# taz.de -- Die Wahrheit: Berlin, du Stadt der Bajuwaren
       
       > An der Spree gibt es jetzt für alle Heimatvertriebenen einen
       > fantastischen Freizeitpark. Parole: gegen das Bayern-Bashing in der
       > Bundesregierung.
       
 (IMG) Bild: In den Trachten der Regionen sollen sich die nach Preußen exilierten Bayern wiedererkennen
       
       Nach einem vogelwilden Stakkato aus wuchtigen Boxschlägen wird der
       Herausforderer aus Brandenburg mit einem finalen Abwärtshaken auf die
       Bretter und somit ins Land der Träume geschickt. Der bajuwarische Champion,
       der zwar ohne Handschuhe und Kopfschutz, dafür aber in Wadlstrümpfen,
       Trachtenweste und Lodenhut in den Ring gestiegen ist, feiert seinen Triumph
       über den „Saupreuß“ mit einer kurzen Schuhplatteleinlage und einem spitzen
       Freudenjodler.
       
       Während wir in einem Meer aus Dirndln und Lederhosen von wie entfesselt
       feiernden Süddeutschen hin- und hergeschoben werden, kommen uns erste
       Zweifel, dass es sich hier, wie im Flyer angekündigt, tatsächlich um einen
       harmlosen Schaukampf gehandelt hat.
       
       Dr. Alois Huber, Direktor der Bayernland GmbH, hat uns zu einem Rundgang
       durch den gleichnamigen Freizeitpark eingeladen. Er nutzt die Lücke in der
       Menge, durch die das bewusstlose Potsdamer Schwergewicht von Sanitätern auf
       einer Trage weggebracht wird, um uns aus dem testosterongeladenen
       Pulverfass heraus an einen halbwegs sicheren Ort zu bringen.
       
       „Obacht! So a Packerl Watschn is gschwind aufgmacht“, warnt der 61-Jährige
       in breitem Bairisch vor allzu forschem Leichtsinn, indem er uns aus seinem
       Rucksack Filzhüte und falsche Zwirbelbärte reicht, mit denen wir uns im
       Zuge unseres Undercover-Einsatzes tarnen sollen.
       
       ## Erfolgsmodell Themenwelt
       
       Vor drei Monaten hat der gebürtige Allgäuer auf dem weitläufigen Gelände
       des ehemaligen Tempelhofer Flughafens eine Themenwelt für Abgeordnete der
       CSU und andere Exilbayern eröffnet, die aufgrund von beruflichen oder
       privaten Zwängen ihr bedauernswertes Dasein fern der Heimat im
       brettlflachen Berlin fristen müssen. Spätestens seit den
       „Bayern-Bashing“-Vorwürfen aus der Landeshauptstadt München an die Adresse
       der bundespolitischen Beletage, hat sich Hubers fixe Idee zum lukrativen
       Erfolgsmodell gemausert.
       
       „Gekränkte oder heimwehkranke Bazis fluten an sieben Tagen in der Woche die
       Eingangstore, um es sich bei hellem Bier, Leberkäs, Weißwurst und Brezeln
       so richtig gutgehen zu lassen und in Gesellschaft von anderen Bayerinnen
       und Bayern alpenländische Nestwärme zu tanken“, erklärt uns Huber in
       mittlerweile angestrengtem Hochdeutsch das Konzept des Jodelmekkas. Da
       nördlich des Weißwurstäquators verwurzelte Besucher auf dem Areal nur in
       Ausnahmefällen geduldet würden, empfiehlt Huber, im Interesse unserer
       eigenen Sicherheit ausschließlich mit einem unverfänglichen „Jo mei“ zu
       antworten, sollten Parkgäste während des Aufenthalts in eindeutiger
       Kontaktabsicht an uns herantreten.
       
