# taz.de -- Biologin über klinische Studien: „Sicherheit hat höchste Priorität“
> Wer kann an Studien teilnehmen? Denise Olbrich vom Lübecker Zentrum für
> klinische Studien über wissenschaftliche Standards, Hoffnungen und
> Risiken.
(IMG) Bild: Wer nicht seriös arbeitet, ist schnell allein: Labor-Forschung bei der Corona-Impfstoffentwicklung
taz: Frau Olbrich, auf Plakaten in der U-Bahn und auf Portalen im Internet
werden immer wieder Teilnehmer:innen für klinische Studien gesucht. Ist
das seriös?
Denise Olbrich: Ich bekomme auch hin und wieder per Mail solche Aufrufe
zugeschickt. Meiner persönlichen Erfahrung nach sind das eher kleine
Studien, zum Beispiel Abschlussarbeiten. Es gibt aber auch Unternehmen, die
mit Pharmafirmen oder einer Klinik einen Vertrag schließen. Das Unternehmen
sucht dann unter seinen Vertragspartnern nach geeigneten Patienten für die
Studien der Kliniken oder Pharmafirmen. Grundsätzlich gibt es gute und
schlechte Menschen in allen Bereichen. Aber [1][klinische Studien], der
Bereich, in dem ich arbeite, sind wirklich hochgradig reguliert. Wer als
Wissenschaftler unseriös arbeitet, schadet seinem Ruf und findet keine
Kooperationspartner mehr.
Es gibt ja verschieden Arten von Studien. Was sind klinische Studien genau?
Man kann sie einteilen in Studien nach dem Arzneimittelgesetz (AMG),
Studien nach dem Medizinproduktedurchführungsgesetz und sonstige Studien.
In Letzteren werden dann zum Beispiel Operationstechniken verglichen. Wenn
man klinische Studien hört, denkt man oft zuerst an AMG-Studien. Diese
wiederum lassen sich in Phasen einteilen, je nachdem, wie weit die
Entwicklung des Medikaments schon ist. Vereinfacht gesagt, geht es darum,
herauszufinden, ob ein bestimmtes Medikament oder eine Behandlungsmethode
besser für die Patienten ist als das, was bisher auf dem Markt ist oder
angewandt wird. Dabei geht es aber nicht mehr nur um die Frage, ob die
Leute damit länger leben, sondern das Thema Lebensqualität spielt auch eine
wichtige Rolle.
Wie genau sieht die von Ihnen genannte Regulierung aus?
Man ist natürlich an die Gesetze gebunden, zum Beispiel das
Arzneimittelgesetz. Es gibt darüber hinaus Regelwerke, beispielsweise das
„[2][Good Clinical Practice]“ und die [3][Deklaration von Helsinki], die
ethische und wissenschaftliche Qualitätsstandards vorgeben. Für klinische
Studien braucht es die Genehmigung von Behörden und das Votum einer
Ethikkommission. Es ist genau vorgeschrieben, welche Informationen
Patienten erhalten müssen, wie sie aufgeklärt werden müssen und so weiter.
Die Sicherheit der Patienten hat immer höchste Priorität. Es ist
unglaublich viel zu leisten, bevor so eine Studie überhaupt anfangen darf.
Auch wenn die Studie läuft, wird von unabhängigen Personen und Inspektoren
von Behörden überprüft, ob alles korrekt läuft.
Wie finden Sie die Teilnehmenden für Studien?
Bevor eine Studie startet, berechnet ein Biometriker genau, wie viele
Patienten eingebracht werden müssen, damit das Ergebnis am Ende überhaupt
aussagekräftig ist. Die Patientenrekrutierung ist aber wirklich die größte
Krux. Meistens ist es so, dass die Ärzte, die die Studie durchführen,
schauen, wer von ihren Patienten in die Studie passen würde.
Es gibt also Ein- und Ausschlusskriterien.
Genau. Die sind meist sehr eng gefasst, damit man ein Kollektiv hat, mit
dem die eigentliche Fragestellung auch sauber beantwortet werden kann. Wenn
man zum Beispiel hauptsächlich ältere Patienten hat, dann werden darunter
auch viele sein, die noch andere Krankheiten haben und Medikamente nehmen.
Da muss man dann schauen, ob das Medikament, das getestet werden soll,
möglicherweise mit den anderen interagiert und diese Menschen dann von der
Studie ausgeschlossen werden müssen. Es gehört auch dazu, zu schauen, ob
die Personen psychisch und physisch in der Lage sind, an der Studie
teilzunehmen.
