# taz.de -- Eklat im US-Sport: Der schräge Vogel geht
       
       > Antonio Brown ist zwar ein toller Passfänger und seltenes
       > Unterhaltungstalent, aber der 33-jährige NFL-Profi ist auch ein
       > Gefangener seiner selbst.
       
 (IMG) Bild: Abgang des Unartigen: Antonio Brown verlässt die Bühne des American Footballs
       
       Die National Football League, eines der größten Sportunternehmen auf diesem
       Globus, führt ein strenges Reglement. Sie nordet ihre Angestellten mit
       einem achtseitigen Verhaltenskompass [1][(Personal Conduct Policy)] ein:
       „Wir müssen uns jederzeit bemühen, Menschen mit bestem Charakter zu sein;
       wir müssen andere innerhalb und außerhalb unseres Arbeitsplatzes
       respektieren; und wir müssen uns bemühen, uns auf eine Weise zu verhalten,
       die positiv auf uns selbst, unsere Teams, die Gemeinschaften, die wir
       vertreten, und die NFL wirkt“, steht in dem Papier.
       
       Was so ein bisschen nach der Selbstverpflichtung eines DDR-Jungpioniers
       klingt („Wir Jungpioniere lernen fleißig, sind ordentlich und
       diszipliniert“), ist eine ernste Sache, denn in der NFL kommen nicht selten
       Profis zusammen, deren Kindheit nicht gerade unbeschwert war, die nicht im
       Vororthäuschen mit intakter Nachbarschaft und sozialer Pufferung
       aufgewachsen sind. In der NFL tummeln sich eben auch Typen wie Antonio
       Brown, dem wohl schon beim Lesen des Verhaltenskodexes der Hals schwillt.
       
       Brown fängt Bälle und rennt damit schnurstracks in die Endzone. [2][Er ist
       ein Wide Receiver], einer der besten in der Liga. Er ist aber auch eine
       Skandalnudel. Und diesen Ruf hat er am Wochenende glorreich verteidigt.
       Sein Team, die Tampa Bay Buccaneers, unter der Führung von Quarterback Tom
       Brady, war gerade in New York bei den Jets zugange, da begann Brown sich
       zur Verwunderung aller auszuziehen. Seine Oberkörperprotektoren, über die
       er das Trikot mit der Nummer 81 gezogen hatte, ließ er wie einen
       Chitinpanzer am Spielfeldrand zurück, das schwarze Unterhemd und die weißen
       Handschuhe pfefferte der 33-Jährige ins Publikum.
       
       Er verließ die Manege mit nacktem Oberkörper – und setzte ein Zeichen, das
       es in dieser Form in der NFL wohl noch nicht gegeben hat. Nicht nur die
       vielen Experten, Zuschauer und Medienfuzzis waren sprachlos, auch die
       Teamführung der Bucs staunte nicht schlecht über die neueste Kapriole des
       Enfant terrible.
       
       ## Am Ende mit der Geduld
       
       Als sich alle wieder gesammelt hatten, war schnell klar, dass Antonio Brown
       nicht mehr Teil der Mannschaft ist. „Er ist kein Buc mehr“, sagte
       Cheftrainer Bruce Arians nach dem seltsamen Auftritt, den er entgeistert
       verfolgt hatte: „Das ist das Ende der Geschichte.“ Nun könnte man sagen:
       Was soll’s, da brennen bei einem Typen die Sicherungen durch, das lässt
       sich schon irgendwie beheben. Aber so läuft es in seinem Fall nicht mehr.
       Nachsicht will keiner mehr üben, denn Brown hat in der Vergangenheit seinen
       Kreditrahmen an Wohlwollen und Geduld, den ihm seine Förderer gewährten,
       überzogen. Zuletzt hatte er einen gefälschten Impfausweis vorgelegt und
       dafür eine Sperre von drei Spielen aufgebrummt bekommen. Mittlerweile soll
       Brown geimpft sein, die Fachwelt rätselt umso mehr, was ihn zu dieser
       Trotzreaktion veranlasste.
       
       Eine Erklärung könnte sein: Brown kann nicht heraus aus seiner Haut. Als
       schräger Vogel hat er sich immer wieder Fehltritte geleistet: Er verpasste
       bei den Oakland Raiders etliche Vorbereitungsspiele, weil er sich in einer
       Kältekammer Frostbeulen an den Füßen geholt hatte, er ließ sich mit einem
       Heißluftballon zu einer Einheit einfliegen, kompromittierte den dortigen
       Trainer, machte in den sozialen Medien – allein auf Twitter folgen ihm 1,5
       Millionen Menschen – Politik in eigener Sache, und dann gibt es auch noch
       Vorwürfe, die vom Bereich des Clownesken und Skurrilen in jenen der
       Strafbarkeit münden. Brown soll seine ehemalige Fitnesstrainerin mehrfach
       sexuell missbraucht haben.
       
       Deswegen schmissen ihn die New England Patriots 2019 raus. Dass er
       innerhalb von zwei Wochen gleich bei zwei NFL-Teams rausflog, inspirierte
       ihn zu diversen Tweets, unter anderem beschwerte er sich über
       Doppelstandards in der Liga, denn Patriots-Besitzer Robert Kraft hatte sich
       wegen Förderung von Prostitution vor Gericht verantworten müssen – und
       Quarterback Ben Roethlisberger war vor Jahren wegen des Vorwurfs eines
       sexuellen Übergriffs von der Liga nur für vier Spiele gesperrt worden.
       
       Antonio Brown schmiss beleidigt hin, doch Quarterback Tom Brady, der die
       Buccaneers vor einem Jahr zum Gewinn des Superbowls geführt hat, nahm sich
       seiner an. Er ließ Brown sogar zur Eingewöhnung an die neue Umgebung bei
       sich wohnen. „Antonio ist ein guter Freund von mir, und wir haben uns über
       die Jahre ziemlich gut kennengelernt“, sagte Brady. Auch nach Browns Abgang
       in New York stützte Brady seinen ehemaligen Mitspieler: „Wir alle lieben
       ihn, wir kümmern uns sehr um ihn. Wir wollen, dass er in Bestform ist,
       leider wird das nicht mehr in unserem Team sein.“
       
       4 Jan 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://nflcommunications.com/Documents/2018%20Policies/2018%20Personal%20Conduct%20Policy.pdf
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Brown
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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