# taz.de -- Von Russland besetztes AKW: Feindliche Übernahme
       
       > Putin drückt in Saporischschja auf die Tube. Das ukrainische AKW soll
       > unter vollständige Kontrolle Russlands – so schnell wie möglich.
       
 (IMG) Bild: Unter Militärkontrolle: Russischer Soldat steht Wache unweit des AKW Saporischschja
       
       Russlands Atomwirtschaft kann es nicht schnell genug gehen, den Raub des
       ukrainischen AKW Saporischschja juristisch und organisatorisch in trockene
       Tücher zu bringen. Am 3. Oktober, also noch zwei Tage vor Putins
       Unterschrift unter die Gesetze zur Annexion von vier ukrainischen Gebieten,
       darunter die Region Saporischschja, wurde schon die Firma „Organisation zum
       Betrieb des AKW Saporischschja“ in Moskau registriert, wenig später hatte
       das AKW einen neuen, russischen, Chef: Oleg Romanenko, Ex-Chefingenieur des
       AKW Balakowo in der Region Saratow. Gleichzeitig erklärte der
       Vorstandsvorsitzende des ukrainischen Atomkonzerns Energoatom, Petr Kotin,
       dass alle weiteren Entscheidungen über den Betrieb der Anlage direkt in der
       Zentrale von Energoatom in Kiew getroffen werden.
       
       Am 5. Oktober hatte der russische Präsident Wladimir Putin in einem
       [1][eigenen Dekret angeordnet, dass das Kernkraftwerk Saporischschja unter
       russische Leitung gestellt wird]: In einer Übergangsfrist bis zum 1. Januar
       2028 sollten alle finanziellen- und Lizensierungsfragen geregelt sein.
       Romanenko versprach, dass in naher Zukunft alle Mitarbeiter des
       Kernkraftwerks von der neuen Organisation unter Beibehaltung ihrer Gehälter
       und sozialen Garantien übernommen werden.
       
       Der neue Leiter des AKW werde eine schwierige technische Aufgabe zu
       bewältigen haben, so das russische Portal business-vector.info. Derzeit
       seien alle sechs Reaktoren abgeschaltet und müssten wieder in Betrieb
       genommen werden. Umsetzen ließe sich das erst, wenn nicht mehr geschossen
       werde.
       
       ## Russland hat nicht genügend Personal
       
       Nun gehe es erst einmal darum, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und die
       beschädigte Infrastruktur zu reparieren, zitiert business-vector.info den
       von Russland eingesetzten AKW-Direktor. Das Handling dieses zu Sowjetzeiten
       gebauten Reaktors, so der Subtext des Artikels, sei kein Problem,
       schließlich habe der neue Direktor ja in einem ähnlich großen russischen
       AKW als Chefingenieur gearbeitet. Ob er sich auch mit Brennstäben der Firma
       Westinghouse auskennt, geht aus dem Artikel nicht hervor.
       
       Es fragt sich auch, inwieweit das ukrainische Personal bereit ist, unter
       russischer Führung zu arbeiten. Nur 3.800 von ehemals 11.000 Mitarbeitern
       seien noch im AKW tätig, berichtet die ukrainische Atomexpertin Olga
       Koscharna der taz. Russland habe nicht genügend eigenes Personal. Deswegen
       gehe sie davon aus, dass Russland Druck auf die Mitarbeiter ausüben werde,
       die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen und neue Arbeitsverträge mit
       der russischen Betreiberin zu unterschreiben.
       
       Unterdessen berichtet das ukrainischsprachige Portal von BBC, man habe von
       Mitarbeitern des AKW erfahren, dass man Mitarbeitern, die sich als
       unkooperativ mit den neuen Herren zeigten, mit einer Einberufung in die
       russische Armee drohe. Nun sei es wichtig, so Koscharna, dass die Ukraine
       den Mitarbeitern, die auch unter russischer Herrschaft im AKW
       weiterarbeiteten, garantierte, dass ihnen deswegen von der Ukraine
       keinerlei juristische Konsequenzen drohten.
       
       Auf den ersten Blick tritt der russische Atomkonzern Rosatom bei der
       Übernahme nicht in Erscheinung. Besitzerin des AKW ist offiziell die Firma
       Organisation zum Betrieb des AKW Saporischschja. Diese ist eine
       100-prozentige Tochter von Rosenergoatom. Und Rosenergoatom ist eine
       100-prozentige Tochter von Rosatom. Dieses Konstrukt, so der russische
       kommersant.ru, verringere das Risiko weiterer Sanktionen.
       
       ## Druck auf Putin erhöhen
       
       Genau diese fordert der russische Umweltschützer Wladimir Slivjak:
       „Russland hat ein AKW eines anderen Landes gestohlen und hat dabei auch
       nicht vor einer Geiselnahme zahlreicher Mitarbeiter zurückgeschreckt“, so
       Slivjak. „Nun muss die Weltgemeinschaft, insbesondere die IAEA, auf Putin
       Druck ausüben, das geraubte AKW wieder an die Ukraine zurückzugeben“, so
       der Sprecher der russischen Umweltgruppe Ecodefense und Träger des
       Alternativen Nobelpreises von 2021 zur taz.
       
       „Da sich der [2][russische Atomkonzern an diesem Raub aktiv beteiligt],
       muss man Rosatom mit Sanktionen belegen. Rosatom ist Partner der
       Brennelementefabrik in Lingen, Niedersachsen. Und Rosatom ist seit 2009
       Besitzerin von [3][NukemTechnologies] im bayerischen Alzenau. Diese
       Zusammenarbeit mit Rosatom muss beendet werden“, so Slivjak.
       
       Unterdessen ist der Chef der IAEA, Rafael Grossi, auf dem Weg nach Kiew, wo
       er Unterstützung für die Einrichtung einer Sicherheitszone um das AKW
       sucht.
       
       6 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /AKW-Saporischschja-in-Ukraine/!5886194
 (DIR) [2] /AKW-Saporischschja/!5879392
 (DIR) [3] https://www.nukemtechnologies.de/unternehmen/ueber-uns
       
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 (DIR) Bernhard Clasen
       
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