# taz.de -- Neuer Comic von Anna Haifisch: Musikdrama zum Durchblättern
       
       > Mit „Ode an die Feder“ ist der dritte Teil der Graphic-Novel-Serie um den
       > Künstler „The Artist“ erschienen. Er ist famos gezeichnet – und mit Stil.
       
 (IMG) Bild: „Vierter Akt“: aus dem besprochenen Band über „The Artist“ von Anna Haifisch
       
       Der dritte Band der Comic-Serie „The Artist“ [1][von Anna Haifisch] ist
       erschienen. Er heißt „Ode an die Feder“ und schreibt die Biografie des sich
       selbst zerfleischenden namenlosen Künstlers in seinem – normal –
       verstörenden Künstlerleben weiter. „The Artist“ ist aufgestiegen. Vom
       sensibel an der Welt leidenden und meist vergebens um Erfolg kämpfenden,
       unverstandenen Seelchen zum Teilnehmer der wichtigen Kunstmesse [2][Art
       Basel, die allerdings in der US-Partnerstadt Miami] stattfindet.
       
       Der dürre Vogel ist jetzt bekannt und manchmal sogar glücklich. Seine Kunst
       – Schlangenbilder – wird gewollt, aber dennoch leidet er – gottlob – weiter
       an der Welt und sich selbst. Jetzt kleidet er sich in Dior, umgibt sich mit
       Insignien des Erfolgs, lässt sich chauffieren, lebt in einem mondänen
       Bungalow. Und in dem ganzen Überfluss stellt er fest, dass er trotzdem
       etwas vermisst. Natürlich.
       
       Anna Haifisch hat eigentlich eine Oper voller Höhen und Tiefen komponiert,
       Klischees und knirschender Karikatur derselben. Ein herrlicher Mix aus
       Persiflage und Wahrheit, gefasst in die Text-Bild-Form eines Comics, aber
       eigentlich als Musikdrama zum Durchblättern angelegt.
       
       Dabei sieht man neben dem Schwarz-Weiß der Zeichnungen eine begrenzte
       Farbwelt aus viel Gelb und Orange, ab und zu Lila, die einen miamimäßig
       feuchtheiß und sommerlich, und in ihrer penetranten Poppigkeit auch leicht
       unbehaglich stimmen darf. Die Ästhetik hat einen 70er-Jahre-Touch und ist
       gewünscht. Darin agiert diese dürre, sehr bewegliche Figur des „Artist“ in
       einem Ambiente voller bildlicher Anspielungen und ikonischer Details.
       
       ## Zeichnungen mit Stil und Tieren
       
       Zum Beispiel trägt der tanzende Artist einen gestreiften Anzug aus der
       Dior-Kollektion von 2019, eben etwas retro. Nebenbei erinnert er an eine
       der Figuren aus „Men in the City“ – eine Serie von Kohlezeichnungen des
       Künstlers Robert Longo. Oder, als er in seinem Höhenflug auf dem Eis tanzt,
       wie die Schweizer Eiskunstläuferin Denise Biellmann, die 1980 eine
       spektakuläre Pirouette hinlegte.
       
       Haifisch hat famos gezeichnet, im Sinne von nicht abgefeimt, bei aller
       Stilfestigkeit auf eine forschende und offene Art mutig. Viele der Seiten
       würden als Einzelgrafik funktionieren, nicht zuletzt wegen der Komik, die
       ihnen innewohnt. Zitiert werden auch die drei subversiven Hasen, die im
       „Struwwelpeter“ des Frankfurter Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann
       den „wilden Jäger“ mit dem Gewehr niederstrecken.
       
       [3][Tiere spielen oft eine Rolle]. Auch die Tauben aus einigen Werken
       Picassos, die Figuren aus dessen „Reigen“, die als Inkarnation von Wieseln
       den Esstisch des Artist bevölkern. In einigen Motiven, wie den Cerealien
       „Fruit-Loops“ oder dem Bett, das aussieht wie ein Rennwagen, zitiert „The
       Artist“ sich aus den früheren Bänden selbst. Beste Voraussetzungen für
       einen möglichen nahen Artist-Kult? Darüber äußert die Schöpferin sich
       nicht.
       
       All das durchzieht die Texte, die sich reimen in seltenen, altmodischen
       Worten, die das Drama beschreiben und die sich gut zum lauten Vortrag
       eignen. „Hier bin ich, ein Wirbelwind! ein Talent! ein Knilch! Der nette
       Typ hat ausgespielt. Ach, seine Ruhmsucht hat ihn hinabgestoßen in die
       Schlangengrube zu finsteren Gestalten. Nun glaubt er sich unter den ganz
       Großen, er wird sich dort nicht lange halten.“
       
       ## Comicoper mit nervigen Flöten
       
       Wie bei einer Oper sind Kulissen, Akteure und Arien, also Text, aufgeteilt
       in 13 Akte, vorhanden – es gibt nur keinen Ton. Dazu sagt die Zeichnerin
       Anna Haifisch der taz: „Ich bin nicht besonders musikalisch, aber ich höre
       den Artist im Hintergrund immer jammern, in etwa so wie die Lehrerin in den
       Peanuts-Comicstrips von Charles M. Schulz, dieses unverständliche Getröte
       der Erwachsenen.
       
       Musikalisch würde ich die Vogeloper gar nicht so klassisch angehen. Ich
       denke eher an experimentelle Musik. Oder eine singende Säge. Irgendwie höre
       ich auch nervige Flöten!“
       
       Gerade aber die Texte tragen den Operncharakter, die dramatische
       Übertreibung, wenngleich die Leipziger Schöpferin sie ursprünglich mit
       „begrenztem Wortschatz“ in Englisch verfasst und veröffentlicht hat. Sie
       suchte und fand eine adäquate Übertragung durch keinen Geringeren als den
       [4][Schriftsteller und Übersetzer Marcel Beyer].
       
       Mit ihrer eigenwilligen Mischung hat Anna Haifisch auch mit dem dritten
       Teil ihrer „The Artist“-Reihe wieder einen großen Spaß geschaffen für alle,
       die in der Kunstszene wandeln, mit ihr liebäugeln, sie hassen oder
       versuchen, mit ihr klarzukommen.
       
       30 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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