# taz.de -- Friedensnobelpreis für die Ukraine: Freude und Frust
       
       > Viele Ukrainer begrüßen die Auszeichnung. Aber es gibt auch Kritik: Sie
       > wollen nicht in einem Atemzug mit Russland und Belarus genannt werden.
       
 (IMG) Bild: Die beiden Projekt-Koordinatorinnen Natalia Yashchuk und Anna Popova freuen sich über den Preis für „ Center for Civil Liberties“
       
       Berlin taz | „Jetzt sprechen die Armeen, weil früher die Stimmen der
       Menschenrechtler in unserer Region nicht zu hören waren. Wenn wir nicht in
       einer Welt leben wollen, in der die Regeln von demjenigen bestimmt werden,
       der über die stärkste Armee verfügt, sondern von der Rechtsstaatlichkeit,
       muss dieser Zustand geändert werden“, kommentierte Oleksandra Matwijtschuk,
       Vorsitzende [1][des ukrainischen Zentrums für bürgerliche Freiheit (CCL),]
       die Verleihung des Friedensnobelpreises – der erstmals in die Ukraine ging.
       
       Trotz der Freude über die Auszeichnung gab es unter Ukrainern auch heftige
       Diskussionen über die Entscheidung des Nobelpreiskomitees, den
       Friedenspreis gleichzeitig an Menschenrechtsaktivisten aus drei Ländern –
       Russland, Belarus und der Ukraine – zu vergeben.
       
       Der Kern des Problems sind jedoch nicht die Namen der Preisträger – die
       russische Menschenrechtsorganisation Memorial und der inhaftierte
       belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki. Viele derer, die jetzt
       in der Ukraine diese Entscheidung kritisieren, unterstützen im Grunde die
       Auszeichnung von Memorial und Bjaljazki.
       
       Auch in der Ukraine sind viele der Meinung, dass ihre Arbeit und ihr Kampf
       für Menschenrechte und Freiheit in ihren Heimatländern zweifellos größten
       Respekt verdienen. Der Stein des Anstoßes ist vielmehr, dass die Ukrainer
       von der Welt nicht länger im direkten Zusammenhang mit Russland und Belarus
       wahrgenommen werden wollen. Sie betrachten den Kampf für Menschenrechte in
       den drei Ländern nicht als gleichwertig.
       
       ## Tödliche Raketen
       
       In Belarus und Russland kämpfen Menschenrechtsaktivisten für die Rechte von
       Menschen, die in einer Diktatur leben. In der Ukraine hingegen
       dokumentieren sie Kriegsverbrechen eben dieser Diktaturen, weil [2][auch
       weiterhin Raketen aus Richtung Russland und Belarus auf die Ukraine
       abgefeuert werden und friedliche Menschen töten].
       
       Die Ukrainer sind unzufrieden, weil sie glauben, dass der Westen immer noch
       das Narrativ der brüderlichen Freundschaft zwischen den drei Nationen
       bedient, wie auch das Nobelpreiskomitee bei der Begründung seiner
       Entscheidung betonte. Aber die Ukrainer wollen mit ihrer Kritik gehört
       werden: Sie selbst sehen sich nicht mehr in diesem Zusammenhang, doch der
       Westen lebt immer noch mit dieser Vorstellung. Dies ist vielleicht der
       Hauptgrund für die ukrainische Unzufriedenheit.
       
       Damit die Welt dies endlich begreift, haben einzelne Vertreter der
       ukrainischen Zivilgesellschaft sogar dafür plädiert, dass die ukrainischen
       Preisträger auf den Preis verzichten sollten. Doch die Preisträger des
       Zentrums für bürgerliche Freiheit ziehen dies nicht in Betracht, da sie die
       beiden anderen Ausgezeichneten als ihre Freunde und Partner betrachten
       
       ## Ausschluss aus dem UN-Sicherheitsrat
       
       Trotzdem ist Oleksandra Matwijtschuk der Meinung, dass Russland wegen
       systematischer Verletzung der UNO-Menschenrechtscharta aus dem
       UNO-Sicherheitsrat ausgeschlossen werden sollte und dass man Russlands
       Präsidenten Wladimir Putin, den belarussischen Staatschef Alexander
       Lukaschenko sowie anderen Kriegsverbrecher vor ein internationales
       Kriegsverbrechertribunal stellen sollte.
       
       „Ohne dies kann es keinen dauerhaften Frieden in unserer Region geben“,
       sagt die ukrainische Menschenrechtlerin und fügt hinzu: „20 Jahre Erfahrung
       im Kampf für Freiheit und Menschenrechte haben mir gezeigt, dass einfache
       Menschen viel mehr Einfluss haben, als ihnen bewusst ist.“
       
       Aus dem Russischen Gaby Coldewey
       
       7 Oct 2022
       
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