# taz.de -- Aufschwung im karibischen Fußball: Das runde Leder von Barbados
       
       > Nach der Lossagung von der britischen Krone plant man in dem Inselstaat
       > auch im Fußball einen Neuanfang. Doch es fehlt noch an klaren Ideen.
       
 (IMG) Bild: Auch in die fußballerische Unabhängigkeit entlassen: Prinz Charles auf Staatsbesuch in Barbados
       
       Um den Anbruch der neuen Zeit auf der Republik Barbados zu feiern, war
       sogar ein älterer Polospieler aus dem United Kingdom angereist. Prince
       Charles saß rum, als die Karibikinsel ihre seit 1966 bestehende
       Unabhängigkeit dergestalt festzurrte, [1][dass Charles’ Mutter künftig
       nicht mehr das Staatsoberhaupt ist.]
       
       „Was könnte dieser ganze Shit für unseren Fußball bedeuten?“, fragt Nick
       Maitland in seinem Podcast für die Zeitung The Nation. Es sei nämlich auch
       für den Fußball höchste Zeit, unabhängig zu werden. Formal unabhängig ist
       der Fußball auf Barbados selbstverständlich schon lange, aber es werde viel
       zu oft auf die englische Premier League geschaut. „Wir müssen unseren
       eigenen Stil entwickeln.“
       
       Was das bedeutet, darüber wird derzeit heftig diskutiert. Doch so recht
       einig ist sich die Opposition im Fußballverband nicht. Während die einen
       noch etwas unkonkret von Grassroot-Arbeit, besserer Trainerausbildung und
       Förderung des Mädchen- und Jugendfußballs sprechen, setzen andere sogar
       darauf, dass der Aufschwung von einem Armeesportteam kommen solle.
       
       „Es ist an der Zeit, unsere koloniale Vergangenheit vollständig hinter uns
       zu lassen“, hat Sandra Mason gesagt, seit wenigen Wochen Staatspräsidentin.
       Aber während eine Sportart wie Kricket zum kolonialen Erbe gehört, lässt
       sich das vom Fußball nicht sagen: Dieser aus dem Industrieland England
       stammende Sport hat sich überall dort entwickelt, wo englische Händler und
       Ingenieure waren, um wirtschaftliche Beziehungen zu knüpfen.
       
       ## Spiel mit erwünschtem Eigentor
       
       In den Kolonien aber wurde Kricket gespielt; auf Barbados geht das bis ins
       18. Jahrhundert zurück. Fußball hingegen hat eine viel jüngere Tradition,
       der Verband wurde 1910 gegründet. Die ersten Länderspiele sind erst 1930
       und 31 verzeichnet – und danach erst wieder 1974. Der erste in den
       Statistiken notierte Landesmeister findet sich 1938.
       
       Entsprechend wenig Highlights gibt es: [2][Sportgeschichte schrieb die
       Nationalelf nur einmal, im Januar 1994.] Da ging es um die Qualifikation
       für den Karibik-Cup, und im Spiel gegen Grenada wurde eine sehr bekloppte
       Regelkonstellation wirksam, wonach Grenada zum Weiterkommen auch ein
       Eigentor hätte gebrauchen können. Barbados musste also sowohl das eigene
       als auch das gegnerische Tor verteidigen.
       
       Die Regel, die so etwas letztlich möglich machte – ein „Golden Goal“, das
       doppelt zählte –, wurde bald wieder abgeschafft. Barbados jedenfalls
       erreichte so den Karibik-Cup, schied dort aber schnell aus. (Wenn Sie das
       jetzt nicht so ganz kapiert haben, liegt es nicht an Ihnen, vermutlich noch
       nicht einmal an mir – auch die damals Beteiligten hatten diese Regel nur
       rudimentär verstanden, zumindest die auf der Bank Grenadas.)
       
       Jedenfalls hat die exzellente Kenntnis auch unsinniger Regeln für keinen
       Aufschwung des barbadischen Fußballs sorgen können. In der aktuellen
       WM-Qualifikation etwa schieden die Kicker aus. Und im Concacaf-Gold Cup
       ging Barbados gegen die Bermudas noch im Juni 2021 mit 1:8 unter, das
       bislang letzte Länderspiel. Nicht einmal bei den Commonwealth-Spielen, die
       im Juli und August 2022 in Birmingham stattfinden und an denen Barbados
       auch als Republik weiter teilnehmen wird, können die Kicker zeigen, dass es
       einen Aufschwung gibt. Fußball wird dort schon lange nicht mehr gespielt.
       
       9 Dec 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Barbados-schafft-die-Monarchie-ab/!5815712
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fballl%C3%A4nderspiel_Barbados_%E2%80%93_Grenada_1994
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Über den Ball und die Welt
 (DIR) Karibik
 (DIR) Fußball
 (DIR) Monarchie
 (DIR) Kolumne Über den Ball und die Welt
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Fußball
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Fußball in Andorra: Alles ist möglich!
       
       Andorra hat alles, was einen Staat ausmacht – auch eine Nationalmannschaft.
       Die spielt demnächst gegen die Jubelsultane aus der Türkei.
       
 (DIR) Kolumne Ball und die Welt: Abstieg, auch politisch und moralisch
       
       Nach dem Abstieg fordern die Fans der Grasshoppers Zürich das Team auf,
       Trikots und Hosen auszuziehen. Ein Lehrstück über Politik im Fußball.
       
 (DIR) Kolumne Über Ball und die Welt: Der Kicker als politischer Akteur
       
       Warum die Vorstellung, man sei entweder sozial und politisch aufgeschlossen
       oder aber man kicke und ballere in der Gegend herum, längst widerlegt ist.​