# taz.de -- Protest in Abschiebehaft: Geflüchteter tritt in Hungerstreik
       
       > Seit Dienstag verweigert ein Iraner in Glückstadt die Nahrungsaufnahme.
       > Am Sonnabend protestiert eine Demo gegen seine Haft.​
       
 (IMG) Bild: Viele sitzen zu Unrecht hier: Abschiebehaftanstalt in Glückstadt​
       
       Glückstadt taz | Hossein N.s Stimme klingt schwach. Es gehe ihm nicht gut,
       sagt der 52-Jährige, der zurzeit [1][in der Abschiebehaft in Glückstadt]
       untergebracht ist. Seit Dienstag befindet er sich im Hungerstreik gegen
       seine bevorstehende Abschiebung. Der gebürtige Iraner mit kurdischen
       Wurzeln lebt seit neun Jahren in Deutschland und ist gut integriert, Gründe
       für eine Abschiebung bestehen nach Ansicht seines
       Unterstützer*innenkreises nicht. Aus Solidarität mit Hossein N. und
       gegen die Praxis der Abschiebehaft findet am Sonnabend eine Demonstration
       statt.
       
       Die Haftanstalt liegt hinter sechs Meter hohen Zäunen und viel Stacheldraht
       in ehemaligen Kasernengebäuden. Im Sommer 2021 wurde sie eröffnet – ein
       Beschluss der Jamaika-Regierung, der die Entscheidung der
       Vorgängerregierung aufhob: Die hatte eine Abschiebehaft geschlossen,
       Häftlinge aus Schleswig-Holstein wurden in andere Länder gebracht. An der
       Einrichtung in Glückstadt mit 60 Plätzen sind Mecklenburg-Vorpommern und
       Hamburg beteiligt. In Glückstadt hat sich ein Unterstützungskreis mit einer
       Besuchsgruppe gebildet, die sich auch um Hossein N. kümmert.
       
       „Wir machen das für die Betroffenen, aber auch aus politischen Gründen“,
       sagt Miriam, die N. als „Person des Vertrauens“ rechtlich vertritt. „Denn
       viele Verfahren sind rechtswidrig.“ Mit Anträgen können die ehrenamtlich
       tätigen juristischen Laien gegen finanzielle Folgen der Abschiebehaft
       vorgehen. Denn die Haftkosten werden den Einsitzenden aufgebürdet – für die
       meisten bedeutet das, Schulden anzuhäufen, die eine Wiedereinreise deutlich
       erschweren.
       
       Im Fall von Hossein N. steht im Moment die Sorge um die Gesundheit im
       Vordergrund. „Der Untergebrachte ist unter engmaschiger ärztlicher
       Kontrolle, er wird auch psychologisch sowie seelsorgerisch betreut“, teilt
       das Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge mit, unter dessen Aufsicht
       die Abschiebehaft steht. Aktuell ist geplant, den gebürtigen Iraner am 27.
       Mai nach Griechenland abzuschieben, wo N. erstmals einen Asylantrag
       gestellt hatte.
       
       ## Nach Protest gab es Repression
       
       Doch nach schlechten Erfahrungen dort will N. nicht mehr zurück: „Entweder
       ich sterbe hier oder bei der Abschiebung.“ Seine Familie engagiere sich
       1979 gegen das islamische Chomeini-Regime. N. berichtet am Telefon von
       Schlägen und Repressionen durch den Geheimdienst. 1999 floh er in die
       Türkei, dann nach Griechenland, wo er von der Grenzpolizei festgenommen
       wurde. Einen Asylantrag habe er anfangs nicht stellen dürfen, stattdessen
       sei er monatelang eingesperrt gewesen. „Ich habe Unbeschreibliches erlebt“,
       sagt er. Schließlich sei er – krank an Körper und Psyche – von der Polizei
       nach Athen gebracht worden.
       
       Mit anderen Geflüchteten habe er eine Demonstration organisiert, um auf
       ihre Bedingungen hinzuweisen. Erneut gab es Repression, Hossein N. floh
       weiter in die Schweiz und schließlich nach Deutschland. „Am Anfang war
       alles positiv.“ Er lernte Deutsch, war ehrenamtlich als Dolmetscher für
       Kirchengemeinden tätig, begleitete andere Geflüchtete zu Behörden oder ins
       Krankenhaus.
       
       Nur ein Problem gab es: Er erhielt nur befristete Duldungen. „Ich will in
       Deutschland leben wie ein normaler Mensch, arbeiten und Steuern zahlen“,
       sagt N. Mehrfach hatte er Arbeitsverträge in Aussicht, immer blockierte die
       Ausländerbehörde. Die Behörde verlangte, dass er einen iranischen Pass
       vorlegte: „Unmöglich für mich als politisch Verfolgten“, sagt N. Aus Angst
       um die eigene Sicherheit und die Familienmitglieder, die noch im Iran
       seien, könne er sich nicht bei der Botschaft melden. „Meine Familie wurde
       von dem Regime vernichtet, ich werde die nicht um einen Pass bitten“, sagt
       er.
       
       Doch die Kieler Behörde bestand weiter auf dem Dokument, obwohl N.
       ersatzweise andere Papiere vorlegte. Am Morgen des 11. Mai wollte N. sich
       auf den Weg zur Behörde machen, um die Duldung verlängern zu lassen, da
       stand auf einmal die Polizei vor seiner Tür, um ihn abzuschieben. N. habe
       sich der Abschiebung widersetzt und sei seiner „Pflicht zur Passbeschaffung
       nicht nachgekommen“, teilt die Ausländerbehörde mit. „Der Asylantrag wurde
       abgelehnt, der Rechtsweg ausgeschöpft.“
       
       Die Unterstützer*innen hoffen nun auf öffentliche Unterstützung. Die
       Demo beginnt am Sonnabend um 13 Uhr am Glückstädter Hafen. Zuvor findet ab
       11.30 Uhr eine Zubringer-Fahrraddemo ab Elmshorn statt. „In der
       Abschiebehaft werden Menschen inhaftiert, die keinerlei Straftat begangen
       haben, das ist nicht nur ein unmenschlicher Ausdruck von institutionellem
       Rassismus, sondern in vielen Fällen schlicht unrechtmäßig“, sagt Ela Hazem,
       Sprecherin der Kampagne gegen das Abschiebegefängnis in Glückstadt.
       
       20 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neue-Abschiebehaftanstalt-der-Nordlaender/!5790701
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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