# taz.de -- Ukraine gewinnt den ESC: Sieg mit Laienstimmen
       
       > Das Kalush Orchestra gewinnt den 66. Eurovision Song Contest – vor allem
       > dank des Televotings. Deutschlands Malik Harris wird Allerletzter.
       
 (IMG) Bild: Viel Konfetti, viele Punkte: Das Kalush Orchestra feiert den Gewinn des Eurovision Song Contest
       
       In den europäischen Wettbüros galt ihr Sieg als gewiss, am Ende traf
       [1][diese Prognose] auch zu: Das Kalush Orchestra aus der Ukraine gewann in
       der Nacht zum Sonntag in Turin den 66. Eurovision Song Contest überlegen
       vor Großbritanniens Sam Riley, der Spanerin Chanel und der Schwedin
       Cornelia Jakobs.
       
       Der ukrainische Act [2][performte den Titel „Stefania“] zu großem Jubel in
       der Olympiahalle der norditalienischen Stadt. Sänger Oleh Psyuk rief am
       Ende ihrer dreiminütigen Vorstellung: „Ich bitte Euch alle“, sagte der
       Sänger nach der Darbietung auf der Bühne, „bitte helft der Ukraine,
       Mariupol und den Menschen im Asow-Stahlwerk – jetzt!“ Beifall in der Halle!
       
       Unter allen ‚normalen‘ Eurovisionsumständen hätten dieses Statement
       mindestens zu einer öffentlichen Rüge gereicht – allen 25
       Finalkünstler*innen war zuvor strikt untersagt worden, auch nur die
       kleinste politische Bekundung auszubringen, auf einen Tadel gegen die
       Ukrainer wurde verzichtet.
       
       Bei der Punktewertung sah es zunächst nicht besonders triumphal für die
       Künstler aus dem [3][von Russland militärisch überfallenen Land] aus: Die
       Juries aus den 39 anderen Ländern – bestehend aus Profis, Künstler*innen,
       Musikmanager*innen und -Produzent*innen – sahen den
       HipHop-Elektro-Folk-Song durchschnittlich nur auf dem vierten Platz.
       
       Aber beim Televoting, der Volxabstimmung der Laien in allen beteiligten
       ESC-Ländern, holte das Kalush Orchestra 439 von 468 möglichen Punkten –
       eine Erdruschwertung, die die Band noch auf den erhofften und geweissagten
       ersten Platz hievte.
       
       ## Sogar aus Serbien gibt es 7 Punkte
       
       „Stefania“ war das einzige Lied, das aus allen Länder Zustimmung per
       Televoting erhielt, fast alle gaben ihre 12 Punkte an die Ukraine, der
       niedrigste Wert kam aus Serbien mit sieben Zählern – immerhin so viele aus
       diesem Land, dessen politische Elite eher zu Wladimir Putin als zur Ukraine
       hält. Die Profi-Jury in Belgrad gab Oleh Psyuk & Co. keinen einzigen Punkt.
       
       Angesprochen auf das nächste Jahr, zu dem sich der ukrainische
       Fernsehsender NTU vertraglich verpflichtet hat, Gastgeber des ESC zu sein,
       hieß es in Turin, man werde das Festival ausrichten, wie schon zweimal
       zuvor (2005 und 2017).
       
       Der deutsche Malik Harris, eher mit einer lichtschluckenden Geschichte
       („Rockstars“) beim ESC am Start, wurde Letzter. Die sechs Punkte, zuerkannt
       von den Televotern mit je zwei Punkten aus der Schweiz, Österreich und
       Estland, nährten das seit vielen Jahren ersichtliche Indiz, dass
       Deutschland Pop international einfach nicht kann – und der NDR dies weder
       zu sehen bereit noch durch mutige Vorentscheidungsverfahren zu ändern fähig
       ist. Malik Harris, der begabte junge Künstler aus Bayern, sagte hernach
       nur, er sei ohnehin für die Ukraine gewesen.
       
       15 May 2022
       
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