# taz.de -- Russlands Krieg gegen die Ukraine: Neue Soldaten für Putin
       
       > Mit einer Gesetzesänderung können auch 65-Jährige als Soldaten gegen die
       > Ukraine kämpfen. So treibt Moskau eine verdeckte Mobilisierung voran.
       
 (IMG) Bild: Mancher junge russische Soldat kann bald seinem Opa in Uniform begegnen
       
       Moskau taz | Russland kann nach einer Gesetzesänderung mehr Soldaten für
       die Front in der Ukraine rekrutieren. In der Staatsduma in Moskau stimmten
       am Mittwoch die Parlamentarier einem Antrag zu, nach dem die Altersgrenze
       für Vertragssoldaten angehoben werden soll. Demnach können nun „alle Bürger
       arbeitsfähigen Alters“ – das heißt bis 65 Jahre – auf Vertragsbasis in der
       russischen Armee dienen. „Wir müssen die Sicherheit unseres Landes
       schützen, wir müssen schnell handeln“, sagte Andrei Krassow, ein
       Abgeordneter der russischen Regierungspartei Einiges Russland, vor der
       Abstimmung.
       
       Auf diese Weise kann die russische Staatsmacht trotz der massiven Verluste,
       von denen die Führung in Moskau nicht spricht, den „Plan“ erfüllen, den der
       russische Präsident Wladimir Putin aufgestellt hat, ohne diesen je genau zu
       definieren.
       
       Keiner der 417 anwesenden Abgeordneten enthält sich bei der Abstimmung,
       niemand ist dagegen. „In Zeiten des Krieges müssen wir komplexe
       Entscheidungen treffen“, sagt Nikolai Kolomeizew, ein Kommunist. Er benutzt
       das Wort Krieg, auch wenn dieser in Russland offiziell „militärische
       Spezialoperation“ genannt werden muss. Er spricht auch von „besetzten
       Territorien“, um sich sogleich selbst zu korrigieren: „Ach ja, befreite.“
       Ein Abgeordneter will die 18-Jährigen davor schützen, zu „Kanonenfutter zu
       werden, weil sie so jung und unerfahren sind“, wie er sagt. Ein anderer
       nennt alle über 40-Jährigen „unbrauchbar für den Dienst an der Waffe“. Nach
       knapp 20 Minuten ist das Gesetz in allen drei Lesungen beschlossen.
       
       Zuvor lag die Obergrenze für Rekruten bei 40 Jahren für russische
       Staatsbürger und bei 30 Jahren für ausländische. In der Begründung für
       die Änderung hatte es geheißen, für den Einsatz von hoch präzisen Waffen
       sowie den Betrieb von Waffen und militärischer Ausrüstung würden hoch
       professionelle Spezialisten benötigt, und „erfahrungsgemäß“ bestünde diese
       Spezialisierung erst im Alter von 40 bis 45 Jahren. Vor allem in der
       medizinischen Versorgung, aber auch für die Instandsetzung der Technik
       sowie für die Aufklärung brauche es diese Änderung, sagte Andrei Krassow,
       der Mitinitiator des veränderten Gesetzes.
       
       Die Neuerung ist Teil der verdeckten Mobilmachung in Russland. Da die
       Führung – so sagen es Beobachter*innen im Land – aus Sorge über
       fallende Zustimmungswerte für die „Spezialoperation“ und damit auch für
       den Präsidenten keine Generalmobilmachung ausruft, aber dennoch
       [1][Nachschub an militärischem Personal braucht], setzt sie auf geschickte
       Mobilisierung mit anderen Mitteln. Das veränderte Gesetz erlaubt es zum
       einen, dass die bereits als Freiwillige in der Ukraine Kämpfenden
       legalisiert werden, zum anderen können dadurch mehr Menschen rekrutiert
       werden.
       
       ## Verwandte berichten von verschwundenen Männern
       
       Seit Wochen verschicken die russischen Einberufungsämter Vorladungen mit
       der Aufforderung, sich mit Pass zur Überprüfung von Daten bei den Behörden
       zu melden. Manche Männer werden offenbar direkt danach in Busse gesetzt, um
       in Schützengräben in der Ukraine zu landen, so schreiben es einige der
       Verwandten solcher Verschwundenen in den sozialen Netzwerken. Auf bunten
       Flyern, die einige Einberufungsämter verschicken, wird die Arbeit als
       Vertragssoldat mit den Stichworten „Stabilität, breite
       Entwicklungsmöglichkeiten, würdiger Lebensstandard und hoher sozialer
       Status“ angepriesen. Einstiegsgehalt: umgerechnet knapp 400 Euro. Vor allem
       für schwache Regionen ist das viel Geld. Deshalb finden sich unter den
       russischen Gefallenen besonders viele Soldaten aus den kaukasischen
       Republiken, aus Burjatien an der mongolischen Grenze, aus
       industrieschwachen Gegenden am Ural. Für viele junge Männer aus Dörfern
       fast ohne Jobmöglichkeiten gilt die Armee als sozialer Lift.
       
       Auch Unternehmen fordern ihre Mitarbeiter auf, sich bei den
       Einberufungsämtern vorzustellen. So sei es ihnen „von oben“ aufgetragen
       worden, heiße es oft, berichten russische Exilmedien. Bei ehemaligen
       Soldaten sollen zuweilen auch Militärangehörige vorbeigekommen sein und
       ihnen erklärt haben, dass ihre Kenntnisse in der Armee äußerst gebraucht
       würden.
       
       [2][Viele russische Männer im wehrfähigen Alter verstecken sich vor den
       Behörden], um nicht in die Ukraine geschickt zu werden. Manche Eltern von
       bald 18-Jährigen bringen ihre Söhne ganz aus dem Land. Andere zeigen ihren
       Widerstand gegen die Einberufung mit radikalen Mitteln: Seit der russischen
       Invasion in der Ukraine brennen quer durch Russland immer wieder
       Einberufungsämter. Die Behörden sprechen von mindestens 13 Einrichtungen,
       in die Unbekannte Molotowcocktails geworfen haben sollen.
       
       26 May 2022
       
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