# taz.de -- Bedingungsloses Grundeinkommen: „Die Menschen arbeiten mehr“
       
       > Der Verein Mein Grundeinkommen verlost seit 2014 bedingungslose 1.000
       > Euro. „Wir sind da, solange der Staat untätig ist“, sagt Michael
       > Bohmeyer.
       
 (IMG) Bild: Pilotprojekt Grundeinkommen: Initiator Michael Bohmeyer bei einer Aktion vor dem Reichstag 2021
       
       taz: Herr Bohmeyer, was halten Sie von der Berliner
       Volksentscheid-Initiative, die einen [1][staatlich finanzierten
       Modellversuch für ein bedingungsloses Grundeinkommen] fordert? 
       
       Michael Bohmeyer: Ich freue mich darüber. Es ist gut, wenn das Thema
       Grundeinkommen breit und öffentlichkeitswirksam diskutiert wird. Ein
       [2][staatlich finanzierter Modellversuch] würde sicher auch nochmal größer
       ausfallen als die wissenschaftlichen Studien, die wir finanzieren können.
       Und Fakten sind wichtig bei diesem Thema, das ja schnell zu einer
       Glaubensfrage gemacht wird: Manche sehen im Grundeinkommen die Rettung des
       Abendlands, andere seinen Untergang.
       
       Ihr [3][Verein Mein Grundeinkommen verlost schon seit 2014 regelmäßig
       Grundeinkommen] in Höhe von 1.000 Euro, allerdings mit einem
       Crowdfunding-Ansatz – also auf Basis privater Spenden. Wenn der Staat
       zahlen soll, wären Sie ja überflüssig. 
       
       Über kurz oder lang ist das auch unser Ziel: uns überflüssig zu machen. Wir
       sind da, solange der Staat noch untätig ist.
       
       Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse konnten Sie denn bisher gewinnen –
       stimmt zum Beispiel die Annahme, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen
       die Menschen faul macht? 
       
       Im Gegenteil, wir haben eher die Erfahrung gemacht: Diese Menschen wechseln
       eher in Jobs, die viel besser zu ihnen passen, die sie motivieren. Das
       trifft vor allem für die Mittelschicht in durchschnittlich bezahlten Jobs
       zu: Die Motivation steigt, sie arbeiten mehr, gerade weil die Arbeit ein
       Stück entkoppelt wird vom Lohn. Da schlummert auch volkswirtschaftlich noch
       ein Wachstumspotenzial. Letztlich geht es um Souveränität, die man gewinnt,
       wenn man sich weniger erpressbar macht von Lohnabhängigkeiten.
       
       Sie meinen, dieses Gefühl von Souveränität motiviert den Einzelnen im
       besten Fall, der Gesellschaft etwas zurückzugeben? 
       
       Das legen weltweit Studien nahe und das haben wir auch häufig von unseren
       1.100 Personen gehört, denen wir in den letzten acht Jahren ein einjähriges
       Grundeinkommen ausgezahlt haben. Diese Menschen engagieren sich eher fürs
       Gemeinwohl, sie kreisen weniger um sich selbst und haben mehr Ressourcen
       für ein ökologisch bewussteres Leben. Derzeit überprüfen wir diese
       Erkenntnisse in einem Pilotprojekt zusammen mit dem Deutschen Institut für
       Wirtschaftsforschung, bei dem 122 Personen mit einem Nettoeinkommen
       zwischen 1.200 und 2.600 Euro drei Jahre lang 1.200 Euro erhalten. Nächstes
       Jahr wissen wir dann wissenschaftlich fundiert, welche Wirkung dieses
       bedingungslos gezahlte Geld auf das Verhalten des Individuums hat – und was
       das für unsere Gesellschaft bedeuten würde.
       
       Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle müssten auch letztlich alle
       gemeinsam bezahlen, oder? 
       
       Ja, alle müssten höhere Steuern zahlen. Auch dazu planen wir ab 2023 eine
       Studie, wir wollen diese Neuverteilung von Einkommen simulieren.
       
       Was heißt das genau? 
       
       Wir sind noch in der Konzeptphase – voraussichtlich geht es aber um rund
       1.800 Menschen, denen wir 3,5 Jahre ein bedingungsloses Grundeinkommen
       überweisen. Gleichzeitig simulieren wir einen Steuersatz, der das
       finanzieren kann. Das Forschungsinteresse ist also: Wie hoch müsste ein
       optimales Grundeinkommen sein, um die bestmöglichsten Effekte auf den
       Einzelnen zu haben und dabei gleichzeitig finanziell tragbar zu sein für
       die Allgemeinheit?
       
       Die Berliner Initiative schlägt minimum 1.200 Euro vor. Müsste man das
       angesichts der Inflation gerade und der absehbar noch [4][steigenden Preise
       für Nahrungsmittel und Energie] nicht gleich höher ansetzen? 
       
       Ich glaube, es ist wichtig, dass man irgendwo anfängt. Erhöhen kann man
       immer noch. Es geht ja auch nicht um ein Leben in Saus und Braus, sondern
       um ein würdevolles Existenzrecht.
       
       4 May 2022
       
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