# taz.de -- ARD-Mediathek „Die Toten von Marnow“: Die Natur als Hauptdarstellerin
       
       > Der Mehrteiler nimmt sich Zeit und Raum für seine Figuren – ohne zu
       > nerven. Eine weitere Qualität ist das sommerliche Sirren als Leitmotiv.
       
 (IMG) Bild: Einem Skandal auf der Spur: Lona Mendt (Petra Schmidt-Schaller) und Frank Elling (Sascha Geršak)
       
       Das lief doch erst vor einem Jahr, sagten sie. [1][Das hatten wir doch zum
       Sendetermin gleich zweimal im Blatt], sagten sie. Zwei Argumente, die hier
       nicht ziehen. Zum einen ist es einer jener raren TV-Krimis, die sich sofort
       zum zweiten Mal lohnen. Zum anderen sind wir eh in der Jahreszeit der
       Wiederholungen gelandet – und damit: Willkommen im Sommer. Zum Auftakt
       perfekt: [2][der Achtteiler „Die Toten von Marnow“] in der ARD-Mediathek.
       
       Marnow gibt’s nicht wirklich, aber der Ort taugt als Kondensat eines
       Landstrichs hervorragend. Wälder und Seen, Seen und Wälder, Räucheraal und
       platt gefahrene Füchse: Seenplatte, Mecklenburg. Ohne Frage, die Natur ist
       Hauptdarstellerin. Sogar die Campingplätze sind hier eher grün als
       zugeparkt mit weißen Plastikhäusern auf Rädern.
       
       Es gehört zu den Qualitäten dieser hervorragenden Miniserie von Andreas
       Herzog (Regie) und Holger Karsten Schmidt (Buch), dass das sommerliche
       Sirren hier wie ein Leitmotiv funktioniert. Das Smmmsssen der
       Verwesungsfliegen geht über in das Szzzzlen von Grillwurst in das Rrrrrsen
       eines Motorboots in das Smsssn von Fliegen. Und genau so rutscht all das in
       eins, was das Schweriner Ermittlungsteam Lona Mendt (Petra
       Schmidt-Schaller), Frank Elling (Sascha Geršak), Assistent Sören Jasper
       (Anton Rubtsov) zu sortieren versucht: die zwei, drei Morde, den
       alljährlichen Zeltplatzurlaub eines Opfers, die Stasi-Vergangenheiten, die
       Agenda des Pharmakonzerns, das Interesse des Villenbesitzers, das Wissen
       des Dorfpfarrers. Schichten an deutsch-deutscher Geschichte – gönnen wir
       uns noch eine Naturmetapher – ineinander rutschend wie im Ökosystem unter
       der Wasseroberfläche eines Sees.
       
       Wir sind nah dran an allem, weil Mendt in einem Wohnwagen direkt am Seeufer
       wohnt. Es zeigt, wie in einem solchen Mehrteiler Zeit bleibt, Figuren Raum
       zu lassen, ohne zu nerven. Mit angedeuteten Familiendramen, Geldproblemen,
       Alltag. Ohne zack! inszenierte Marotten. Wie gut, dass das Ensemble so
       prächtig ist, um genau das einzulösen: Neben Schmidt-Schaller und Geršak
       etwa Minh-Khai Phan-Thi als grinsende Erpresserin, Jörg Schüttauf mit blau
       getönter Brille und LKA-Ausweis, Judith Engel als joviale
       Campingplatzchefin, Rudolf Krause als verdächtiger Pastor.
       
       „Der Rechtsstaat hat nicht zu siegen, er hat auch nicht zu verlieren, er
       hat zu existieren“, zitiert der Assistent einmal Helmut Schmidt. In Marnow
       ist das viel verlangt. Potenzial genug eigentlich für eine zweite
       entspannte Staffel.
       
       10 Jul 2022
       
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