# taz.de -- tazđŸŸthema: Genossen mit Anspruch
       
       > Cosurca heißt der etwas andere Dachverband von elf Kaffeekooperativen in
       > Kolumbien. Er verkauft ausschließlich an Fair-Trade-Partner und fördert
       > die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte – nicht nur in einer
       > kritischen Ausstellung. Ein Besuch in Cauca
       
       Von Knut Henkel
       
       Das Wandbild im Hof von Cosurca zeigt die typische, von den Bergen der
       Andenkordilleren zerschnittene Landschaft des Cauca. Eine fruchtbare, von
       Vulkanen eingefasste Hochebene, auf der Mais, Zuckerrohr und
       KaffeestrĂ€ucher wachsen. Zwei riesige, mit roten Kaffeekirschen gefĂŒllte
       HĂ€nde recken sich dem Betrachter entgegen, am Rand des Bildes junge
       Kaffeesetzlinge vor einem FarmgebĂ€ude, darauf der Schriftzug „Cosurca“. Die
       AbkĂŒrzung fĂŒr „Kooperative des SĂŒdens des Cauca“.
       
       Unter dem KĂŒrzel organisieren sich seit 1993 elf Genossenschaften, deren
       Zentrale sich in TimbĂ­o befindet. Die Kleinstadt liegt knapp 15 Kilometer
       sĂŒdlich von PopayĂĄn, der ökonomischen Drehscheibe des Verwaltungsbezirks
       Cauca.
       
       Bio-Café, FruchtsÀfte und Panela, den eingekochten, in Kolumbien so
       beliebten Zuckerrohrsaft, produzieren die Genossen. „Alles mit unserem Logo
       versehen und fair und ökologisch produziert“, erklĂ€rt Freddy Urbano mit
       stolzer Stimme. Dann weist er den Weg in den BĂŒrotrakt mit dem
       Konferenzraum. Urbano, ein krÀftiger, graumelierter Mann von Ende 50, ist
       Verkaufs- und QualitÀtsmanager der 1.500 Familien zÀhlenden
       Kleinbauernorganisation. Die verkauft jedes Jahr rund 15 Prozent ihrer
       Ernte an das Wuppertaler Fairhandelsunternehmen Gepa. Das hat seit 2001
       Tradition und der Aufbau langfristiger, partnerschaftlicher
       GeschÀftsbeziehungen gehört zur Cosurca-Philosophie.
       
       „Wir beliefern elf Röstereien in Deutschland, Frankreich und den USA, die
       ausnahmslos Fair-Trade-zertifiziert sind“, erklĂ€rt Urbano und hĂ€lt ein
       Handbuch von einem Workshop zur QualitÀtssteigerung aus dem Jahr 2013 hoch.
       Das lag sicherlich nicht ganz zufÀllig auf dem Konferenztisch, an dem
       mittlerweile auch GeschĂ€ftsfĂŒhrer RenĂ© Ausecha Platz genommen hat. „80
       Prozent unserer Ernte erreicht mittlerweile 84 und mehr Punkte auf der
       Skala der US-amerikanischen SpezialitÀtenkaffee-Vereinigung SCAA. Unser
       Kaffee erfĂŒllt damit die Kriterien von Gourmetkaffee“. Ein Erfolg
       kontinuierlicher Arbeit, der von den Partnern, darunter der Gepa, gefördert
       wird.
       
       Dazu gehört die regelmĂ€ĂŸige Erneuerung der kleinen Kaffeeplantagen mit
       jungen Setzlingen, die direkt in den Genossenschaften von Cosurca gezogen
       werden. „Wir setzen mit Colombia, Típica, Caturra und etwas Bourbon auf
       vier klassische, besonders aromatische Kaffeesorten, die auf kleinen
       FlÀchen angebaut werden. Anders als kolumbianischen
       Durchschnittskaffeebauern stĂŒnden den Cosurca-Mitgliedern, oft indigener
       und afrokolumbianischer Herkunft, nur durchschnittlich 1,2 Hektar FlÀche
       zur VerfĂŒgung, so Urbano.
       
       Folgerichtig haben die Cosurca-Experten ihr Anbaukonzept angepasst – auch
       an die Böden und das sich wandelnde Klima der Region. Mehr Regenfall,
       kĂ€ltere Temperaturen in der BlĂŒtephase haben im letzten Jahr einen
       Ernteeinbruch von rund 30 Prozent verursacht. In diesem Jahr wird deshalb
       die Erntephase ausgedehnt. „Von Ende MĂ€rz bis in den Dezember hinein werden
       wir die Kaffeekirschen pflĂŒcken, kontinuierlich, aber in kleinerem
       Maßstab“, erlĂ€utert Urbano die neue Strategie. Dies hat Vorteile, denn
       anders als frĂŒher, wo das Gros der Ernte in wenigen Monaten eingebracht
       wurde, mĂŒssen so kaum zusĂ€tzliche ArbeitskrĂ€fte angestellt werden.
       