       Derweil wir mit dem findigen Unternehmer über eine Miniaturversion des
       Mangfallgebirges hinwegsteigen, ragt linker Hand eine originalgetreue
       Nachbildung des Atomkraftwerks Isar 2 in den Schöneberger Sommerhimmel.
       „Neben dem ‚Chiemsee‘ aus original Gletscherschmelzwasser und der
       Neuschwanstein-Deluxe-Hüpfburg eine der Topattraktionen des Parks!“,
       schwärmt Huber stolz. Dass der gesamte Strom für die Amüsiermeile nicht aus
       dem kalten Kultbrüter kommt, sondern vom brandenburgischen Windpark
       Ahrensfelde generiert wird, kaschiert der Wahlberliner mit dem dunklen
       Qualm eines auf dem Boden des Kühlturms vor sich hin knatternden
       Dieselgenerators.
       
       „Zudem sorgt ein in unregelmäßigen Abständen aufjaulender Kernschmelzealarm
       für die perfekte Illusion von kostengünstiger Energiesicherheit und hernach
       für einen lockeren Geldbeutel bei unseren Gästen“, freut sich Huber
       händereibend über die täglichen Rekordeinnahmen durch seine
       spendierfreudigen Landsleute.
       
       ## Wahlergebnis mit Hammerhieb
       
       Auf dem Weg zum einstigen Flughafenterminal passieren wir einige nach
       Jahrmarktart aufgereihte Fahrgeschäfte und Spielattraktionen. Neben der
       „Sozialdemokratischen Geisterbahn“ hat es uns besonders der sogenannte
       Hau-den-Olaf angetan, bei dem nach einem Hammerhieb auf einen rosigen
       Glatzenkranz die freigewordene Schlagenergie als prozentuales Wahlergebnis
       der CSU angezeigt wird.
       
       Die bayerische Version eines „Whack-A-Mole“ zwei Stände weiter erregt
       ebenfalls unser Aufsehen. Ein zirka zehnjähriger Bub im Bayerntrikot
       prügelt dort unter den Anfeuerungsrufen seiner Eltern mit einem stumpfen
       Gegenstand die immer wieder auftauchenden Köpfe der grünen Ministerinnen
       und Minister aus dem Kabinett Scholz in ihre Löcher zurück. Bevor Huber
       sich spontan einen zweiten Klöppel greifen und zur Unterstützung einrücken
       kann, wird er von der Security des Parks angefunkt. Ein Aktivist ist auf
       die dreißig Meter hohe Erlöserstatue des emeritierten Papstes Benedikt XVI.
       geklettert und hat dort ein Protestbanner entrollt, das zum Widerstand
       gegen AKW-Laufzeitverlängerungen, Lobbyismus und die Blockadepolitik des
       Freistaats bei erneuerbaren Energien auffordert.
       
       „Zu allem Überfluss reizt der arme Irre die Leute auch noch per Megafon mit
       dauernden ‚Söder raus!‘- und ‚Zieht den Bayern die Lederhosen aus‘-Rufen“,
       zeigt sich Huber vom Ausmaß der Provokation entsetzt. Da sich am Sockel
       bereits ein wütender Trachtenlynchmob gebildet hat, der versucht, das
       Ratzinger-Denkmal mitsamt dem Störenfried umzuwerfen, gibt der Entrepreneur
       schweren Herzens den Befehl zum Einsatz des Weißbier-Wasserwerfers.
       Gleichzeitig kündet das Abspielen von „Gott mit dir, du Land der Bayern“
       über die Lautsprecher vom vorzeitigen Schließen der Anlage.
       
       Als sich die Lage etwas beruhigt hat, lädt Huber uns ersatzweise zum
       alljährlichen Almabtrieb auf den Teufelsberg im nördlichen Grunewald ein.
       Wir lehnen dankend ab, weil wir den angebrochenen Tag, der bislang ganz im
       Zeichen des flächenmäßig größten Bundeslandes gestanden hat, lieber noch
       für eine andere Aktivität nutzen wollen: Im Reisebüro möchten wir unseren
       bereits gebuchten und bezahlten Alpenurlaub dringend in einen Ort zwanzig
       Kilometer weiter südlich verlegen lassen. Nach Österreich.
       
       31 Aug 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patric Hemgesberg
       
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