# taz.de -- EU stoppt Plan für Pestizidreduktion: Agrarumweltschutz wird Kriegsopfer
       
       > Eine Verordnung für weniger Pestizide kommt erst mal nicht, so die
       > EU-Kommission. Wegen des Ukrainekriegs gibt sie Ökoflächen für die
       > Produktion frei.
       
 (IMG) Bild: Hauptsache, er erntet viel: Ein Landwirt fährt mit seinem Mähdrescher über ein Haferfeld
       
       Berlin taz | Die EU-Kommission will wegen des Ukrainekriegs bis auf
       Weiteres zentrale Umweltschutzprojekte in der Landwirtschaft stoppen, um
       die Ernte zu vergrößern. Entgegen früheren Planungen stellte die Behörde am
       Mittwoch nicht ihren Entwurf einer Verordnung vor, den Pestizideinsatz bis
       2030 grundsätzlich [1][zu halbieren]. Sie nannte keinen neuen Termin. Sie
       kündigte aber an, dass die Mitgliedsländer in diesem Jahr den Bauern
       erlauben dürfen, auf für den Umweltschutz bestimmten Flächen zum Beispiel
       auch Weizen und Mais anzubauen. Bisher waren auf diesen 5 Prozent der
       Ackerfläche jedes Betriebs nur Brachen oder etwa Hülsenfrüchte erlaubt,
       wenn er Agrarsubventionen der EU bekommt.
       
       Außerdem will die Kommission den Bauern [2][500 Millionen Euro] extra
       zahlen, weil sie auch wegen des Krieges viel mehr für Energie, Futter und
       Dünger bezahlen müssen. Schweinehaltern wird die Kommission helfen, indem
       sie Fleisch aufkaufen und für 2 bis 5 Monate einlagern lässt. Das soll die
       Preise stützen, die lange unterhalb der Produktionskosten lagen.
       
       „Die Weizenterminkontrakte haben sich seit der Invasion um 70 Prozent
       verteuert“, sagte Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission.
       Russland erzeugt dem Bundesagrarministerium zufolge 10 Prozent und die
       Ukraine 4 Prozent des Weizens weltweit. Der Anteil beider Länder an den
       globalen Ausfuhren beträgt zusammen rund 30 Prozent. Es werden massive
       Lieferausfälle befürchtet wegen der Kriegshandlungen in der Ukraine und der
       Sanktionen gegen Russland.
       
       „Es gibt keine unmittelbare Gefahr für die Ernährungssicherheit in der EU,
       weil sie eine große Produzentin ist und eine Nettoexporteurin von
       Getreide“, teilte die Kommission mit. Aber die Versorgung etwa in
       Nordafrika und dem Nahen Osten sei bedroht.
       
       Zwar versicherte eine Sprecherin der Kommission, der Verordnungsentwurf zur
       Pestizidreduktion werde später veröffentlicht. Dombrovskis ergänzte, die
       Kommission verfolge ihre „Green Deal“-Umweltstrategie und deren
       Landwirtschaftsumsetzung in der [3][„Farm to Fork“]-Strategie weiter. Die
       Landwirtschaft ist Studien zufolge ein wesentlicher Treiber des
       Artensterbens. Ein Grund dafür sind Pestizide.
       
       ## 60 Prozent des Getreides für den Trog
       
       Doch Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament,
       kritisierte, der Verordnungsentwurf könne in dieser Legislaturperiode bis
       2024 nicht mehr beschlossen werden, wenn er erst Ende des Jahres vorliegt.
       „Deshalb ist diese Verschiebung eigentlich eine Beerdigung“, so Häusling.
       Die EU-Kommission werde wohl auch auf die für ab 2023 geplante
       Verpflichtung verzichten, dass Bauern 4 Prozent ihres Ackerlandes nicht für
       die Produktion, sondern die Natur nutzen, warnte der Parlamentarier. „Dabei
       sind diese Flächen enorm wichtig für die Biodiversität.“
       
       „60 Prozent des Getreides geht in den Futtertrog“, sagte der Grüne. „Man
       möchte noch weiter die Futtertröge füllen und nicht Menschen versorgen, die
       jetzt wirklich in Not sind. Und das ist ein wenig zynisch.“ Der
       Schweinesektor brauche nicht als Erstes Hilfe, „weil die Tiere ja nicht
       verhungern werden“. Häusling bemängelte auch, dass die Kommission nicht die
       Agrosprit-Produktion aus Getreide infrage stelle. Die EU müsse weg „von der
       massenhaften Produktion von Fleisch“, so Häusling, „die Leute brauchen
       Brot.“ Die Umweltorganisation WWF forderte, auch mehr zu tun gegen die
       Verschwendung von Lebensmitteln.
       
       Der Deutsche Bauernverband hatte die sich abzeichnende Freigabe der
       naturnahen Flächen begrüßt und sich gegen die Pläne zur Pestizidreduktion
       ausgesprochen.
       
       23 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /EU-Kommission-will-weniger-Pestizide/!5834460
 (DIR) [2] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_22_1963
 (DIR) [3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A52020DC0381&from=EN
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Pestizide
 (DIR) Renaturierung
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Landwirtschaft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gesetze zum Schutz der Artenvielfalt: Weniger Pestizide, mehr Biotope
       
       Die EU-Kommission macht Vorschläge zum Schutz der Artenvielfalt: Der
       Pestizideinsatz soll drastisch reduziert, Biotope sollen renaturiert
       werden.
       
 (DIR) Bauernpräsident über Folgen des Kriegs: „Futter ernährt indirekt Menschen“
       
       Wegen des Ukrainekriegs droht mehr Hunger. Gleichwohl sagt
       Bauernverbandschef Rukwied: Es ist richtig, dass das meiste Getreide Tiere
       bekommen – und nicht Menschen.
       
 (DIR) Umweltschützer zu Strom aus Mais: Gegen mehr Biogas wegen Krieg
       
       Pflanzen für die Stromerzeugung belegten zu viele Äcker, sagen
       Umweltbundesamt und Naturschutzbund. Dort sollten lieber Lebensmittel
       angebaut werden.
       
 (DIR) Ukrainekrieg lässt Getreidepreise steigen: „Völlig überzogene Forderungen“
       
       Weniger Pflanzen für Agrokraftstoffe wegen des Kriegs? Der Bauernverband
       lehnt das ab – und fordert stattdessen einen Verzicht auf
       Umweltschutzregeln.
       
 (DIR) G7 wollen Getreidepreise abbremsen: Gegen Exportverbote für Weizen
       
       Der Ukraine-Konflikt sorgt für Engpässe bei Getreide. Deshalb wollen die G7
       Ausfuhrbeschränkungen verhindern. Krieg erhöht Zahl Hungernder weltweit.
       
 (DIR) EU-Kommission will weniger Pestizide: Landwirte sollen weniger spritzen
       
       Die Mitgliedsländer müssen den Einsatz von Ackergiften bis 2030 um 50
       Prozent senken. Das besagt ein Verordnungsentwurf der EU-Kommission.