       Ohnehin sind ArbeitskrĂ€fte im Cauca knapp. „Hier wird laut UN-Quellen auf
       rund 17.000 Hektar Koka angebaut – Tendenz hier, aber auch landesweit
       steigend. Die Kokabauern zahlen schlicht höhere Löhne als wir sie uns
       leisten können“, erklĂ€rt GeschĂ€ftsfĂŒhrer RenĂ© Ausecha mit sorgenvoller
       Mine. Die Ausweitung der illegalen Landwirtschaft ist fĂŒr ihn eine direkte
       Folge der nur partiellen Umsetzung des im November 2016 unterzeichneten
       Friedensvertrages mit der Guerilla Farc. FĂŒr den hat sich auch die
       Genossenschaft engagiert.
       
       Doch in viele dieser Regionen ist der Krieg zurĂŒckgekehrt. „Vier Monate
       hatten wir hier Frieden, dann tauchten neue bewaffnete Akteure auf – die
       permanente Unsicherheit war zurĂŒck. Heute mĂŒssen wir in einigen Regionen
       bei ihnen anfragen, ob wir zu Schulungen unserer Mitglieder anreisen
       dĂŒrfen“, schildert Ausecha die aktuelle Situation. PatĂ­a heißt eine der
       Gemeinden, rund 80 Kilometer von TimbĂ­o entfernt, wo die Agrartechniker von
       Cosurca nicht mehr unangemeldet aufkreuzen können.
       
       Auf die prekĂ€ren VerhĂ€ltnisse reagiert Cosurca mit FilmvorfĂŒhrungen und
       Diskussionsabende fĂŒr die Kaffeebauern und ihre Familien. Auch ein kleines
       Museum ĂŒber die Geschichte der Genossenschaft im Kontext des seit 1964
       schwelenden BĂŒrgerkriegs gibt es, in einem separaten, frei zugĂ€nglichen
       Raum auf dem GelĂ€nde: Weiß gekalkte WĂ€nde sind mit bedruckten Folien
       beklebt worden, auf denen dick gedruckte Jahreszahlen ins Auge springen.
       Eine Zeitleiste, die die wichtigsten Ereignisse im Land und in der Region
       festhalten. Darunter natĂŒrlich auch alles Relevante rund um Cosurca. Die
       GrĂŒndung neuer Genossenschaften etwa, die erste Fair-Trade-Zertifizierung,
       der Kauf der Sortiermaschine aus deutscher Produktion oder die ersten
       Bildungsinitiativen.
       
       „Wir schulen unsere Mitglieder nicht nur in Sachen Kaffee, sondern
       koordinieren auch ihre Weiterbildung“, erklĂ€rt GeschĂ€ftsfĂŒhrer Ausecha.
       „Hier in der vielleicht am stĂ€rksten vom BĂŒrgerkrieg geprĂ€gten Region des
       Landes, waren die Hoffnungen auf einen echten Frieden immens“. LĂ€ngst haben
       sie mehr als einen DĂ€mpfer erhalten.
       
       Doch am Engagement Ausechas hat das nichts geÀndert, und nun hofft er, dass
       die neue Regierung von Gustavo Petro das Friedensabkommen reaktivieren und
       implementieren wird. Parallel dazu lÀuft die Suche nach zusÀtzlichen
       Einnahmequellen. Dazu zÀhlt der Aufbau einer eigenen Fruchtsaftproduktion
       sowie die anlaufende Produktion und Verarbeitung von Kakao und ErdnĂŒssen,
       wofĂŒr die Ingenieurin Sandra Pantoja verantwortlich ist.
       
       Hinzukommen Programme, die die Lebensbedingungen vor Ort spĂŒrbar
       verbessern. Dazu zĂ€hlt der gemeinsame Bau besserer KĂŒchen, von Holzöfen und
       -herden, die weniger Holz verbrauchen und kaum Qualm produzieren, genauso
       wie der Aufbau von Bio-DĂŒngeranlagen und kleinen Baumschulen in den
       Anbauregionen. Das trĂ€gt FrĂŒchte, was die niedrige Abwanderungsquote bei
       Cosurca belegt. WĂ€hrend andere Genossenschaften 30 Prozent und mehr ihrer
       Mitgliederfamilien in den letzten drei Jahren verloren haben, ist die Zahl
       bei Cosurca recht stabil. Daran wird sich vorerst kaum etwas Àndern, denn
       hohe Weltmarktpreise fĂŒr Kaffee und die Hoffnung auf Frieden durch die neue
       Regierung sorgen dafĂŒr.
       
       17 Sep 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
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