# taz.de -- Anti-Corona-Proteste in Berlin: Menschenkette gegen Elfen
       
       > In Tegel wächst der Widerstand gegen die montäglichen „Spaziergänge“ von
       > Impfgegnern. Neues Bündnis warnt vor Vereinnahmung durch die extreme
       > Rechte.
       
 (IMG) Bild: Die Impfgegner*innen provozieren auch Gegenprotest, hier vor der Gethsemanekirche
       
       Berlin taz | „Es werden immer mehr“, sagt Elli vom Bündnis Omas gegen
       Rechts, als der sogenannte „Montagsspaziergang“ an ihr vorbeizieht.
       Tatsächlich sind es laut Polizei rund 800 Menschen, die am Montagabend
       unter dem Motto „Tegel steht auf“ gegen die Anti-Corona-Maßnahmen auf die
       Straße gehen. Es läuft deutscher Schlager, Deutschlandfahnen werden
       geschwenkt, eine Frau im Elfenkostüm ruft „Frieden, Freiheit,
       Selbstbestimmung“.
       
       Jeden Montagabend stellen sich die Omas gegen Rechts dem
       verschwörungsideologischen Auflauf entgegen, schweigend, mit einer
       Menschenkette. Auch sie seien in den vergangenen Wochen immer mehr
       geworden, sagt Elli. An diesem Abend sind es rund 200
       Gegendemonstrant*innen, die sich trotz der Kälte versammelt haben. Ihren
       vollen Namen will die die 67-jährige Tegelerin lieber nicht nennen, aus
       Angst, wie sie sagt. „Wir werden oft angefeindet, zum Teil auch sehr
       rabiat.“
       
       Die beiden Kundgebungen stehen sich direkt gegenüber, getrennt nur durch
       die Berliner Straße und einige verstreute Polizist*innen. Teilweise laufen
       die Coronaleugner*innen mitten durch den Gegenprotest, einige
       versuchen, mit den „Omas“ zu diskutieren, andere rufen „Schämt euch!“, ein
       Teilnehmer hält ein Schild mit der Aufschrift „Falsche Demo Oma“. „Mit
       denen kann man nicht reden“, glaubt Adele. Die 72-Jährige ist ebenfalls bei
       den Omas gegen Rechts aktiv, weil sie etwas gegen den Rechtsruck in der
       Gesellschaft tun will, wie sie sagt. „Es mag ja Leute geben, die Angst vorm
       Impfen haben, aber das hier wird von Rechten organisiert.“
       
       ## Alles andere als unpolitisch
       
       Den unpolitischen Charakter, den die Organisator*innen von „Tegel
       steht auf“ nach außen tragen, kaufen ihnen die Omas gegen Rechts nicht ab.
       An diesem Abend sollen auch Vertreter der Neonazi-Kleinstpartei „III. Weg“
       unter den Demonstrant*innen sein. „Viele sind gar nicht politisch, die
       werden von Rechtsextremen reingezogen und hysterisiert und
       instrumentalisiert“, glaubt Elli. [1][Ein aktuelle Studie zeigt jedoch,
       dass nicht wenige für Verschwörungserzählungen empfänglich sind]: Knapp ein
       Fünftel der Berliner*innen stimmte 2021 der Aussage zu, „die
       Coronakrise wurde so groß geredet, damit einige wenige davon profitieren
       können.“
       
       Mit ihrer Angst vor einer Radikalisierung der Anti-Corona-Proteste sind die
       Omas nicht allein. Gemeinsam mit der Linken, SPD, FDP und Grünen,
       Gewerkschaftsverbänden und Fridays for Future Reinickendorf haben sie daher
       die [2][Tegeler Erklärung verfasst], in der sie vor einem „Schulterschluss
       mit der extremen Rechten, Verschwörungsgläubigen und der AfD“ warnen.
       
       Dass dieses antifaschistische Engagement nicht ungefährlich ist, zeigt sich
       kurze Zeit später. Ein junger, stämmiger Mann schert aus dem „Spaziergang“
       aus, nähert sich der Menschenkette und ruft Beleidigungen. Dann schlägt er
       einem Teilnehmer sein Schild auf den Kopf. Kurz entsteht Unruhe, doch die
       Polizei ist schnell vor Ort und nimmt eine Anzeige auf. Es ist nicht die
       einzige an diesem Abend. Laut Berliner Polizei wurden am Montagabend
       stadtweit fast 90 Ordnungswidrigkeitsverfahren und acht Strafverfahren
       gegen Coronaleugner*innen eingeleitet, so ein Sprecher zur taz.
       
       In Tegel ist der Spuk nach rund anderthalb Stunden vorbei. Dann ertönt die
       „Querdenker“-Hymne „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen. Ein kleiner
       Spaß, den sich die Omas gegen Rechts erlaubt haben: Schließlich ist der
       Sänger bei den Impfgegner*innen mittlerweile in Ungnade gefallen,
       nachdem er vergangene Woche unter dem Titel „Freiheit“ ein Foto von sich
       beim Impfen gepostet und sich damit gegen die Instrumentalisierung seines
       Liedes gewandt hatte.
       
       „Die Freiheit der Einzelnen darf nicht die Freiheit der anderen gefährden“,
       sagen die Omas. Deswegen gilt für sie: „Impfen statt schimpfen.“ Und
       deswegen werden sie auch am nächsten Montag wieder auf der Straße stehen,
       um sich der lauten Minderheit schweigend entgegenzustellen.
       
       8 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://mbr-berlin.de/beobachtungen-zu-den-sogenannten-montagsspaziergaengen-in-berlin/
 (DIR) [2] https://www.change.org/p/tegeler-erkl%C3%A4rung
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie Frank
       
       ## TAGS
       
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