Für einige Menschen dürfte die Teilnahme an einer Studie mit Hoffnungen
verbunden sein, beispielsweise wenn eine Person schon lange unter einer
Erkrankung leidet und keine Linderung gefunden hat.
Ja, das kann vorkommen. Deshalb ist es wichtig, ein ehrliches
Aufklärungsgespräch zu führen. Man muss erklären, was die Behandlung
realistisch für Vorteile, aber eben auch Nachteile haben kann. Die Frage,
was den Patienten zuzumuten ist und was nicht, ist enorm wichtig.
Das dürfte auch für den Einsatz von Placebos gelten, oder?
Es ist wichtig, vorwegzuschicken, dass keinem Patienten ein Medikament
weggenommen wird, das er braucht. Placebos ersetzen keine notwendigen
Medikamente, sonst wäre die Sicherheit des Patienten ja gefährdet. Bei
Placebo-kontrollierten Studien hat man klassischerweise einen
Behandlungsarm, also die Menschen, die die neue Behandlung erhalten, und
einen Kontrollarm. Im Kontrollarm erhalten die Patienten das Placebo an
Stelle des neuen Wirkstoffs. Ansonsten ist die Behandlung der Patienten
gleich. Niemand wird in einer Studie also schlechter behandelt, als der
medizinische Standard es vorsieht.
Trotzdem sprachen Sie auch von Nachteilen.
Ehrlicherweise muss man sagen: Ja, als Studienteilnehmer hat man immer ein
gewisses Risiko, denn es wird ja etwas Neues getestet. Andererseits kann
man eben auch Vorteile haben, wie beispielsweise eine engmaschigere
Beobachtung oder eine Untersuchungsmethode, die die Krankenkasse nicht
zahlt. Das ist je nach Studie unterschiedlich. Die Sicherheit der
Patienten wird immer überwacht, und es wird alles getan, damit die
Vorteile die möglichen Nachteile überwiegen. Aber egal, wie gut alles
vorbereitet und überlegt und geplant wurde, es kann immer wieder
Überraschungen geben. Das kann nur ein blauer Fleck nach einer Blutabnahme
sein, das kann aber auch eine allergische Reaktion oder Ähnliches sein.
Kann man als Studienteilnehmer:in Geld verdienen?
In Deutschland kaum. In Phase-1-Studien, wo neue Medikamente erstmals an
gesunden Menschen getestet werden, setzen sich die Probanden schon einem
Risiko aus, denn sie nehmen ja ein Medikament ein, obwohl sie gesund sind.
Dafür bekommen sie häufig Geld, vielleicht so 2.000 bis 3.000 Euro. Oft
haben die Studien aber als Voraussetzung, dass man in den letzten Monaten
nicht an anderen Medikamentenstudien teilgenommen haben darf, man kann mit
der Teilnahme an Studien also nicht mehrfach hintereinander viel Geld
verdienen. Für klinische Studien in späteren Stadien gibt es eigentlich
kein Geld. Manchmal bekommt man eine kleine Aufwandsentschädigung oder
einen Gutschein. Aber der Patientenschutz in Deutschland ist sehr hoch,
damit sich Menschen nicht aus Geldmangel an die Forschung verkaufen.
Welches Vorgehen würden Sie Menschen raten, die an einer Studie teilnehmen
möchten?
Wenn ich eine bestimmte Erkrankung habe und bei meinem Facharzt bin, kann
ich den natürlich fragen, ob er von einer klinischen Studie weiß, für die
ich infrage kommen könnte. Eine weitere Möglichkeit wäre, auf den Webseiten
der Kliniken in der Umgebung zu schauen, welche Studien dort durchgeführt
werden. Es wird sich darum bemüht, den Bereich der klinischen Studien für
Bürger transparenter zu machen. Gerade ist ein EU-weites Portal online
gegangen, [4][Ctis] heißt das. Bei dem kann jeder schauen, wo welche
klinischen Studien laufen, wer daran beteiligt ist und so weiter.
6 Mar 2022
## LINKS
(DIR) [1] /Klinische-Studien/!t5044479
(DIR) [2] https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/research-development/compliance/good-clinical-practice
(DIR) [3] https://www.wma.net/policies-post/wma-declaration-of-helsinki-ethical-principles-for-medical-research-involving-human-subjects/
(DIR) [4] https://euclinicaltrials.eu/home
## AUTOREN
(DIR) Marthe Ruddat
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