# taz.de -- Schülerprotest gegen Ukraine-Krieg: Vormittags-Demo auf einmal erlaubt
       
       > Schulsenator Ties Rabe erlaubte Schülern in der Schulzeit auf die Straße
       > zu gehen. Das zählte beim G20-Gipfel noch als „Schulpflichtverletzung“.
       
 (IMG) Bild: Gegen den Krieg: Zehntausende vorwiegend junge Menschen gingen in Hamburg auf die Straße
       
       Hamburg taz | Auf den ersten Blick wirkt es nur sympathisch: Hamburgs
       Schulsenator Ties Rabe (SPD) erlaubte seinen Schülern, am Donnerstag an der
       Friedensdemo teilnehmen, zu der die ukrainische Friday-for-Future-Gruppe
       aufrief. Alle Schüler ab 16 Jahren durften um 10.30 Uhr zur Demo gehen.
       Jüngere durften mit Entschuldigung der Eltern ebenfalls für die Demo die
       Schule verlassen.
       
       Rabe schrieb an die Schulleitungen, er begrüße das Engagement der Schüler
       und wolle allen, die es möchten, „in dieser so außergewöhnlichen Situation“
       die Demo-Teilnahme ermöglichen. Konkret stützt sich diese Aktion laut
       seinem Sprecher auf [1][Paragraf 28 des Schulgesetzes]. Dort steht, „auf
       Antrag“ kann die Schule ihre Schüler „aus wichtigem Grund“ vom Unterricht
       befreien.
       
       Ein Blick ins Archiv zeigt, dass der Senator das auch schon mal anders
       handhabte. Zuletzt 2017 beim Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg,
       wandte sich seine Rechtsabteilung mit einem Schreiben gegen einen [2][am
       Gipfel-Tag geplanten „Bildungsstreik“]. Die Teilnahme der Schüler stelle
       eine „Schulpflichtverletzung“ dar, hieß es damals. Die Umdefinition einer
       Demo zum „praktischen Unterricht“, wie sie einige Lehrer damals erwogen,
       sei schon „wegen der politischen Neutralität des Schulwesens“
       ausgeschlossen.
       
       Zwar erlaubte Hamburgs Schulbehörde Eltern, ihre Kinder zu Hause zu
       behalten, doch eine Eltern-Entschuldigung mit der Begründung „Teilnahme an
       einer Demonstration“ würde nicht akzeptiert, erklärte seinerzeit Rabes
       Sprecher Peter Albrecht. Es gebe außerhalb der Unterrichtszeit eine „Fülle
       anderer Möglichkeiten“, seine Meinung kundzutun.
       
       ## Es gibt noch mehr Demos
       
       Nun ist der Krieg in der Ukraine ein so dramatisches Ereignis, dass auch
       Senatoren ein Umdenken gestattet sei. Rabe wird sich nur künftig bei
       anderen Protesten in der Schulzeit am Beispiel der Ukraine-Demo messen
       lassen müssen. Denn es bleibt eine Irritation. Die Regeln für die
       Schulpflicht sollten nicht politisch dehnbar, „demofrei“ keine persönliche
       Entscheidung eines Senators sein. Schulstreiks sind immer auch ein Akt
       zivilen Ungehorsams, der durch so eine Erlaubnis an Schärfe verliert.
       Ohnehin gibt es ja noch in Hamburg die Anti-Kriegsdemo am Samstag.
       
       Wie will die Behörde damit in Zukunft umgehen? Derzeit können sich noch
       alle hinter dem Demo-Aufruf #staywiththeukraine vereinen. Aber was, wenn
       sich der Protest differenziert und demnächst auch Demos für oder gegen
       Waffenlieferungen antreten?
       
       Eine linke Gruppe innerhalb der Grünen hat [3][laut „Spiegel online“]
       bereits einen Brief an die Grünen-Spitze geschickt und die deutschen
       Waffenlieferungen kritisiert. „Wir bitten euch eindringlich, keine
       Waffenlieferungen in die Ukraine, Verhandlungen zur Deseskalation sofort“,
       heißt es darin. Muss also bald Rabes Büro abwägen, welche Demo man in der
       Schulzeit besser findet? Ein Dilemma das Ganze – und viel Stoff für den
       Politikunterricht. Kaija Kutter
       
       3 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/jlr-SchulGHAV16P28
 (DIR) [2] /Bildungsstreik-gegen-G20/!5423140
 (DIR) [3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/krieg-in-der-ukraine-linke-gruene-fordern-ende-von-waffenlieferungen-an-ukraine-a-5a3f4775-8fd4-4ff9-b26b-9d3ec947e262
       
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