# taz.de -- AKW-Debatte, Waldbrände, Lufthansa: Dampfloks mit moderner Technik
       
       > Überall brennt es. Die deutsche Wirtschaft will Mitleid erregen. Und die
       > Außenministerin? Lässt es vor den Kameras krachen.
       
 (IMG) Bild: Eine neue Linie deutscher Außenpolitik? Annalena Baerbock in Ankara
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Debatte über neue AKWs mit modernerer Technik.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Bei Dampfloks soll sich auch einiges getan haben.
       
       Der ukrainische Präsident Selenski will der EU mit Strom helfen. Ist das
       eher politisches Kalkül oder solidarische Verbrüderung? 
       
       Ja, genau, beides. Der arme Mann teilt sein letztes Bier, da sollten wir
       nicht geizen und uns lieber Sorgen machen, dass der Russe bevorzugt
       ukrainische Kraftwerke zerniert oder einnimmt. Im nächsten Schritt entsteht
       ein letztlich auch militärisches Interesse, die russische Armee davon
       abzuhalten. Noch makaberer: Die Ukraine verfügt nach Norwegen über das
       zweitgrößte Gasvorkommen in Europa, ein exzellentes Speicher- und
       Leitungsnetz. Lagerstätten unter der Krim und im Westen markieren russische
       Vormarschziele. Bisher verdiente die Ukraine mehr am russischen Gas als an
       der Erschließung des eigenen. Wer diese Themen aufruft, ohne zugleich zu
       deeskalieren, eskaliert.
       
       Seit Tagen [1][brennt es in Sachsen und Brandenburg], allein in der
       Sächsische Schweiz stehen etwa 250 Hektar Wald in Flammen. Haben Sie schon
       mal eine aufgerauchte Kippe in den Wald geschnipst? 
       
       Nö, ich stell ein Schild auf, „Bambi unplugged“, und nehme Eintritt. An
       Extremwetterlagen – gestern Flut, morgen Dürre, zu warm, zu kalt, zu alles
       – wird sich irgendwie auch noch Geld verdienen lassen. Grundsätzlich
       empfiehlt sich, Bäume erst klein zu schneiden, bevor man sie anzündet, was
       natürlich übles CO2 produziert, allerdings ein wuchtiger Schlag gegen
       Russlands Gas ist, was derzeit heillose Verwirrung stiftet. „Brennholz,
       Öfen, Kohle – ausverkauft“, meldet agrarheute. Vermutlich kriegen wir die
       Edelstahltanne – formschön, feierfest und zu Weihnachten farbig lackiert –
       schneller hin als den Verzicht auf Lungenatmung. Das spräche für
       Klimarettung, brennendes Thema.
       
       [2][Außenministerin Annalena Baerbock] hat angekündigt, gegenüber ihrem
       türkischen Amtskollegen Çavuşoğlu in Istanbul „kein Blatt vor den Mund zu
       nehmen“, wenn es um rechtswidrige militärische Offensiven der Türkei geht.
       Kann Baerbock Merkel das Wasser reichen und autoritären Machthabern die
       Stirn bieten? 
       
       Merkels selbst gestellte Frage, ob sie nun nur noch „Wohlfühltermine“
       mache, beantwortet Baerbock schroff: „Verantwortungsvolle Diplomatie
       bedeutet nicht, nur Plattitüden auszutauschen.“ New kids on the block. Wenn
       sie nun Habeck noch missioniert, den Emir von Katar nicht mehr mit „Your
       Highness, what an honour“ zu tunneln, entsteht tatsächlich eine neue Linie
       deutscher Außenpolitik. Merkel war auf Pressekonferenzen konziliant und
       unter vier Augen deutlich; Baerbock lässt es vor den Kameras krachen, und
       wir sind alle gespannt, ob es danach noch zu Vieraugenkontakten kommt.
       
       [3][Die Beschäftigten der Lufthansa fordern mehr Lohn.] Nachdem das
       Bodenpersonal streikte, hat nun auch die Pilotengewerkschaft über einen
       Streik abgestimmt. Ist es verhältnismäßig im Sommer die Arbeit
       niederzulegen? 
       
       Ist es verhältnismäßig, mitten in der Coronapandemie 30.000 Mitarbeitende
       zu entlassen? Dazu trugen auch Staatshilfen und Kredite von 9 Milliarden
       Euro bei, die – offenbar läuft der Laden wieder – schon zurückgezahlt
       wurden. Wer so schnell auf die Beine kommt, kann schwer ein Argument draus
       drehen, wie dreckig es ihm ginge. Für Verdi-Organisierte gilt die
       Borddurchsage: Bitte helfen Sie sich selbst, bevor Sie sich um Ihren
       Nachbarn kümmern.
       
       Deutschland steht laut ifo-Index an der Schwelle zur Rezession. Muss sich
       die deutsche Wirtschaft längerfristig vom Wachstum verabschieden? 
       
       Ja, allein schon, um im Energiepoker sehr viel Mitleid zu erregen und die
       Regierung unter Druck zu setzen. Der „Geschäftsklima-Index“ ist eine
       Meinungsumfrage, und wer da „Uns geht’s dufte und den Rest wollen wir mal
       abwarten“ ankreuzte, verdirbt die Preise. Fakt ist die hohe Nachfrage nach
       Arbeitskräften und eine Prognose des Sachverständigenrats von 3,2 Prozent
       Wachstum im Jahr 2023.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Außerbezirkliche Empfehlung: Wie die Nationalfrauschaft Interviews gibt,
       Fouls wegatmet, bündig torjubelt, macht Medienschaffenden ein schlechtes
       Gewissen. Allein für phrasenarme schlaue Statements und die ehrliche Freude
       an der medialen Wahrnehmung lohnt es sich, nach Abpfiff weiterzuschauen.
       Und zu ahnen: Je erfolgreicher die werden, desto böser wird das
       abgeschliffen.
       
       Fragen: Sean-Elias Ansa und Clara Engelin
       
       31 Jul 2022
       
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