# taz.de -- Sky-Serie „Blocco 181“: Mailand sehen und sterben
       
       > Eine neue Sky-Serie zeigt drei junge Menschen, die zwei rivalisierenden
       > Banden angehören. Außerdem spielt sie an einem ungewohnten Ort.
       
 (IMG) Bild: Szene aus der Sky-Serie „Blocco 181“
       
       „Entryways of Milan“ ist der Titel eines schönen Bildbandes aus dem
       Verlagshaus Taschen: Gezeigt werden nur die Eingangshallen der von den
       berühmten Architekten dieser Welthaupstadt des guten Geschmacks – wie Gio
       Ponti und Piero Portaluppi – entworfenen Häuser. Die Domizile in den
       Häusern muss man sich anhand der Pracht ihrer Eingänge ausmalen. Vielleicht
       hilft einem dabei die Erinnerung an das elegante Apartment von Jeanne
       Moreau und Marcello Mastroianni in Michelangelo Antonionis Filmklassiker
       „La notte“, in einem Gebäude gleich neben Gio Pontis Pirelli-Hochhaus. Oder
       an die opulente Portaluppi-Villa in Luca Guadagninos „I Am Love“.
       
       Ein üppig tätowierter Mann zählt von 15 an rückwärts, wobei er den
       Countdown ein bisschen verlängert, indem er die „2“ gleich dreimal zählt.
       Mehrere junge Männer treten auf einen bereits am Boden liegenden jungen
       Mann ein. „Vergiss deinen Namen. Wir werden jetzt deine Familie sein und
       wir werden dir ein neues Gesetz geben“, sagt der, der eben noch gezählt
       hat. Es ist ein Aufnahmeritual: „Neues Blut fließt durch deine Venen. Unser
       Blut! Misa-Blut!“
       
       Bald gleitet die Kamera über und durch die Häuserschluchten, immer wieder
       wird das Personal auf die Dächer der verwahrlosten Waschbeton-Wohnblöcke
       gestellt. Die Sonne brennt, wie sie im Mezzogiorno eben brennt. „Blocco
       181“, so heißt die Serie, muss [1][ein „Gomorrha“-Spin-off] sein und die
       Stadt die sündige süditalienische Camorra-Metropole Neapel.
       
       Eben nicht. Der Bandenkrieg zwischen den Spanisch sprechenden, aus El
       Salvador eingewanderten Mitgliedern der Mara „Misa“ und [2][ihren
       italienischen Mafia-Gegnern] (einen von ihnen spielt der italienische
       Rapper Salmo, der die Serie auch mitproduziert und den Soundtrack besorgt
       hat), die die Herrschaft über den Block für sich beanspruchen, entfaltet
       sich in der Vorstadt von, man staunt nicht schlecht: Mailand.
       
       ## Raus aus der Familie
       
       Ricardo, der Anführer der „Misas“, sitzt im Gefängnis. Seine Schwester Bea
       (Laura Osma) versorgt ihn dort mit Drogen, die sie erst in einem Kondom und
       dann in ihrem Intimbereich verstaut, während ihre Mutter gerade, wie
       offenbar immer, mit der Essenszubereitung beschäftigt ist. Bea hält nicht
       viel von Ricardos Stellvertreter Victor: „Ricardo hätte den Feind studiert
       – und dann seinen Zug gemacht. Stattdessen bringst du uns alle in Gefahr,
       weil du nicht denkst. Du denkst nicht wie ein Anführer.“ Victor hat einen
       der Italiener halbtot schlagen lassen. Und auf eine Vergeltungsaktion folgt
       eine Vergeltungsaktion folgt eine Vergeltungsaktion. Bea will da raus: „Es
       gibt mehr als Essen, Mama! Ich will mehr als das!“
       
       Es dauert mehr als eine halbe Stunde, bis man tatsächlich eines der
       erwartet stilvollen Mailänder Domizile – und bald darauf auch seine
       prächtige Eingangshalle – zu sehen bekommt. Es gehört Ludo (Alessandro
       Piavani), der aus wohlhabender Familie stammt. Der sich aber einen Spaß
       daraus macht, bei den Italienern auf unterster Hierarchie-Ebene
       mitzumischen: Mit seinem Roller fährt er das Kokain – als vermeintlicher
       Pizza-Bote – zu den Kunden.
       
       Sein Kumpel Mahdi (Andrea Dodero), der Neffe eines der Unterbosse, hat
       dafür nur bedingtes Verständnis, steht Ludo aber bei, als es ernst wird:
       weil nämlich einer der „Misas“ – der zu Beginn neu aufgenommene – seinen
       Roller mit dem ganzen Koks für die Nacht gestohlen hat. Bea, die Ludo in
       einem Club kennengelernt hat, hilft ihnen. Sie sind jetzt zu dritt.
       
       ## Mailand besonderer Art
       
       Und was gerade noch auf einen Wiederaufguss von „China Girl“ hinauszulaufen
       schien, Abel Ferraras „Romeo und Julia“-Variante im Bandenkrieg zwischen
       Manhattans Little Italy und Chinatown, auch nur ein Wiederaufguss der
       guten, alten „West Side Story“ … entwickelt sich plötzlich zu einer Ménage
       à trois. Und die Bilder vom Dreier in Ludos Großbürger-Wohnung erinnern
       schon sehr an Bertoluccis „Die Träumer“. Und die Schauwerte, auf die die
       Serie setzt, scheinen nicht länger die ausgesucht hässlichen
       Vorstadt-Bauten zu sein, sondern die ausgesucht schönen Körper ihrer drei
       Protagonisten.
       
       Aber explizit in Szene gesetzten Sex hat man in Serien (wie „Rom“) nun
       wirklich schon oft genug gesehen. So ein Mailand hat man noch nicht
       gesehen.
       
       14 Aug 2022
       
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