcher Berechtigung proklamiert die
       katholische Kirche Nächstenliebe, Vertrauen, Glauben?
       
       Solange die katholische Kirche immer nur betont, alles für die Opfer tun zu
       wollen, aber Aufarbeitungswillen nicht lebt, hat sie [5][jede
       Glaubwürdigkeit verwirkt.]
       
       26 Oct 2022
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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