# taz.de -- Revision des Mordprozesses Walter Lübcke: Das falsche Bild eines Einzeltäters
       
       > Der BGH hat den Freispruch von Markus H. bestätigt. Es bleiben aber
       > offene Fragen – die nun außerhalb der Gerichte aufgeklärt werden müssen.
       
 (IMG) Bild: Das Mordopfer Walter Lübcke in einem Archivbild von 2012
       
       Die Hoffnung der Familie Lübcke war klar: dass der Bundesgerichtshof den
       Freispruch von Markus H. wegen Beihilfe zum Mord an Walter Lübcke aufhebt
       und einen neuen Prozess anordnet. Lübckes Witwe war dafür eigens nach
       Karlsruhe gereist, hatte vor dem Gericht gesprochen. Ihre Hoffnung wurde
       enttäuscht. [1][Der Bundesgerichtshof bestätigte nun den Freispruch] – und
       wies alle Revisionen im Fall Lübcke zurück. Das Oberlandesgericht Frankfurt
       am Main habe keine Rechtsfehler begangen. „Sehr schmerzhaft“ nannte die
       Familie dies.
       
       Zwar bestätigte der Bundesgerichtshof auch [2][die lebenslange Haftstrafe
       für den rechtsextremen Todesschützen Stephan Ernst]. Dessen Schuld aber war
       unstrittig. Noch bitterer muss die Entscheidung für Ahmed I. ausfallen,
       einen irakischen Geflüchteten, der 2016 in Kassel niedergestochen wurde.
       Eine DNA-Spur, die seiner ähnelt, fand sich auf einem Messer, das bei Ernst
       gefunden wurde. Auch hier aber hatte das Gericht Zweifel, auch hier bleibt
       es beim Freispruch.
       
       All dies gehört zum Rechtsstaat: im Zweifel für den Angeklagten. Und
       Gerichte können auch nicht verhandeln, bis sämtliche Fragen geklärt sind,
       sondern nur die zur Schuld der Angeklagten. Und dennoch bleibt die bittere
       Enttäuschung der Familie Lübcke und Ahmed I.s verständlich.
       
       Denn das Bild, das nun bleibt, ist das eines Einzeltäters. [3][Aber der war
       Stephan Ernst nicht]. Trotz Freispruch ist klar, dass sein einstiger Kumpel
       Markus H. den Hass gegen Lübcke mit anstachelte. Er stellte den
       Videoausschnitt eines Auftritts des CDU-Politikers online, was die Hetze
       gegen diesen lostrat. Er machte mit Ernst Schießtrainings, spähte laut
       Lübckes Sohn ihr Wohnhaus aus. Auch die Bundesanwaltschaft wollte für
       Markus H. fast zehn Jahre Haft.
       
       ## Die Rechtsextremen werden feiern
       
       Nun bleibt er in Freiheit, die rechtsextreme Szene wird das feiern. Und
       tatsächlich bleiben offene Fragen – die nun anderswo aufgeklärt werden
       müssen: indem Markus H. doch noch sein Schweigen bricht. Oder im laufenden
       hessischen Untersuchungsausschuss. Wie genau lief der Mord ab? Wie konnten
       zwei bekannte Neonazis aus dem Blick geraten und ungestört mit Waffen
       trainieren? Gab es nicht doch weitere Eingeweihte? Ernst gab an, er habe
       gedacht, mit seiner Tat im Sinne der Mehrheit zu handeln.
       
       Es ist der Kampf gegen diese Stimmung, der die wichtigste Aufgabe bleibt.
       Und er wird nicht an Gerichten geführt. Über Jahre konnte gegen Walter
       Lübcke ohne Gegenwehr gehetzt werden. Und der Hass trifft viele weitere
       Menschen in diesem Land. Lübckes Angehörige fordern hier mehr Widerspruch,
       ein Lauterwerden der Anständigen. Es ist ein Appell, den wir alle
       verinnerlichen sollten.
       
       25 Aug 2022
       
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