# taz.de -- FDP im Saarland-Wahlkampf: Alles oder nichts für die Liberalen
       
       > Nach 10 Jahren außerparlamentarischer Opposition hofft die FDP im
       > Saarland auf eine Wiederauferstehung – und hält sich auch
       > Regierungsoptionen offen.
       
 (IMG) Bild: Will den APO-Status der FDP im Saarland beenden: Angelika Hießerich-Peter
       
       Saarbrücken taz | Angelika Hießerich-Peter, die FDP-Spitzenkandidatin für
       die saarländische Landtagswahl, ist vor wenigen Tagen in der Saarbrücker
       Union-Stiftung Gast an „Lenas Theke“. Im Souterrain wird die 57-jährige,
       resolute Hotelfachfrau von der 25-jährigen Journalistin „Lena“ Ziegler
       interviewt.
       
       „Angelika“ nimmt auf einem der Barhocker Platz, das Gespräch findet auf
       Augenhöhe statt. „Die Länge gibt der liebe Gott, für die Größe muss man
       selbst sorgen“, spielt Hießerich-Peter selbstironisch auf ihre Körperlänge
       von 1,55 Meter an. Und erklärt, dass sie mit ihrer Partei nun „vom
       Spielfeldrand aufs Spielfeld“ wolle, von der außerparlamentarische
       Opposition zurück in den Landtag.
       
       Tatsächlich ist das Ziel von Hießerich-Peter für die [1][Landtagswahl am
       27. März] nichts weniger als die Wiederauferstehung der FDP im Saarland.
       Zweimal in Folge waren die Liberalen bei Landtagswahlen zuletzt an der
       Fünfprozenthürde gescheitert. Und auch diesmal dürfte es knapp werden. Zehn
       Tage vor der Wahl liegen die Liberalen laut dreier aktueller Umfragen
       jeweils genau bei 5 Prozent.
       
       ## Industrietransformation als wichtigstes Thema
       
       Hießerich-Peter sagt, sie sei in die FDP eingetreten, um etwas gegen das
       Erstarken von nationalistischen und demokratiefeindlichen Kräften zu tun.
       Im Wahlkampf ist ihr wichtigstes Thema die Zukunft des Industriestandorts.
       Nach ihrer Überzeugung muss das Saarland dringend bei den Investitionen in
       Wirtschaft und zukunftsfähige Arbeitsplätze zulegen, wenn die
       Transformation gelingen soll.
       
       Die Herausforderungen sind groß. Der Autokonzern Ford erwägt, tausende
       Arbeitsplätze von Saarlouis ins spanische Valencia zu verlagern. Saarstahl
       und Dillinger Hütte müssen sich auf einem schwierigen Markt mit steigenden
       Energiepreisen behaupten. Die Autozulieferer Bosch und ZF rüsten für die
       Zeit nach den Verbrennungsmotoren um. Alle Parteien wetteifern im
       Saarland-Wahlkampf darum, wer mit welchem Personal diese Prozesse am besten
       begleiten und steuern kann.
       
       Hießerich-Peter, die als Selbstständige ihr Hotel in Mettlach an der
       berühmten Saarschleife durch die Coronakrise gesteuert hat, empfiehlt ihre
       Partei und sich selbst. Am Mittag steht ein zweiter Videoauftritt auf dem
       Programm. Beim Sozialverband VdK kommt Geschäftsführer Peter Springborn
       schnell zur Sache. Er vermisst im FDP-Programm klare Aussagen zur
       Sozialpolitik. „Das Wort Armut kommt darin nicht einmal vor“, beklagt er
       und fragt, ob die FDP noch immer die „Partei der Bonzen und Reichen“ sei.
       
       Hießerich-Peter hält energisch dagegen. Eine soziale Schieflage drohe vor
       allem dann, wenn in der Transformation der Industrie Arbeitsplätze
       wegfielen, ist sie überzeugt. „Die Politik muss Chancen ermöglichen, aus
       eigener Kraft voranzukommen.“ Bei Sozialleistungen will Hießerich-Peter die
       Anrechnungsgrenzen anheben: „Wenn ich mehr leiste, habe ich was davon.“
       
       Dass die Bundesregierung die steigenden Energiekosten mit der Abschaffung
       von EEG-Umlage und Heizkostenzulagen abfedert, findet sie gut. Sie
       verteidigt aber auch Stromsperren, „als letztes Mittel, wegen der schwarzen
       Schafe, die auf Kosten der Allgemeinheit leben“. Das sind sicher nicht
       Positionen, die der Sozialverband VdK hören will, aber die Kandidatin steht
       zum Profil ihrer Partei.
       
       ## Um vier Uhr morgens bei den Stahlkochern
       
       Der 18-jährige Nicolay Braun, der Hießerich-Peter an diesem Tag von Termin
       zu Termin fährt, war schon um vier Uhr früh zum Schichtwechsel vor der
       Dillinger Hütte. Mit JuLi-Landeschef Julien François Simons verteilte er
       Müsliriegel und Äpfel. „Die Stimmung war gut, die Leute freundlich“,
       berichtet er, obwohl die Stahlkocher eher kein liberales Stammklientel
       sind. Der 22-jährige Simons kandidiert auf Platz 5 der Landesliste. Er
       würde einen Landtagseinzug nur bei einem zweistelligen FDP-Erfolg schaffen.
       
       „Die Partei ist hochmotiviert“, viele Junge seien für sie im Einsatz,
       versichert Hießerich-Peter. Am Nachmittag wird sie in Merzig mit ihrem
       ehrenamtlichen Fahrer Braun „flyern“ – Straßenwahlkampf mit
       FDP-Werbematerial als '„Giveaways“. Doch wegen Corona wird der Wettbewerb
       vor allem über die sozialen Medien ausgetragen.
       
       ## Vor zehn Jahren platzte die erste Jamaikakoalition
       
       Fast genau zehn Jahre ist es her, dass die damalige CDU-Landesvorsitzende
       und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer Personalquerelen in der
       FDP zum Anlass nahm, ihre grünen und liberalen Partner zu feuern. Die erste
       Jamaikakoalition auf Landesebene war [2][geplatzt]. Bei der folgenden
       Neuwahl stürzte die [3][FDP an der Saar in die Bedeutungslosigkeit].
       Seitdem ist sie außerparlamentarische Opposition. „Das Land will neu“,
       plakatiert die FDP nun in diesem Wahlkampf. „Zehn Jahre Große Koalition
       sind genug“, sagt auch Hießerich-Peter.
       
       Mit wem sie regieren will, sagt die 57-Jährige jedoch nicht. Auf
       beharrliche taz-Nachfrage nennt Nachwuchsmann Braun dann zumindest seine
       Option: „Wegen der Inhalte“ wünscht er sich eher eine Koalition mit der
       CDU. Die Chefin grätscht dazwischen. „Wir sagen dazu nichts, bis am
       Wahlabend die Zahlen vorliegen.“ Hießerich-Peter will jede Festlegung
       vermeiden. Selbst eine Neuauflage von „Saarmaika“ schließt sie nicht aus,
       trotz des bitteren Endes vor zehn Jahren. Davon sei nichts nachgeblieben,
       versichert die Spitzenkandidatin und fügt hinzu: „Die von damals sind alle
       nicht mehr da.“
       
       23 Mar 2022
       
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