# taz.de -- Protest gegen Coronapolitik in Kanada: Trudeau greift zum Notstandsgesetz
       
       > Kanada will entschieden gegen die „Freiheitskonvois“ vorgehen. Es ist das
       > zweite Mal, dass ein Premier in Friedenszeiten vom Notstand Gebrauch
       > macht.
       
 (IMG) Bild: Die Regierung will jetzt durchgreifen: ein Protest-Lkw am Montag in Ottawa
       
       Ottawa afp/rtr | Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat
       angekündigt, die Blockaden von Gegnern der Coronamaßnahmen per
       Notstandsgesetz zu beenden. „Die Bundesregierung hat sich auf das
       Notstandsgesetz berufen, um die Kapazitäten der Provinzen und Territorien
       zur Bewältigung der Blockaden und Besetzungen zu ergänzen“, sagte Trudeau
       am Montag vor Journalisten. Zuvor hatte die Polizei nach eigenen Angaben
       bei einer Blockade an einem Grenzübergang ein Waffenlager gefunden.
       
       Es ist erst das zweite Mal in der kanadischen Geschichte, dass ein
       Premierminister in Friedenszeiten von solchen Befugnissen Gebrauch gemacht
       hat. Trudeau zufolge wird das Militär in dieser Phase noch nicht
       eingesetzt. Die Behörden hätten nun jedoch mehr rechtliche Möglichkeiten,
       um Demonstranten zu verhaften, ihre Lastwagen zu beschlagnahmen und die
       Finanzierung der Proteste zu unterbinden.
       
       Finanzministerin Chrystia Freeland erklärte, dass sich alle
       Crowdfunding-Programme und die von ihnen genutzten Zahlungsanbieter ab
       sofort bei der kanadischen Anti-Geldwäsche-Behörde FINTRAC registrieren und
       verdächtige Aktivitäten melden müssen. „Wir nehmen diese Änderungen vor,
       weil wir wissen, dass diese Plattformen zur Unterstützung illegaler
       Blockaden und illegaler Aktivitäten genutzt werden, die der kanadischen
       Wirtschaft schaden“, sagte Freeland.
       
       Auch Konten von Personen, die unter Verdacht stünden, die „Freedom
       Convoy“-Proteste zu unterstützen, könnten ohne einen Gerichtsbeschluss
       vorübergehend eingefroren werden. Darüber hinaus werde die Versicherung der
       an den Blockaden beteiligten Lastwagen ausgesetzt. Die kanadischen Behörden
       erklärten, dass etwa die Hälfte der Finanzierung der Proteste von
       US-Unterstützern stammt.
       
       ## Gewehre und Munition in mehreren Lkw
       
       Mit sogenannten „Freiheitskonvois“ blockieren Lkw-Fahrer derzeit mehrere
       Grenzübergänge zu den USA sowie die Hauptstadt Ottawa. Am Wochenende hatten
       die Behörden bereits die wichtige Ambassador-Grenzbrücke geräumt, die die
       kanadische Provinz Ontario mit der US-Metropole Detroit verbindet.
       
       Am Montag entdeckten die Behörden an einem blockierten Grenzübergang
       zwischen Coutts im Bundesstaat Alberta und dem US-Bundesstaat Montana
       Gewehre und Handfeuerwaffen sowie „große Mengen Munition“ in mehreren Lkw.
       Insgesamt elf Verdächtige wurden festgenommen. „Die Gruppe soll bereit
       gewesen sein, Gewalt gegen die Polizei anzuwenden, falls Versuche
       unternommen würden, die Blockade zu stören“, erklärte die Polizei.
       
       Die Aktionen der Lkw-Fahrer hatten aus Protest gegen die Impfpflicht bei
       Grenzübertritten begonnen, die Mitte Januar von Kanada und den USA
       eingeführt worden war. Ungeimpfte kanadische Lkw-Fahrer müssen demnach bei
       der Rückkehr aus den USA in eine 14-tägige Quarantäne, US-Fahrer ohne
       Impfung dürfen gar nicht ins Land. Mehrere kanadische Bundesstaaten haben
       mittlerweile angekündigt, die Impfpasspflicht aufzuheben, darunter Ontario,
       Alberta und Saskatchewan.
       
       Inzwischen richten sich die Proteste allgemein gegen die Coronaregeln und
       gegen die Regierung von Premierminister Trudeau. Die Proteste haben
       weltweit Nachahmer gefunden, unter anderem [1][in Frankreich],
       [2][Belgien], den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Israel und
       Neuseeland.
       
       Das kanadische Notstandsgesetz kann im Fall einer „nationalen Krise“
       herangezogen werden. Es erlaubt der Bundesregierung „vorübergehende
       außerordentliche Maßnahmen“. Zuletzt war es 1970 vom Vater des amtierenden
       Regierungschefs, Pierre Elliott Trudeau, angewandt worden, um die Armee
       nach Québec zu schicken, nachdem dort Separatisten einen britischen
       Handelsattaché sowie einen Minister entführt hatten. Der Minister, Pierre
       Laporte, wurde später tot in einem Kofferraum gefunden.
       
       Mehrere Ministerpräsidenten der Bundesstaaten hatten vor Justin Trudeaus
       Ankündigung ihren Widerstand gegen die Anwendung des Gesetzes zum Ausdruck
       gebracht.
       
       15 Feb 2022
       
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