# taz.de -- Versammlungsrecht auf dem Prüfstand: Kein Schlaf im Klimacamp
       
       > In Hannover fühlen sich Aktivisten von Kontrollen und Auflagen
       > schikaniert. Jetzt haben sie nicht genügend Nachtwachen. Droht die
       > Räumung?
       
 (IMG) Bild: Im Sommer befand sich das Camp noch im Park neben dem Rathaus, da gab es weniger Ärger
       
       Hannover taz | Es wird mal wieder um juristische Feinheiten gehen, beim
       nächsten Plenum des Klimacamps in Hannover. Nicht zum ersten Mal.
       
       Dieses Mal sind die Nachtwachen das Problem. „Es ist ziemlich schwierig,
       die über den Winter durchzuhalten“, sagt Simon, der aktuell für das Camp
       spricht. Das liegt nicht nur daran, dass die Teilnehmerzahlen seit dem
       Sommer wie an vielen anderen Orten ziemlich abgebröckelt sind. Sondern auch
       daran, dass die Nächte so verflixt lang und kalt sind.
       
       Es ist eben ein Unterschied, ob man eine laue Sommernacht durchmacht oder
       ab 17 Uhr Schichten einteilen muss und beim Kampf gegen das Festfrieren
       Energie verbrennt. Die Nachtwachen einfach einzustellen, ist aber nicht so
       einfach: Die Polizeidirektion Hannover weist die Klimaaktivisten in ihrer
       Genehmigung immer wieder gern daraufhin, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit
       mindestens zwei wache Ansprechpersonen vor Ort sein müssen – sonst würde
       man die Versammlung als beendet betrachten.
       
       Dagegen klagen die Aktivisten nun vor dem Verwaltungsgericht. Am liebsten
       hätten sie per Eilantrag feststellen lassen, dass ihr Camp auch dann eine
       Versammlung ist, wenn alle schlafen. Aber das, befand [1][das
       Verwaltungsgericht Hannover] nun, wäre formal nicht zulässig. Die
       Camp-Bewohner müssten schon erst einmal abwarten, ob überhaupt eine Räumung
       verfügt wird – und dann gegen die Verfügung Widerspruch einlegen.
       
       ## Ist ein Sleep-In keine Versammlung?
       
       Die Frage, wann eine Versammlung eine Versammlung ist, ist allerdings ein
       bisschen knifflig. In [2][Paragraph 2 des niedersächsischen
       Versammlungsgesetzes] wird das so definiert: „Eine Versammlung im Sinne
       dieses Gesetzes ist eine ortsfeste oder sich fortbewegende Zusammenkunft
       von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an
       der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.“
       
       Die Frage muss nun lauten: Muss man zum Kundgeben wach sein oder reicht ein
       Plakat? Ist ein Sleep-In mit Transparenten eine zulässige Form der
       Versammlung? Drolligerweise hat dieselbe Polizeidirektion das fast schon
       einmal anders herum interpretiert: [3][Noch im September] hatte man dem
       Klimacamp nämlich vorgeworfen, die [4][im niedersächsischen Feiertagsgesetz
       geregelte Sonntagsruhe] zu stören.
       
       Die verbietet Versammlungen unter freiem Himmel, sofern sie am Sonn- oder
       Feiertag zwischen 7 und 11 Uhr stattfinden – also in der Zeit, die
       typischerweise Gottesdienste vorbehalten ist. Damals rollte die Polizei
       eigenhändig und mit robustem Körpereinsatz die Transparente ein und rückte
       sie um Punkt 11 Uhr wieder raus.
       
       Erst als der Oberbürgermeister und der evangelische Stadtsuperintendent
       vermittelten und eine Sondergenehmigung erwirkten, hatte dieser Spuk ein
       Ende. Sind die Transparente also sonntags morgens Kennzeichen einer
       Versammlung, nachts aber nicht?
       
       ## Verzögerungen und Hürden von Anfang an
       
       Bei vielen der Aktivisten hat sich nicht nur an dieser Stelle der Eindruck
       festgesetzt, dass manchen Menschen bei der Polizei oder in der Verwaltung
       jeder Vorwand recht ist, um dem Camp Steine in den Weg zu legen – auch wenn
       Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) noch so gern seine Unterstützung
       versichert.
       
       „Es war von Anfang an schwierig, das Camp auf dem Trammplatz, dem
       Rathausvorplatz, genehmigt zu bekommen“, sagt Rechtsanwalt Detlev Manger.
       Immer wieder habe es Verzögerungen und neue Auflagen gegeben. Mal war es
       eine Kunstausstellung am Rande des Platzes, mal angeblich nicht
       gewährleistete Fluchtwege.
       
       Kontrollen gab es anfangs täglich. Aktuell laufen Bußgeldverfahren, weil an
       einer Stelle verbotenerweise zwei Heringe ins Pflaster geschlagen wurden
       und die Folie unter dem Küchenzelt den Untergrund nicht vollständig
       bedeckte.
       
       Auflagen wie Nachtwachen oder das Verbot ein offenes Feuer zu entzünden
       machen dem Camp das Leben schwer. Auch als es um die Strom- und
       Wasserversorgung ging, gab es immer wieder Verzögerungen, obwohl die doch
       längst zugesagt worden war, erinnert sich Camp-Sprecher Simon.
       
       Die Aktivisten sind trotzdem entschlossen durchzuhalten. Gerade haben sie
       sich zwei große, winterfeste Zelte organisiert. „Wir stehen zu dem Motto
       ‚Wir bleiben bis ihr handelt‘“, sagt Simon.
       
       20 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.verwaltungsgericht-hannover.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/kein-vorbeugender-rechtsschutz-fur-klimacamp-206095.html
 (DIR) [2] https://www.nds-voris.de/jportal/?quelle=jlink&query=VersammlG+ND&psml=bsvorisprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-VersammlGNDpP2
 (DIR) [3] /Klimacamp-voruebergehend-abgehaengt/!5795586
 (DIR) [4] https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/themen/allgemeine_angelegenheiten_des_inneren/feiertagsrecht/feiertagsgesetz-61491.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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