# taz.de -- Olaf Scholz und die Klimabewegung: Der ganz normale Wahnsinn
       
       > Olaf Scholz hat das Problem der Klimakrise nicht verstanden. Dabei wäre
       > es der Job des Kanzlers, jetzt einen grundlegenden Wandel zu
       > organisieren.
       
 (IMG) Bild: Alles ist normal, alles kann so bleiben, wie es immer war, Bundeskanzler Olaf Scholz
       
       Da wollte SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz Klimaaktivist:innen eine
       Lektion zu ihrem Tonfall erteilen – und vergriff sich fatal im Ton: „Ich
       sage mal ganz ehrlich: Diese schwarzgekleideten Inszenierungen bei
       verschiedenen Veranstaltungen von immer den gleichen Leuten erinnern mich
       an eine Zeit, die lange zurückliegt – und Gott sei Dank“, kommentierte er
       einen kritischen Zwischenruf auf dem [1][Katholikentag] vor einer Woche.
       Das klang verdächtig nach einem Vergleich der zwischenrufenden und schwarz
       gekleideten Klimaaktivist:innen mit Nazis. Dass dieser Eindruck
       trüge, ist Scholz und seinen Sprecher:innen seither nicht über die
       Lippen gegangen, obwohl es natürlich die ganze Woche über Nachfragen dazu
       gab.
       
       Die Tonfallkritik hat einen schlechten Ruf. Olaf Scholz hat mit seiner
       Aussage selbst demonstriert, warum das oft berechtigt ist: Wer den Tonfall
       angreift, drückt sich um die inhaltliche Auseinandersetzung. Warum sich als
       Bundeskanzler und ehemaliger Finanzminister gegen den Vorwurf
       klimapolitischer Verfehlungen wehren, wenn man sich auch über Kleidung,
       Haltung und Zwischenrufe von Aktivist:innen beklagen kann? Er lieferte
       aber gleichzeitig die Ausnahme von der Regel: Wenn der Bundeskanzler die
       Schoah verharmlost und Klimaaktivist:innen abspricht, ein legitimer
       Teil der politischen Öffentlichkeit zu sein, ist das ein guter Grund für
       Empörung. Das darf nicht passieren – und lässt auch inhaltlich tief
       blicken.
       
       Es signalisiert schließlich: Alles ist normal. Wir können Politik machen,
       wie wir es immer gemacht haben, wir können miteinander reden, wie wir immer
       geredet haben, alles kann so bleiben, wie es immer war. Zumindest ungefähr.
       Das zeugt davon, dass Olaf Scholz das Problem der [2][Klimakrise] nicht
       verstanden hat: In etwas über sieben Jahren wird die Welt nach aktuellen
       Trends die Menge CO2 ausgestoßen haben, bei der Schluss sein müsste, damit
       sich die Erde wahrscheinlich nicht um mehr als 1,5 Grad aufheizt.
       Deutschland hat daran einen im Verhältnis zur Bevölkerungsanzahl
       überproportionalen Anteil. Damit das nicht passiert, muss sich alles
       ändern: die Energieversorgung, das Verkehrswesen, die Ernährung, die
       Industrie.
       
       Es ist Olaf Scholz’ Job, das zu organisieren. Die klassische
       Kompromisspolitik, bei der jeder Interessengruppe irgendein Häppchen
       hingeworfen wird, funktioniert hier nicht. Die Welt wird sich in der
       Klimakrise übrigens auch radikal ändern, wenn es keine oder zu wenig
       Klimapolitik gibt – dann aber eben getrieben von den Folgen der
       [3][Erderhitzung]. Sich an die gewohnte Etikette halten zu wollen, ist
       vielleicht emotional nachvollziehbar, erfüllt aber nicht den Anspruch an
       einen Regierungschef.
       
       4 Jun 2022
       
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