# taz.de -- Russische Kriegspropaganda: Indoktrination im Museum
       
       > Im Moskauer Siegespark wird der blühende ukrainische Faschismus
       > ausgestellt. Halbwahrheiten und Lügen formen das Narrativ, Russland würde
       > bedroht.
       
 (IMG) Bild: Zwei kleine russische Pioniere auf einer Ausstellungseröffnung im Moskauer Siegespark im Mai 2022
       
       Moskau taz | Draußen im Wind weht die russische Trikolore. Zwei Jugendliche
       bleiben mit ihren Fahrrädern am Ewigen Feuer stehen. Der [1][Siegespark im
       Westen Moskaus] ist eine monumentale Angelegenheit. Der damalige russische
       Präsident Boris Jelzin hat die riesige Anlage in den 1990er Jahren
       eröffnet. Sie soll den Sieg der Sowjetunion über Nazideutschland im Zweiten
       Weltkrieg symbolisieren, im Vaterländischen Krieg, wie die Russen sagen.
       
       Der heutige russische Präsident Wladimir Putin hat diesen Sieg zur
       Grundlage russischer „Einzigartigkeit“ erhoben und rechtfertigt durch ihn
       auch seine „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine. Den Krieg, der
       in Russland nicht Krieg genannt werden darf.
       
       Seit März prangt hier im russischen Wort für „Museum“ ein Z: Das Zeichen,
       das wie eine Art neues Swastika, Unterstützung für den russischen Überfall
       im Nachbarland symbolisiert. In dem gigantischen Bau hat in einem Raum eine
       neue Ausstellung eröffnet. Hier soll gezeigt werden, wie sehr die Ukraine
       mit dem nazistischen Deutschland verwoben wäre.
       
       Mehr als 200 Exponate sollen nach den Worten von Museumsleiter Alexander
       Schkolnik, der auf britischen Sanktionslisten steht, „von den Gräueltaten
       ukrainischer Nationalisten während des Zweiten Weltkrieges“ erzählen – und
       von „dem Terror moderner Neonazis gegen die Einwohner der Ukraine in den
       vergangenen acht Jahren“. Eine Propaganda-Ecke mehr in Moskau.
       
       ## „Gewöhnlicher Nazismus“
       
       Wer die Ausstellung mit dem Namen „Gewöhnlicher Nazismus“ kuratiert hat und
       woher die Exponate stammen, teilt das Museum nicht mit. An einem Wochentag
       ist nicht viel los zwischen den grauen Stellwänden, durch die sich mehrere
       rote Z wie eine Linie ziehen. Zwei Männer laufen leise nebeneinander her,
       eine Frau bleibt mit ihrer Teenager-Tochter an den Soldatenmänteln der
       ukrainischen Armee stehen und sagt: „Das sehen wir doch eh jeden Tag im
       Fernsehen, komm, es gibt hier nichts Neues.“. Ein Junge hat sich aus seiner
       Exkursionsgruppe zum Thema „Sowjetische Feldherren“ gelöst, schaut kurz
       hinein und wird sogleich zurückgehalten: „Ab 18“, herrscht ihn ein
       Museumsmitarbeiter an.
       
       Der Raum ist zweigeteilt: Rechts Bildmaterial über die Gräuel der
       Bataillone „Nachtigall“ und „Roland“ der Organisation Ukrainischer
       Nationalisten (OUN), die auf Seiten der SS Dörfer in der damals
       sowjetischen Ukraine niederbrannten und massenhaft Menschen ermordeten. Es
       sind historisch belegte Fakten. Die Exponate sind gekennzeichnet, welches
       Jahr, wessen Sammlung.
       
       Links die Geschichte der Ukraine ab 2014, [2][wie Russland sie sieht]: als
       Staatsstreich, nach dem „Nazis an die Macht kamen und eine aktive
       russophobe Politik begannen“. So steht es an der Stellwand, überschrieben
       mit „Die Rückkehr des Bösen“, gleich neben „Gedächtnisverlust“: „In der
       Ukraine wurden die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges revidiert, der Kult
       der OUN wurde wiederbelebt.“
       
       Ein Kinderbuch liegt aufgeklappt in der Vitrine: „Wir sind Ukrainer“, steht
       da in krakeliger Kinderschrift auf Ukrainisch. Militärmützen der
       Ukrainischen Nationalgarde liegen daneben, samt Keksen der ukrainischen
       Armee und einem grünen Päckchen, auf dem „Nato-Patronen“ steht. In der
       Mitte findet sich eine alte Schaukel, rostig, die hölzernen Beine
       angebrannt, neue Stofftiere liegen verstreut drum herum, bunte Würfel, ein
       Kinder-Lackschuh. Darüber schweben weiße Plastikengel: Daria, 3 Jahre,
       Artjom, 7 Jahre, Sergei, 6 Jahre, steht darauf. Sie sollen wohl an die
       getöteten Kinder im Donbass erinnern – erklärt wird es aber nicht.
       
       In der Ecke laufen Bilder über einen Bildschirm: Eine ältere Frau hält ein
       Foto eines Jungen in die Kamera, man sieht einen Friedhof, Menschen werfen
       Erde in ein Grab, Militärfahrzeuge mit einem weißen Z rollen über eine
       Grenzanlage. „Ukraine“ steht auf dem Verkehrsschild. Wie die Installation
       heißt, was sie zeigt, wann und wo die Bilder entstanden sind, bleibt im
       Dunkeln. Sie sind wie die Ausstellung an sich: Bilder, Bücher, Aufnahmen,
       Texte sind hier wahllos zusammengeworfen, in Zusammenhang gestellt sind sie
       nicht.
       
       ## Fakten, Lügen und Halbwahrheiten mischen sich
       
       Damit funktioniert die Ausstellung wie jede Nachrichtensendung im
       russischen Staatsfernsehen: Fakten finden sich neben Halbwahrheiten, neben
       Lügen und ergeben ein bestimmtes Narrativ von der Bedrohung Russlands durch
       äußere Mächte. Überschrieben mit Putins „erzwungener Maßnahme zur
       Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine“.
       
       Mit einem solchen Ziel hat der russische Präsident seinen Marschbefehl zur
       in Invasion der Ukraine bezeichnet und dem Land das Existenzrecht
       abgesprochen. Im Museum will niemand über die Ukraine sprechen. „Steht ja
       schon alles da, und bald gibt es hier noch mehr Exponate“, sagt der
       Museumsmitarbeiter, der einige Kisten anschleppen lässt.
       
       Im Souvenirshop voller Spielzeugpanzer, Z-Freundschaftsbänder samt
       Ich-bin-stolz-Sprüchen und Stalin-Porträts debattiert eine Familie über
       Mitbringsel. „Ich will eine Pistole“, sagt der Junge. „Nimm doch besser das
       Gewehr, das ist größer“, meint der Großvater. „Ich will die Pistole, sie
       ist bunter, und das Messer“, erwidert der Enkel. „Messer ist gut, da ist
       der Kampf unmittelbarer.“ Die Verkäuferin schließt den Glasschrank auf.
       „Kannst du denn überhaupt schießen, Junge? Soll ich’s dir zeigen? Solche
       Spiele machen viel Spaß“, sagt sie. Keine 1.000 Kilometer von ihr weg ist
       Krieg.
       
       21 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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