# taz.de -- Null-Covid-Strategie in China: Eine Kleinstadt schreit um Hilfe
       
       > In Yingtan machen die Bürger schlimme Erfahrungen im Lockdown und
       > berichten auf sozialen Medien. Chinas Staatsmedien schweigen darüber.
       
 (IMG) Bild: Offiziell ist die Lage unter Kontrolle: Szene aus der Provinz Hainan im August 2022
       
       Peking taz | Wie ein Lauffeuer verbreiten sich die Nachrichten auf den
       chinesischen Online-Plattformen Wechat und Weibo, im Sekundentakt ploppen
       erboste Kommentare auf dem Smartphone auf. Sie stammen von Bürgern aus
       Yingtan, einer südchinesischen Kleinstadt, die sich seit rund zwei Wochen
       im Coronalockdown befindet.
       
       Auf einigen Fotos, die viral gehen, ist ein kleines Mädchen zu sehen, das –
       offenbar ohne ihre Eltern – auf dem Boden eines unverputzten
       Quarantänelagers sitzt. Auf anderen Bildern sieht man gebrechliche
       Chinesinnen und Chinesen ebenfalls auf dem Boden liegen, da sämtliche
       Feldbetten belegt sind. „Unsere Stimmen werden unterdrückt! Bitte schenkt
       uns Beachtung“, lautet einer der verzweifelten Hilfeschreie auf der
       Online-Plattform Weibo.
       
       Nach wie vor verfolgt die Volksrepublik China eine konsequente [1][„Null
       Covid“-Strategie], bei der selbst kleinste Ausbrüche des Coronavirus mit
       [2][Lockdowns], Massentests und Quarantäne eingedämmt werden sollen. In den
       ersten zwei Jahren der Pandemie hat dies auch durchaus funktioniert, wenn
       auch die Opfer für das Individuum stets immens waren. Doch spätestens seit
       Omikron stoßen die chinesischen Maßnahmen an ihre Grenze.
       
       Denn wer dieser Tage auf die Landkarte der Volksrepublik blickt, sieht
       einen Flickenteppich aus Dutzenden Städten, in denen sich derzeit kleinere
       Infektionsstränge ausbreiten. Laut Staatsmedien und nationaler
       Gesundheitskommission ist die Lage grundsätzlich unter Kontrolle. Von den
       Schattenseiten erfährt die Öffentlichkeit kaum etwas. Doch wie verlässlich
       sind die offiziellen Angaben?
       
       ## Erfahrungen und offizielle Statistik widersprechen sich
       
       Wer den Bürgern aus Yingtan zuhört, bekommt Zweifel. „Die Schwere der
       Epidemie in Yingtan ist unvorstellbar und die tägliche Zahl neuer Fälle
       übersteigt die offiziellen Daten bei Weitem“, schreibt etwa ein Nutzer.
       Tatsächlich ist es nahezu unmöglich, solche Angaben unabhängig zu
       überprüfen – nicht zuletzt, weil die „Null Covid“-Strategie Reisen in
       Risikogebiete unmöglich gemacht hat.
       
       Doch der Fall Yingtan zeigt, wie viel Energie Chinas Staatsapparat darauf
       verwendet, das wahre Ausmaß der Pandemie vor der eigenen Öffentlichkeit
       unter Verschluss zu halten. Die traditionellen Medien greifen die desolate
       Situation der Bewohner nicht auf. Und im Internet sorgt der Algorithmus
       dafür, dass sich kritische Meldungen nicht zu prominent verbreiten.
       Notfalls setzen die Zensoren den digitalen Löschstift an.
       
       „Ohne die Infektion meiner Verwandten hätte ich nie gewusst, dass die
       epidemische Lage so ernst ist“, schreibt ein Anwohner auf Weibo: „Jeden Tag
       trifft es mehr als eine Person, die ich kenne.“
       
       Laut offiziellen Statistiken halten sich die Coronazahlen in Yingtan
       hingegen in Grenzen. Am Mittwoch waren es 26 Infizierte, Dienstag nur 8. Ob
       die Lokalregierung bewusst manipuliert, lässt sich anhand anekdotischer
       Social Media Postings nicht belegen. Doch sie zeigen, wie tief bei manchen
       das Misstrauen gegen die Behörden ist.
       
       25 Aug 2022
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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