# taz.de -- Putin formiert Oberkommando neu: „General Armageddon“
       
       > Der russische Syrien-Kommandeur und mutmaßliche Kriegsverbrecher Sergei
       > Surowikin wird Chef der russischen Truppen in der Ukraine.
       
 (IMG) Bild: Sergej Sorowikin
       
       Ein mutmaßlicher Verantwortlicher für [1][Kriegsverbrechen in Syrien] soll
       jetzt den russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor dem Zusammenbruch
       retten. Am Samstag ernannte Russlands Präsident Wladimir Putin General
       Sergei Surowikin zum Oberkommandierenden der russischen „Spezialoperation“
       in der Ukraine – das erste Mal, dass ein einziger General alle in der
       Ukraine eingesetzten russischen Streitkräfte führt.
       
       Mit dieser Neuorganisation reagiert Putin auf die jüngsten Rückschläge
       Russlands, das seit Anfang September im Nordosten der Ukraine östlich von
       Charkiw sowie im Süden nördlich von Cherson die größten Gebietsverluste
       seit dem Scheitern des Angriffs auf Kiew Ende März hinnehmen musste und
       sich weiter auf dem Rückzug befindet.
       
       General Surowikin, dem in sozialen Netzwerken Spitznamen wie „Kannibale“
       und „General Armageddon“ gegeben werden, gilt als Hardliner. Der 55-Jährige
       war bereits 1991 am kurzlebigen gescheiterten Putsch des sowjetischen
       Geheimdienstes KGB gegen Reformpräsident Michail Gorbatschow beteiligt und
       schlug als Schützenkommandant Proteste dagegen nieder, indem er eine
       Straßenbarrikade samt den Menschen darauf niederwalzen ließ – „der einzige
       Offizier, der im August 1991 Schießbefehl erteilte und tatsächlich drei
       Menschen tötete“, wie der Moskauer Politologe Grigorij Judin auf Twitter
       schreibt.
       
       Später kommandierte Surowikin nach Angaben von Menschenrechtsgruppen für
       Verbrechen verantwortliche russische Einheiten in Tschetschenien. 2017, als
       er bereits Oberbefehlshaber der russischen Luftstreitkräfte war, wurde er
       Kommandeur der russischen Einheiten in Syrien. Dort verantwortete er
       Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung in Rebellengebieten, etwa in Aleppo.
       
       Der US-Analyst Charles Lister nennt ihn als Verantwortlichen für das
       vertraute Muster des syrischen Assad-Regimes, erst mit einzelnen
       Rebellengruppen „Deeskalationsabkommen“ zu schließen und dann umso
       gnadenloser die Bevölkerung bombardieren zu lassen. Aus der Syrienzeit
       stammt auch Surowikins Freundschaft mit Jewgeni Prigoschin, Chef der
       berüchtigten russischen [2][Söldnertruppe Wagner]. Prigoschin begrüßte
       jetzt die Beförderung der „legendären Figur“ Surowikin, „fähigster
       Kommandeur der russischen Armee“.
       
       Zuletzt führte Surowikin die Ostgruppe der russischen Streitkräfte in der
       Ukraine, die einen der wenigen russischen Erfolge der letzten Monate
       erzielte: die Einnahme der Donbass-Stadt Sewerodonezk Ende Juni nach
       monatelangen Kämpfen mit Tausenden Toten.
       
       ## Zerwürfnisse an russischer Militärspitze
       
       Seine Ernennung erfolgte am Tag der Teilzerstörung der strategisch
       wichtigen [3][Kertsch-Brücke] zwischen Russland und der besetzten Krim vor
       dem Hintergrund von Gerüchten über tiefe Zerwürfnisse an der Spitze des
       russischen Militärs. Passend zum Syrien-Hintergrund des beförderten
       Generals hat Russland in der Nacht zu Sonntag schwere Luftangriffe auf die
       südukrainische Stadt Saporischschja geflogen, obwohl sie offiziell zum von
       Russland annektierten Gebiet gehört.
       
       70 Häuser wurden beschädigt und mindestens 17 Menschen getötet, teilten die
       Behörden am Sonntag mit. Bereits am Donnerstag hatte die Stadt die
       schwersten russischen Luftangriffe seit Wochen erlebt; die Todeszahl dieses
       Angriffs stieg bis Samstag auf ebenfalls 17.
       
       Am Montagfrüh flog Russland die seit langem schwersten Luft- und
       Raketenangriffe auf zivile Ziele in zahlreichen weiteren Städte in der
       Ukraine.
       
       10 Oct 2022
       
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