# taz.de -- Kommunistische Partei Chinas: Ahnenanbetung als Regimekritik
       
       > Eine Welle der Bewunderung für Ex-KP-Chef Deng Xiaoping ging durch Chinas
       > soziale Netzwerke. Es war ein symbolischer Protestakt gegen Xi Jinping.
       
 (IMG) Bild: Deng Xiaoping hat immer noch viele Fans
       
       Ahnenanbetung, so scheint es, ist im Westen, insbesondere in westlichen
       Demokratien, oft eine heikle Sache, umso mehr, wenn damit auf etwas
       angespielt wird, von dem sich gleich viele peinlich berührt fühlen. Etwa:
       Ein SPD-Anhänger schwärmt urplötzlich für Willi-Brandt, wegen dessen
       Kniefalls in Warschau; und ein anderer besingt – genauso urplötzlich –
       Helmut Schmidt, der Ronald Reagan angefleht hatte, Pershing-II-Raketen auf
       westdeutschem Boden zu statieren.
       
       Beide schweigen Olaf Scholz tot, seine „Zeitenwende-Rede“, um die deutsche
       Unterstützung der Ukraine gegen Putins Angriffskrieg zu unterstreichen, und
       sein Schweigen über Putins lieben Freund Gerhard Schröder, der für Scholz
       ein viel direkterer Ahn ist, dem zu folgen Scholz aber die Koalition kosten
       könnte. Schröder öffentlich zu kritisieren könnte andererseits die ohnehin
       schwache SPD in der Wählergunst genauso gefährden.
       
       So oder so ähnlich verhält es sich zurzeit in China – nur viel krasser: Für
       zehn Tage im August schwollen in Chinas sozialen Netzwerken die
       [1][Bewunderungswellen für Deng Xiaoping] an, derweil es kaum jemand wagte,
       Mao Zedong zu loben. Dabei sind beide geheiligte Ahnen – in der Satzung der
       KP Chinas genauso wie in Chinas Verfassung.
       
       Der Schmerzpunkt: Mao hatte durch Kulturrevolution China an die Wand
       gefahren, derweil Deng mit seiner Öffnungs- und Reformpolitik, so die
       bisher offiziell erlaubte Lesart, maoistische Fehler korrigiert und China
       Prosperität beschieden hat. Für zehn Tage wurde [2][Xi Jinping], der
       amtierende Parteichef, eisern gemieden. Zehn Tage zuvor hätte das an
       Majestätsbeleidigung gegrenzt. Im autoritären China sollte
       Majestätshuldigung an keinem einzigen Tag fehlen.
       
       ## Kritik am KP-Chef verboten
       
       Im demokratischen Deutschland hingegen passiert den SPDlern, egal ob sie
       Brandt oder Schmidt als Ahnen anbeten, nichts, selbst wenn sie damit Olaf
       Scholz im Berliner Kanzleramt so oder so einen Bärendienst erweisen würden.
       Ja, sie hätten dem Amtsinhaber ins Gesicht sagen dürfen, wenn nicht sollen,
       wo es langgeht: Noch einmal ein Kniefall, diesmal womöglich in Moskau, im
       Namen des Weltfriedens oder ein Kalter Krieg 2.0, im Dienste der
       Gerechtigkeit?
       
       Dem allmächtigen KP-Chef sagen, wo es langgeht, ist im gegenwärtigen China
       ein absolutes No-go. Lange wurde dennoch die Ahnenanbetung streng
       eingeschränkt: Jegliche positive Äußerung über Deng wurde zensiert, auch
       weil Xi Jinping wieder belebt, was Deng angesichts Fehler aus der Mao-Ära
       verboten hatte: den Personenkult; eine unbegrenzte Amtszeit für Parteichefs
       etwa oder tollkühne Provokationen gegen den Westen – zu Unzeiten.
       
       Gerade in diesem Sinne ist die zehntägige Anbetung von Deng Xiaoping für
       den jetzigen Herrscher fatal: Denn, die Online-Anbeter von Deng beziehen
       sich genau auf das Verbot des Personenkultes, auf Dengs kategorische
       Ablehnung „lebenslanger Amtszeit“ für Parteichefs, auf Dengs Anordnung:
       China möge in seiner Außenpolitik „möglichst viele Freunde machen,
       möglichst keinen Feind“ – wie dies durch das [3][Säbelrasseln in der
       Taiwanstraße] nie hätte passieren dürfen.
       
       Und das meist Sensationelle: Ahnenanbetung mit allen derartigen giftigen
       Anspielungen gegen den Regenten wurde, zehn Tage lang, nicht zensiert. Da
       stimmt doch was nicht. Seit einer Woche verschwindet denn auch die
       Bewunderung für Deng Xiaoping wieder aus dem chinesischen Cyberspace. Ahnen
       dürfen angebetet werden, aber diesmal kommen zu Mao Zedong ein Deutscher
       und ein Russe hinzu: Karl Marx und Wladimir Lenin. Das Gute, so tröstet man
       sich: Wenigstens muss man nicht mehr dem amtierenden KP-Chef Xi Jinping
       auch noch huldigen.
       
       5 Sep 2022
       
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