# taz.de -- Sanktionen gegen Russland: Im Baltikum nicht mehr willkommen
       
       > Estland und Lettland haben die Visavergabe an Russ*innen eingeschränkt.
       > Polen arbeitet an einem Vorschlag. Die Regelungen zeigen erste Wirkung.
       
 (IMG) Bild: In der Altstadt von Riga sind russische Tourist*innen nicht mehr erwünscht
       
       Berlin taz | Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat sich erneut
       direkt an russische Staatsbürger*innen gewandt. Wer schweigt, mache
       sich zum Komplizen, wer auf einen Kampf gegen das Böse verzichte, werde zu
       dessen Unterstützer. „Wo auch immer Sie sich aufhalten, auf dem Territorium
       Russlands oder im Ausland, erheben Sie ihre Stimme zur Unterstützung der
       Ukraine“, sagte Selenski in seiner täglichen Videoansprache am
       Sonntagabend.
       
       Zugleich wies er darauf hin, dass die Diskussion über Visabeschränkungen
       für Inhaber*innen russischer Pässe in Europa immer weitere Kreise
       ziehe. Und in der Tat: Mittlerweile ist die Debatte über Einreise- und
       Aufenthaltsbeschränkungen für Russ*innen in der EU voll entbrannt.
       
       So will Polen jetzt eine Regelung erarbeiten, um Russ*innen Schengen-Visa
       verweigern zu können. Warschau setze sich für die Ausweitung von
       EU-Sanktionen gegen Russland ein. Dazu gehöre auch die Aussetzung des
       [1][Abkommens zur Visaerleichterung] für Bürger*innen der Russischen
       Föderation, zitiert das oppositionelle russische Nachrichtenportal Meduza
       den Staatssekretär des polnischen Außenministeriums, Piotr Wawrzyk.
       
       Laut Wawrzyk stelle Polen bereits seit einigen Monaten keine Touristenvisa
       mehr für Russ*innen aus. Ausgenommen davon seien lediglich Personen wie
       Diplomat*innen, die aus beruflichen Gründen einreisen müssten, Menschen mit
       einem polnischen Ausweis sowie Familienangehörige von Bürger*innen
       Polens und anderer EU-Staaten.
       
       Auch die drei baltischen Staaten Lettland und Estland haben bereits
       [2][entsprechende Maßnahmen ergriffen] oder sind im Begriff, dies zu tun.
       So kündigte Lettlands Präsident Egils Levits an, dass die Behörden auch
       bereits ausgestellte Aufenthaltstitel und Visa überprüfen werden. Bei
       Russ:innen, die den Krieg gegen die Ukraine unterstützen, solle der
       Aufenthaltstitel oder das Visum annulliert beziehungsweise nicht verlängert
       werden.
       
       ## Für Lettland ist Russland ein terroristischer Staat
       
       In der vergangenen Woche verabschiedete das lettische Parlament mit 100
       gegen 67 Stimmen zudem einen Beschluss, mit dem Russland als
       terroristischer Staat eingestuft wird. Die Abgeordneten forderten die EU
       dazu auf, die Vergabe von Touristenvisa an Russ*innen und
       Belaruss*innen einzustellen.
       
       Auch Estland zog die Notbremse und beschloss, seine Grenzen für russische
       Staatsbürger*innen, die ein Schengen-Visum besitzen, zu schließen.
       Ausnahmen sind für dieselben Personengruppen vorgesehen, die auch in Polens
       noch zu erarbeitendem Vorschlag genannt werden. Zur Begründung für diesen
       Schritt hatte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas Anfang vergangener
       Woche gesagt, ein Besuch in Europa sei ein Privileg, aber kein
       Menschenrecht.
       
       Die neuen Regelungen werden bereits angewandt. Das bekam der russische
       Journalist Jaroslaw Warenik am vergangenen Wochenende zu spüren. Laut einem
       Bericht des Nachrichtenportals Meduza wurde Warenik, der ein estnisches
       Touristenvisum hatte, die Einreise verweigert. Angeblich seien die
       Bedingungen und der Zweck seines Aufenthalts unbegründet gewesen. Zudem sei
       eine Hotelbuchung für zwei Nächte in Estland kurzerhand storniert worden.
       
       Warenik lebt in Archangelsk und arbeitet für das Medium 29.ru. Im Rahmen
       von Ermittlungen zu dem Antikorruptionsfonds (FBK) des Kreml-Kritikers
       Alexei Nawalny wurden bei Warenik im Jahr 2019 eine Hausdurchsuchung
       durchgeführt und sein Konto beschlagnahmt. Im gleichen Jahr wurde er zu
       einer Geldstrafe verurteilt, weil er über einen Mann in Archangelsk
       berichtet hatte, der wegen „Extremismus“ verurteilt worden war. In den
       Folgejahren wurde er noch mehrmals zu Verhören in Sachen Nawalny
       vorgeladen.
       
       ## Russische Journalist*innen festgenommen
       
       Ebenfalls am vergangenen Wochenende wurden zwei Journalist*innen der
       russischen Zeitung Iswestija aus dem Zug von Narwa nach Tallinn geholt und
       vorübergehend festgenommen, wie Meduza berichtet. Sie hätten über die
       Beschränkungen der Visavergabe an Russ*innen sowie zu einem sowjetischen
       Denkmal – ein Panzer vom Typ T-34 – recherchiert. Beide
       Medienvertreter*innen waren mit einem estnischen Touristenvisum
       eingereist.
       
       Laut der Agentur Interfax ist die Entscheidung darüber, ob das Denkmal
       abgebaut und in ein Museum gebracht wird, an diesem Montag Gegenstand einer
       Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Narwa.
       
       15 Aug 2022
       
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 (DIR) Barbara Oertel
       
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