# taz.de -- Gutachten der Sachverständigenkommission: Daten fehlen, Maske wirkt
       
       > Die Corona-Sachverständigenkommission hat die bisherigen
       > Pandemiemaßnahmen evaluiert. Kritik üben die Expert*innen an
       > mangelhafter Datenerhebung.
       
 (IMG) Bild: Wird so wieder der Herbst und Winter aussehen?
       
       Berlin taz | Auf diesen Bericht hat vor allem Bundesjustizminister Marco
       Buschmann (FDP) gewartet. Immer wieder betonte er, dass er zunächst die
       Evaluation [1][der Sachverständigenkommission] zur bisherigen
       Pandemiebekämpfung abwarten wolle. Erst danach werde er gemeinsam mit
       [2][Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)] die Eckpunkte für die
       Reform des Infektionsschutzgesetzes festlegen, dessen aktuelle Fassung am
       23. September ausläuft.
       
       Am Freitag war es dann soweit. Bei der Vorstellung des 160-seitigen
       Berichts senkte der Sachverständigenrat, der zur Hälfte von der
       Bundesregierung, zur anderen Hälfte vom Bundestag mit Expert*innen
       besetzt wurde, erst einmal die Erwartungen: Die einzelnen Coronamaßnahmen
       seien kaum zu beurteilen. Es fehlten Zeit und Personal, aber vor allem
       eins: Daten. Mit denen, die vorhanden sind, sei es schwer, wirkliche
       Aussagen zur Effektivität der erfolgten Pandemiemaßnahmen zu treffen, sagte
       die Virologin und stellvertretende Vorsitzende der Kommission, Helga
       Rübsamen-Schaeff.
       
       Diesen Punkt unterstreichen die Expert*innen in dem Bericht an nahezu
       jeder Stelle und stellen damit eine wichtige Forderungen an die Politik: Es
       braucht Geld für weiterführende Studien, etwa zur Effektivität von
       FFP2-Masken oder zur Kontaktnachverfolgung. „Für ein gutes
       Pandemie-Management ist es wichtig, solch umfassende Maßnahmen von Beginn
       an wissenschaftlich begleiten zu lassen“, heißt es. Das wurde jedoch
       versäumt. Die Kommission sah sich mit der Herausforderung konfrontiert, ein
       „gleichzeitig einsetzendes Maßnahmenbündel“ zu bewerten. Es lägen zwar über
       200 Studien vor, es mangele ihnen aber an Systematik.
       
       Viele Fragen blieben daher im Bericht unbeantwortet. Sicher bestätigten
       könne die Kommission aber eines: „Masken wirken“, obgleich auch nur, wenn
       sie richtig getragen würden. Dazu gebe es genügend wissenschaftliche
       Evidenzen. Das stellte der Direktor des Instituts für Virologie am
       Universitätsklinikum Bonn, Hendrik Streeck, klar.
       
       ## Risikokommunikation ist entscheidend
       
       Was den Expert*innen auch wichtig ist: gute Risikokommunikation. Eine
       Top-Down-Kommunikation, wie sie die Regierung in der Pandemie teilweise
       wählte, sei nicht zielführend. Die Soziologin Jutta Allmendinger betonte,
       dass das „Vertrauen in die Politik und das Vertrauen in die Wissenschaft“
       gestärkt werden müssten. Das erreiche man auch, indem man Unsicherheiten
       kommuniziere, wie sie in einer Pandemie nun mal vorkämen. Vorteile, aber
       auch Risiken von Maßnahmen müsse man transparent machen und auch gezielt
       Menschengruppen ansprechen, die häufig in der Gesellschaft vergessen
       werden.
       
       Die Stellungnahme zur Risikokommunikation war eigentlich kein Bestandteil
       des Arbeitsbereiches der Kommission. Diesen Punkt zu stärken, war den
       Expert*innen jedoch wichtig. Er hänge zentral mit dem Gelingen der
       anderen Maßnahmen zusammen.
       
       Die Expert*innen gehen in dem Bericht auf viele der verhängten Maßnahmen
       in Deutschland ein: Lockdowns, Öffnungen nach 2G- und 3G-Regelung,
       Kontaktnachverfolgung, Quarantäne, Isolation, Tests und Schulschließungen.
       „Wir legen keine Tabelle vor, was richtig oder falsch, was gut oder
       schlecht war. Wir versuchen in der Evaluation den Graubereich
       auszuleuchten“, sagte Streeck. Lockdowns seien etwa zu Beginn einer
       Pandemie sinnvoll, später wiegten die negativen, nicht beabsichtigten
       Folgen schwerer.
       
       Auch zu Schulschließungen wollen die Expert*innen keine generelle
       Aussage treffen. Die Wirksamkeit der Maßnahme sei offen, es bräuchte aber
       dringend Untersuchungen zu negativen Folgen für die Kinder.
       
       Keine Stellungnahme gibt es von der Kommission zur Kosten-Nutzen-Analyse
       der Maßnahmen sowie zu Impfungen als Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid.
       Besonders das Thema Impfen sorgte und sorgt in der Gesellschaft für
       emotionale Diskussionen.
       
       Die Kommission begründet die Nichtbehandlung mit der „Komplexität“ des
       Themas, denn es müssten „nicht nur die Anzahl der Impfungen, die
       Altersgruppen und mögliche Gegenanzeigen bzw. Vorerkrankungen betrachtet
       werden, sondern auch die verschiedenen Impfstoffe sowie die möglichen
       Kombinationen der verschiedenen Impfstoffe in jeglicher möglichen Variation
       miteinander verglichen werden“. In diesem Punkt verweist das Papier auf die
       Expertise der Ständige Impfkommission (StiKo) und auf das
       Robert-Koch-Institut (RKI).
       
       Kritik äußerte die Kommission auch an der Gesetzgebung des Bundes. Die
       Regelungen im Infektionsschutzgesetz sollten so gefasst werden, dass sie
       für alle Krankheiten gelten, sagte die Juristin Andrea Kießling. „Wir
       empfehlen, dass man den Rechtsrahmen nicht so häufig ändert, wie das in den
       letzten beiden Jahren passiert ist.“
       
       Bundesgesundheitsminister Lauterbach will noch vor Beginn der
       parlamentarischen Sommerpause am 8. Juli Eckpunkte für das neue
       Infektionsschutzgesetz vorlegen. Der Bericht der Sachverständigenkommission
       solle dafür eine Grundlage bilden. Lauterbach kam am Freitag auch mit den
       Gesundheitsminister*innen der Länder zusammen. [3][Sie hatten
       angekündigt, sich nach der Vorlage des Berichtes] zu konkreten Maßnahmen
       zur Pandemiebewältigung im Herbst und Winter zu äußern.
       
       Lauterbach betonte, dass der endemische Zustand noch nicht erreicht sei und
       es in Deutschland derzeit eine „richtige Sommerwelle“ gebe. Das
       Robert-Koch-Institut meldet weiterhin steigende Infektionszahlen sowie
       einen Anstieg der Patient*innen mit Corona auf Intensivstationen.
       
       1 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/s/sachverstaendigenausschuss-infektionsschutzgesetz.html
 (DIR) [2] /Debatte-um-kostenlose-Schnelltests/!5859707
 (DIR) [3] /Gesundheitsministerkonferenz-zu-Corona/!5863008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Linda Gerner
       
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