# taz.de -- Erhebung von Zensusdaten: Polizist:innen verboten
       
       > Polizist:innen dürfen keine Zensusbefragung durchführen. In
       > Rotenburg/Wümme wollte man sich daran nicht halten, steuert nun aber um.
       
 (IMG) Bild: Von Tür zu Tür: Zensuserhebung im Jahr 2011
       
       Hamburg taz | Hätten Sie vielleicht ein paar Minuten, um über Haus und Hof
       zu reden? So oder ähnlich könnten im Mai wieder die Fragen der
       Zensusbefrager:innen lauten.
       
       Im niedersächsischen [1][Rotenburg an der Wümme] wollte jedoch ausgerechnet
       der Polizist Fred K. an der Zensuserhebung teilnehmen. Das hatte er in
       einem Interview mit der Kreiszeitung angekündigt. Darin heißt es, K. wolle,
       wie schon beim vorherigen Zensus 2011, als Erhebungsbeauftragter am Zensus
       mitarbeiten. Er wollte also im Landkreis von Tür zu Tür ziehen und zufällig
       ausgesuchte Haushalte befragen. Und weil er im Ort gut bekannt ist, etwa
       für seine Verkehrsschulungen, erhoffte er sich breite Redebereitschaft.
       
       Dabei durfte er das gar nicht. Das liegt nicht an ihm persönlich, sondern
       an seinem Beruf. Im Bundesstatistikgesetz, das den Ablauf der
       [2][Zensusbefragung] regelt, heißt es: Freiwillige dürfen nicht als
       Interviewer:innen teilnehmen, „wenn aufgrund ihrer beruflichen
       Tätigkeit oder aus anderen Gründen Anlass zur Besorgnis besteht, dass
       Erkenntnisse aus der Tätigkeit als Erhebungsbeauftragte zu Lasten der
       Befragten oder Betroffenen genutzt werden“.
       
       Zu dieser Berufsgruppe zählen neben Polizist:innen etwa auch
       Beamt:innen von Finanz- oder Standesamt, der Steuerverwaltung, der
       Bußgeldstelle, dem Sozial- und Jugendamt und weiteren Ämtern. Das geht aus
       einem Schreiben des Landesamtes für Statistik an den Kreistagsabgeordneten
       Stefan Klingbeil (Die Linke) hervor, das der taz vorliegt.
       
       Klingbeil war auf das Interview mit Polizist K. aufmerksam geworden und
       hatte daraufhin bei den zuständigen Behörden nachgefragt. Vom statistischen
       Landesamt aus Hannover kam die Einschätzung, dass ein Interessenkonflikt
       vorläge, wenn der Polizist K. tatsächlich an der Erhebung teilnehmen würde.
       Allerdings habe man von Hannover aus keine Handhabe, die Auswahl der
       Hausbesucher:innen liege bei den örtlichen Erhebungsstellen.
       Stattdessen gebe es eine Handreichung an die lokalen Behörden, die über den
       rechtlichen Rahmen aufklären soll.
       
       Polizist K. scheint für die [3][Sensibilität der Daten] durchaus
       zugänglich. „Die Auswahl [der Interviewer:innen, Anm. d. Red.] gestaltet
       sich gar nicht so einfach, weil es Leute sein müssen, die vertraulich sind.
       Man hat es ja mit Daten zu tun, die man sonst nicht bekommt“, sagt er im
       Interview mit der Kreiszeitung.
       
       Und gerade daher bleibt Klingbeil skeptisch. Weil die lokalen Ämter selbst
       auswählen, wer an der Erhebung teilnehmen darf. „Es gibt da überhaupt keine
       Gegenkontrolle vom Land“, sagt er.
       
       Alle zehn Jahre befragt der Bund seine Bürger:innen, auf dass sie sich
       schätzen lassen, ein jeder in seiner Stadt. Die Daten nutzt der Bund, um
       Schulen oder Arztpraxen zu planen, Sozialwohnungen zu bauen oder Wahlkreise
       einzuteilen. Konkret erfragen die Erhebungsbeauftragten also demografische
       Daten wie Alter und Geschlecht, aber auch die Anzahl der Bewohner:innen
       im Haushalt und die Wohnungsgröße. Angaben zum Einkommen werden nicht
       abgefragt.
       
       Um zu gewährleisten, dass den Befragten kein Nachteil aus der
       Zensusteilnahme entsteht, dürfen die Daten von der Haustür nicht an Polizei
       oder Meldeämter weitergegeben werden. So soll verhindert werden, dass
       jemand etwa einen Bußgeldbescheid erhält, weil er oder sie sich nicht
       korrekt umgemeldet hatte.
       
       Linkenpolitiker Klingbeil sorgt sich derweil um seine Privatsphäre. „Als
       politisch aktive Person habe ich große Bedenken, solche Informationen
       gegenüber Polizeibeamten preiszugeben“, sagt er. Auch wenn er K. für einen
       vertrauenswürdigen Polizisten hält, bezweifelt er dennoch, dass dieser alle
       Informationen aus den Hausbesuchen für sich behält, solange er im Revier
       sitzt. Das sei schlicht menschlich.
       
       ## Öffentlicher Druck
       
       Das Landkreisamt Rotenburg/Wümme teilt nun auf Anfrage mit, man habe
       Rücksprache mit dem Landesamt für Statistik in Hannover gehalten und
       beschlossen, Herrn K. nicht als Interviewer einzusetzen. Und zwar aufgrund
       der „nicht unproblematischen Wahrnehmung eines Einsatzes in der
       Öffentlichkeit“. Juristisch gesehen teilt man im Landkreisamt zwar die
       Einschätzung, dass Polizeibeamte nicht an Erhebungen teilnehmen dürfen,
       behält sich jedoch grundsätzlich Einzelfallentscheidungen vor.
       
       Bei Herrn K. wollte die Behörde zuvor eine Ausnahme machen. Er hatte ja
       bereits 2011 am Zensus teilgenommen – „ohne jede Beanstandung, also
       pflichtgemäß und unter Einhaltung aller Geheimhaltungspflichten“.
       
       Doch zumindest in diesem Jahr wird der Polizist K. nun keine Hausbesuche in
       Rotenburg/Wümme machen.
       
       22 Apr 2022
       
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