# taz.de -- Türkei gegen Schweden und Finnland: Erdoğans Nein zu Nato-Beitritten
       
       > Präsident Erdoğan sieht den Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato
       > „nicht positiv“. Ihn stört die Nähe Schwedens zur kurdischen PKK.
       
 (IMG) Bild: Erdoğan spricht nach dem Freitagsgebet über die geplanten Nato-Beitritte Finnlands und Schwedens
       
       Istanbul taz | „Wir beobachten die Situation sorgfältig. Doch wir sehen
       einen möglichen [1][Nato-Beitritt der skandinavischen Länder Schweden und
       Finnland] nicht positiv.“ Dieses Statement des türkischen Präsidenten Recep
       Tayyip Erdoğan nach dem Freitagsgebet sendete am Freitagnachmittag leichte
       Schockwellen durch die Nato-Community in Brüssel.
       
       Denn ein Beitritt der beiden skandinavischen Länder müsste von allen
       Nato-Mitgliedern ratifiziert werden. Theoretisch hätte die Türkei also die
       Möglichkeit, den Beitritt der beiden nordischen Länder, der von allen
       anderen Nato-Mitgliedern begeistert begrüßt wird, zu blockieren.
       
       Als Begründung für seine negative Haltung führt Erdoğan an, dass
       [2][insbesondere Schweden geradezu „ein Gästehaus“] für geflüchtete
       Mitglieder der kurdischen Guerilla PKK sei. Erdoğan hat sich immer wieder
       beschwert, dass der Antiterrorkampf der Türkei von europäischen Ländern zu
       wenig unterstützt werde. Tatsächlich waren in der Vergangenheit, als
       Schweden noch für eine liberale Flüchtlingspolitik bekannt war, viele
       Kurden in den kalten Norden geflohen.
       
       Zwar wird die PKK in Deutschland und auch in der EU insgesamt als
       „Terrororganisation“ geführt, dennoch schöpft die PKK den größten Teil
       ihrer materiellen Ressourcen aus europäischen Ländern. Seit Jahren liegt
       die Türkei darüber hinaus mit der Nato-Führungsmacht USA in einem
       erbitterten Streit wegen deren Zusammenarbeit mit dem [3][syrischen
       PKK-Ableger YPG].
       
       ## Erdoğan: Zustimmung zu Griechenlands Nato-Beitritt damals ein Fehler
       
       Die kurdische YPG-Miliz, die der PKK nahesteht, war in den letzten Jahren
       quasi die Bodentruppe der USA bei der Bekämpfung des IS in Syrien und im
       Irak. Zum großen Ärger der Türkei hat die US-Armee die YPG immer wieder mit
       Waffen und anderem wichtigen Material versorgt, um deren Kampffähigkeit zu
       unterstützen. Die türkische Armee behauptet regelmäßig, dass diese Waffen
       später bei Angriffen auf türkische Soldaten benutzt worden seien.
       
       Der Konflikt eskalierte so weit, dass türkische Truppen bei ihren
       verschiedenen Vorstößen auf syrisches Gebiet fast mit US-Truppen aneinander
       geraten wären. Nicht zuletzt dieser Konflikt hatte Erdoğan zu einer engen
       Zusammenarbeit mit Putin in Syrien getrieben.
       
       Doch die Haltung Schwedens und in geringerem Maße auch Finnlands gegenüber
       der PKK sind nur ein Grund für die Skepsis Erdoğans gegen die Länder im
       Norden. Er erinnerte auch daran, dass die Türkei sich schon einmal mit
       einem neuen Nato-Mitglied schlechte Erfahrungen eingehandelt habe, als man
       dem [4][Beitritt Griechenlands] zustimmte. Griechenland, so Erdoğan, hätte
       seine Nato-Mitgliedschaft anschließend gegen die Türkei benutzt. Die
       türkische Regierung, die dem Beitritt damals zugestimmt hat, hätte einen
       großen Fehler gemacht. Diese Erfahrung, sagte Erdoğan, wolle man nicht noch
       einmal machen.
       
       Außerdem ist für Erdoğan wohl auch eine taktische Überlegung, dass er mit
       der Kritik an einem möglichen Nato-Beitritt der Skandinavier Pluspunkte bei
       Putin sammeln könne, ohne viel dafür tun zu müssen.
       
       ## Erdoğan könnte Zugeständnisse für seine Zustimmung fordern
       
       Letztlich dürfte Erdoğan, der bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine in
       der Nato schon einmal völlig isoliert war, ein Nein zum Beitritt von
       Finnland und Schweden wohl nicht durchhalten.
       
       Aber er kann dafür an anderer Stelle Zugeständnisse aushandeln und er kann
       den gesamten Prozess erheblich verzögern, was für Schweden und Finnland
       sehr unangenehm wäre. Sie hätten dann zwar den Nato-Beitritt beantragt und
       sich Russland damit zum Feind gemacht, wären aber noch nicht durch den
       förmlichen [5][Beistandspakt der Nato] geschützt.
       
       13 May 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Geplante-Nato-Beitritte/!5854175
 (DIR) [2] https://www.trtdeutsch.com/politik-turkei/turkei-ladt-schwedens-botschafter-wegen-konferenz-mit-ypg-terroristen-vor-5213142
 (DIR) [3] /Kaempfe-im-Nordirak/!5849091
 (DIR) [4] https://carnegieeurope.eu/strategiceurope/82643
 (DIR) [5] https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_110496.htm
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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