# taz.de -- Religion in Armenien: Gottessohn der Superlative
       
       > Ein Oligarch will die weltweit höchste Christus-Statue errichten lassen.
       > Obwohl die Religion wieder eine wichtige Rolle spielt, hagelt es Kritik.
       
 (IMG) Bild: Wollen höher hinaus als Rio: Statue auf dem Corcovado
       
       Berlin taz | Endlich könnte Armenien auch einmal ein Land der Superlative
       werden und dabei sogar noch Rio de Janeiro überholen. In Jerewan machen
       dieser Tage Pläne die Runde, das weltweit mächtigste Monument von Jesus
       Christus zu errichten. Eine der wichtigsten Fragen ist: Sind die Hände des
       Gottessohnes zu beiden Seiten ausgestreckt oder schützend auf die Brust
       gelegt?
       
       Die Christus-Statue soll eine symbolische Höhe haben, 33 Meter – so viele
       Jahre, wie Jesus gelebt hat. Doch der Sockel soll dreimal höher sein. Das
       Monument mit einer Gesamthöhe von bis zu 100 Metern soll auf dem höchsten
       Hügel der Südkaukasusrepublik aufgestellt werden.
       
       Seit über einer Woche läuft ein Wettbewerb für Architekt*innen und
       Bildhauer*innen. Dabei handelt es sich übrigens nicht um ein staatliches
       Projekt. Die Idee geht auf den reichsten Mann Armeniens, Gagik Zarukjan,
       zurück. Er finanziert den Bau des Monumentes, das „dem armenischen Volk den
       Weg der Wiedergeburt und des Lichtes zeigen soll“.
       
       „Unser Vaterland lebt in schwierigen Zeiten. Jedoch haben die
       Armenier*innen, die stolz darauf sind, im Jahr 301 als erstes Volk das
       Christentum angenommen zu haben, immer alle Schwierigkeiten mit ihrem
       Glauben überwunden. Es ist jetzt an der Zeit, sich wieder im Glauben zu
       vereinen“, sagte Zarukjan in einer Videobotschaft.
       
       ## Große Sünden
       
       [1][Gagik Zarukjan] ist der Vorsitzende des armenischen Olympischen
       Komitees, Topunternehmer, Multimillionär, Star unter den Oligarchen und
       Chef der Partei „Blühendes Armenien“, die vor der Samtenen Revolution 2018
       die zweitstärkste Kraft im Parlament war.
       
       Warum bauen Oligarchen Christus-Statuen, Kirchen oder lassen die in
       Armenien so wichtigen Kreuzsteine herstellen? Weil sie große Sünden auf
       sich geladen haben? Vielleicht. Auf jeden Fall dienen diese Aktivitäten
       ihrer Imagepflege. Auch Zarukjan hat bereits Kirchen gebaut und will 2022
       mit diesem „Jesus-Megaprojekt“ auf sich aufmerksam machen.
       
       [2][Die armenische Apostolische Kirche], die zu Sowjetzeiten ein
       verstecktes Dasein fristete, ist heute in der Gesellschaft wieder präsent.
       Zumindest an den Wochenenden wird in den Kirchen im Akkord getauft. Und das
       Weihwasser ist teuer.
       
       Doch ihren klaren Verstand haben die Menschen in Armenien noch nicht völlig
       verloren. Gegen Christus haben sie nichts, gegen seine Statue schon. Wie
       viel das Vorhaben kosten wird, lässt Zarukjan offen. Als ob er jemals
       Probleme mit Geld gehabt hätte. Bekommt er eine Baugenehmigung? Das war und
       ist sowieso kein Thema in Armenien. Er baut dort, wo er will. Auch die
       Kirche schweigt.
       
       ## Zurück ins Mittelalter
       
       „Eine Schweinerei“, kommentieren Armenier*innen auf den sozialen
       Netzwerken, „Herabwürdigung“ und „ein Ergebnis kranken Verstands“, heißt es
       dort. „Anstatt Wissenschaft und Technologie zu fördern, errichten wir eine
       Statue von Jesus. Armenien rutscht zurück ins Mittelalter.“
       
       Kurzum: Die Menschen sind empört. Nicht von ungefähr. „In einem Land mit 30
       Prozent Armut kann Geld gezielter eingesetzt werden, auch wenn uns dieses
       Geld gestohlen wurde“, schreibt ein User auf Facebook. Tausende Flüchtlinge
       sind wegen des Krieges 2020 gegen Aserbaidschan um Bergkarabach immer noch
       obdach- und perspektivlos. Diesen Menschen hilft niemand, auch Zarukjan
       nicht. Aber das kann ja Jesus übernehmen. Amen.
       
       26 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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