# taz.de -- US-Prozess um Tod von Ahmaud Arbery: Drei Mal lebenslänglich
       
       > Drei Weiße sind im US-Bundesstaat Georgia wegen Mordes am Schwarzen
       > Jogger Arbery verurteilt worden. Rassismus durchzog auch den Prozess.
       
 (IMG) Bild: Erleichterung nach dem Urteil: der Mord an Arbery hatte einen Aufschrei verursacht
       
       New York taz | „Gott ist groß“, sagte Wanda Cooper-Jones am Mittwoch
       Nachmittag vor dem Gericht in Brunswick, Georgia, „mein Sohn kann jetzt in
       Frieden ruhen“. Kurz zuvor hatten die Geschworenen die drei weißen Männer,
       die Cooper-Jones’ Sohn Ahmaud Arbery im Februar 2020 ermordet haben, für
       schuldig befunden: Den 35-jährigen Travis McMichael, der den unbewaffneten,
       Schwarzen Jogger aus unmittelbarer Nähe erschossen hat, seinen 65-jährigen
       Vater Gregory, ein früherer Polizist, der den Jogger am Steuer eines
       Pickups gejagt hat und William „Roddie“ Bryan, den Nachbarn der beiden, der
       sich in einem zweiten Pickup an der Jagd beteiligte, den Jogger in eine
       tödliche Enge getrieben und die komplette Szene gefilmt hat.
       
       Der jüngere McMichael ist unter anderem wegen heimtückischen und schweren
       Mordes verurteilt worden, die beiden älteren Männer wegen schweren Mordes.
       Alle drei Männer sind der schweren Körperverletzung und Freiheitsberaubung
       schuldig.
       
       „Es war ein langer Kampf“, fügte die Mutter des Ermordeten am Mittwoch
       hinzu. Sie dankte allen, die zum [1][Zustandekommen dieses Urteils], an das
       sie selbst lange nicht geglaubt hat, geholfen haben: „Ohne Euch, die Ihr
       demonstriert habt, und ohne Euch, die Ihr gebetet habt, wäre es nicht
       möglich gewesen.“ Auch der Vater des Toten, Marcus Arbery, dankte den
       Unterstützern und sagte: „Wir haben den Lynchmord besiegt.“
       
       Der [2][25-jährige Ahmaud Arbery] war am Nachmittag des 23. Februars 2020,
       ein Sonntag, durch die Straße gejoggt, an der seine Mörder lebten.
       Unterwegs in dem mehrheitlich von Weißen bewohntem Stadtteil Satilla
       Shores, knapp zwei Meilen von seinem eigenen Wohnort entfernt, schaute sich
       Arbery eine Baustelle an. Er überschritt keine Barrieren, er stahl nichts,
       er schaute sich um.
       
       ## Minutenlange Verfolgungsjagd
       
       Für die drei weißen Männer, die ihn nicht kannten, war das genug. Als er
       vor ihrer Ausfahrt vorbei joggte, nahmen die beiden McMichaels ihre
       Schusswaffen und sprangen in ihren Pickup. Nachbar Bryan tat es ihnen
       gleich. Während sie den Jogger minutenlang auf den Straßen von Satilla
       Shores verfolgten, schrie einer der McMichaels ihm zu: „Wenn Du nicht
       stehen bleibst, jage ich Dir eine Kugel in den Kopf“. Der ältere McMichael
       verständigte auch die Polizei über seine Verfolgungsjagd. Seine Begründung:
       „Da ist ein schwarzer Mann, der die Straße entlang rennt“.
       
       Als die McMichaels die Straße mit ihrem Pickup blockierten, rannte Arbery
       um den Wagen herum. Doch davor lauerte ihm der jüngere McMichael mit seinem
       Gewehr auf. Es kam zu einem kurzen Handgemenge. McMichael schoss drei Mal
       und traf Arbery in die Brust und in den Kopf. In den letzten Momenten des
       Joggers, der zu seinen Füßen starb, nannte der jüngere McMichael ihn einen
       „fucking N…r“. Der ältere McMichael beschrieb den Jogger später als „Ratte
       in der Falle“.
       
       Die drei weißen Männer fühlten sich im Recht. Sie wollten eine
       „Bürgerfestnahme“ machen, die damals in Georgia noch legal war. Beim
       Prozess machten sie außerdem „Selbstverteidigung“ geltend. In dem entlang
       ethnischer Grenzen tief gespaltenen südlichen Georgia hatten sie monatelang
       die Behörden auf ihrer Seite. Die Polizei ließ sie noch am selben Tag
       wieder nach Hause gehen. Drei verschiedene Bezirksstaatsanwälte
       verschleppten den Fall. Einer davon erklärte, dass eine Anklage unnötig
       sei.
       
       Ohne das [3][Video], das Bryan von der Tat gefilmt hat, wäre es
       möglicherweise nie zu dem Prozess gekommen. Erst nachdem das Video im Mai
       2020 öffentlich wurde, und ein [4][Aufschrei der Empörung durch die USA
       ging], wurden die drei Männer angeklagt.
       
       ## Für die Mutter eine harte Prüfung
       
       Unterdessen gab die Mutter des Ermordeten ihren Arbeitsplatz auf und
       konzentrierte sich ganz auf die Aufklärung des Falls. Im Bundesstaat
       Georgia setzte Cooper-Jones durch, dass das Gesetz über Bürgerfestnahmen
       entschärft wurde. Auf Bundesebene traf sie unter anderem mit Ex-Präsident
       Donald Trump zusammen, um für eine [5][Polizeireform] zu werben. Während
       des Prozesses saßen mehrfach Schwarze Prediger und Bürgerrechtler neben ihr
       im Saal.
       
       Für die Mutter waren die zwei Prozesswochen eine harte Prüfung. Im
       Gerichtssaal sprach Staatsanwältin Linda Dunikoski den Rassismus als
       Tatmotiv nur einmal offen an: „Sie entschieden, Ahmaud Arbery anzugreifen,
       weil er ein Schwarzer Mann war, der auf der Straße rannte“.
       
       Doch auch der Prozess an sich war umstritten. Die Verteidiger lehnten – mit
       einer Ausnahme – alle Schwarzen Geschworenen ab. Sie protestierten wegen
       „zu vieler“ Schwarzer Priester im Gericht. Und am Montag dieser Woche
       schlug Verteidigerin Laura Hogue in ihrem Schlussplädoyer einen Ton an, der
       das Opfer entmenschlichen sollte. Als sie sagte, Arbery habe „lange,
       dreckige Fußnägel“ gehabt, verließ dessen Mutter den Saal.
       
       Anders als bei dem [6][Mordprozess in Kenosha], Wisconsin, der parallel
       lief, und der in der vergangenen Woche mit dem Freispruch des wegen
       mehrfachen Mordes Angeklagten Kyle Rittenhouse endete, ließen sich die
       Geschworenen in Georgia nicht von von der „Selbstverteidigung“ überzeugen.
       Anders war auch, dass die drei weißen Männer keine nationale Bewegung
       hinter sich hatten, die ihre Verteidigung finanziell und politisch
       unterstützte.
       
       Für die drei Verurteilten bedeutet das Urteil lebenslänglich. Alle drei
       überlegen, Berufung einzulegen. Doch zunächst steht ihnen ein weiterer
       Prozess vor einem Bundesgericht bevor. Dort werden sie wegen Hassverbrechen
       angeklagt. Und dort werden die rassistischen Dimensionen ihres Verbrechens
       zur Sprache kommen.
       
       25 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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