# taz.de -- Fahndung wegen eingestürzter Kiesgrube: RWE-Tochter im Visier
       
       > Wie konnte es bei der Flut im Sommer 2021 zum Einsturz der Kiesgrube in
       > Erftstadt-Blessem kommen? Staatsanwälte ermitteln auch beim Betreiber.
       
 (IMG) Bild: Monströses Loch: Die Kiesgrube ist sie für viele Menschen in Blessem untragbar geworden
       
       Aachen taz | Die womöglich spektakulärsten Bilder der verheerenden
       Flutkatastrophe an Ahr, Erft und in der Eifel vom Juli lieferte der
       [1][Einsturz der Kiesgrube am Ortsrand von Erftstadt-Blessem]. Zahlreiche
       Wohnhäuser waren unterspült und in die Tiefe gerissen worden, ein Schlund
       wie in einem Weltuntergangsschinken entstand, Menschen und Kameras starrten
       in einen Abgrund. Wie es zu dem [2][monströsen Loch] kommen konnte, das
       will die Staatsanwaltschaft Köln nun genauer wissen.
       
       Die Ermittlungen richten sich gegen den Eigentümer und Verpächter des
       Tagesbaus, die Betreibergesellschaft sowie die Bezirksregierung Arnsberg.
       Deren Bergamt ist die zuständige Aufsichtsbehörde. Die Staatsanwaltschaft
       Köln untersucht, ob sie die Überschwemmung fahrlässig durch Unterlassen
       herbeigeführt und ob sie gegen das Bundesberggesetz verstoßen haben. Ihre
       Anhaltspunkte: Es habe keinen ausreichenden Hochwasserschutzwall gegeben;
       zudem könnten die Böschungen „unzulässig steil“ gewesen sein.
       
       Neun Beschuldigte gibt es. Strafrechtlich sind bis zu drei Jahre Haft
       möglich, zivilrechtlich große Millionensummen an Schadenersatz. Mitte
       Januar rückten 140 Polizeibeamte und -beamtinnen aus und durchsuchten
       zeitgleich etwa 20 Büros und Wohnungen, vornehmlich in Köln, Dortmund,
       Erftstadt und Bergheim.
       
       Der Betreiber des Kieswerks, die Rheinischen Baustoffwerke GmbH (RBS),
       wurde nicht namentlich genannt und tauchte in den ersten Pressemeldungen
       auch nicht explizit auf. Es handelt sich dabei um eine 100-prozentige
       Tochter des Energieriesen RWE. Dieser hat die Grube langfristig vom
       Eigentümer, einer Privatperson, gepachtet. Auf Anfrage sagte der leitende
       Oberstaatsanwalt in Köln, Ulrich Bremer, der taz, es sei nicht üblich, bei
       solchen Razzien Namen und Eigentumsverhältnisse zu nennen. „Aber wer die
       RBS ist, ist ja mittlerweile ein offenes Geheimnis.“
       
       ## Megabyte an Daten beschlagnahmt
       
       Man habe „sehr viel Material“ beschlagnahmt, viele Megabyte an Daten, so
       Bremer. „Das muss jetzt alles zusammengeführt und ausgewertet werden.“ Das
       werde sicher „viele Monate dauern“. Zur Aussagekraft der Unterlagen könne
       er noch nichts sagen, da werde man „auch Glück brauchen“ – erst recht ein
       halbes Jahr danach.
       
       Ja, ergänzt der Oberstaatsanwalt auf Nachfrage, auch in Köln, am zweiten
       Hauptsitz der RWE Power AG, habe man Unterlagen der Tochterfirma
       beschlagnahmt: „Wir waren auch bei der Mutter.“
       
       RWE ist derselbe Konzern, der eine halbe Autostunde nördlich drei
       Braunkohletagebaue betreibt. Entlang der Abbaugebiete hat er mindestens
       neun Betriebsstätten für Kies, ein Nebenprodukt des Kohleabbaus. Auch die
       Kiesgruben rund um den [3][Hambacher Wald] sollen massiv erweitert werden.
       Für Genehmigungen ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig, dieselbe
       Behörde, die jahrzehntelang alle Anträge von RWE zum Braunkohleabbau
       positiv beschieden hat.
       
       „Auch uns ist an einer lückenlosen, objektiven Aufklärung gelegen“, heißt
       es aus der Pressestelle von RWE. Schließlich sei man selbst „vom Hochwasser
       stark geschädigt“. Sogar doppelt: Das Kieswerk in Blessem ist nachhaltig
       ruiniert. Und Millionen Kubikmeter Wasser hatten sich zeitweise in den
       Braunkohletagebau ergossen. Ein Mitarbeiter war dabei ums Leben gekommen.
       
       ## „Folgenreicher Fehler des Bergamts“
       
       Die grüne Landtagskandidatin für den Rhein-Erft-Kreis II, Antje Grothus,
       begrüßt die juristische Überprüfung: „Es war ein folgenreicher Fehler des
       Bergamts, Bergbauaktivitäten im gesetzlich festgelegten
       Überschwemmungsgebiet der Erft zu genehmigen, damit eine Tochterfirma der
       RWE die Kiesgrube weiterbetreiben und kürzlich sogar erweitern konnte.“
       
       Gleichzeitig wird auch politisch mit harten Bandagen und ganz viel
       Filzstift gearbeitet. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss in
       Düsseldorf stöhnt unter mehr als einer Million Aktenseiten zum Flutdesaster
       – aber es fehlen Unterlagen. Und zwar ausgerechnet von der wichtigen
       Bezirksregierung Köln. „Da, wo es interessant ist, versteckt man das“, sagt
       der grüne Landtagsabgeordnete Johannes Remmel. Zudem sei man mit
       „pauschalen und unbegründeten Schwärzungen in gewaltigem Ausmaß“
       konfrontiert.
       
       Die nordrhein-westfälische CDU/FDP-Landesregierung verweist pauschal auf
       den Datenschutz. Geblieben sei, so Remmel, „eine große Blackbox“, die die
       parlamentarische Aufklärungsarbeit blockiere. SPD-Kollege Stefan Kämmerling
       erwägt deshalb eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht in Münster.
       
       24 Jan 2022
       
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