# taz.de -- Kommunalwahl in Südafrika: ANC muss Federn lassen
       
       > Die einstige Befreiungsbewegung landet bei unter 50 Prozent. Die
       > Wahlbeteiligung fällt auf ein historisches Tief. Vor allem Junge bleiben
       > weg.
       
 (IMG) Bild: Kinder transportieren Kanister zu einem Wahllokal im Township Lawley in der Nähe von Johannesburg
       
       Amsterdam taz | In Südafrika hat der regierende African National Congress
       (ANC) bei der Kommunalwahl am Montag einen Dämpfer erhalten. Nach
       Auszählung von 70 Prozent der Stimmen erhielt die Regierungspartei
       vorläufigen Ergebnissen zufolge 46 Prozent (2016: 53 Prozent). Auch die
       oppositionelle rechtsliberale Democratic Alliance (DA) verlor 5
       Prozentpunkte und landete bei 22 Prozent. Lediglich die linkspopulistischen
       Economic Freedom Fighters (EFF) legten von 8 auf 10 Prozent leicht zu.
       
       Einen historischen Tiefstand erreichte die Wahlbeteiligung: Nur 26 Prozent
       der wahlberechtigten Südafrikaner*innen gingen an die Urnen –
       gegenüber 58 Prozent bei der Kommunalwahl 2016. Besonders dramatisch ist
       das Desinteresse bei Wähler*innen von 18 bis 30 Jahren. „Gut 60 Prozent
       dieser jungen Wahlberechtigten, die demografisch die Mehrheit der
       Bevölkerung bilden, haben sich dieses Mal gar nicht für die Wahl
       angemeldet“, sagt der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission (IEC),
       Glen Mashinini.
       
       Als Gründe werden Resignation gegenüber Korruption auf allen Ebenen sowie
       ein Anstieg von extremer Armut durch [1][die Folgen der Coronapandemie] von
       40 auf 60 Prozent der Bevölkerung genannt
       
       Hinzu kommt eine gescheiterte Energiepolitik des Staatsbetriebs Eskom mit
       täglichen Stromausfällen, der zu 90 Prozent auf Kohle setzt und die Nutzung
       alternativer Energien landesweit erst ab 2024 in Aussicht stellt. Ein
       Hoffnungsschimmer ist die Zusage der deutschen Regierung beim
       Glasgow-Klimagipfel, Südafrika dabei mit 700 Millionen Euro zu
       unterstützen.
       
       ## Stimmen vom Rand
       
       Doch die geringe Wahlbeteiligung ist nur ein Grund für das Ergebnis. Hinzu
       kommt, dass mehrere kleine Parteien den großen Parteien an den Rändern
       Stimmen abnahmen: So die EFF vom ANC (weniger als erwartet, da diese vor
       allem auf junge „schwarze“ Wähler*innen zielen, die überproportional
       wegblieben). Oder die „weiße“ rechte Freedom-Front-Plus-Partei von der DA
       sowie die neue GOOD-Partei der ehemaligen DA-Bürgermeisterin von Kapstadt,
       Patricia de Lille, unter „farbigen“ DA-Wähler*innen.
       
       Ähnliches gilt für die Action-South-Africa-Partei (ActionSA) des
       Ex-DA-Bürgermeisters von Johannesburg, Herman Mashaba, der, aus armen
       Verhältnissen kommend, sich heute als erfolgreicher Geschäftsmann und
       Verfechter eines „freien Kapitalismus“ darstellt. ActionSA kandidierte
       nicht landesweit, schaffte es aber trotzdem, sowohl ANC als auch DA mehrere
       Bezirke in Johannesburg und Soweto abzunehmen.
       
       In mehr Gemeinden und Städten als je zuvor werden Koalitionen regieren
       müssen. Nur Kapstadt bleibt mit 58 Prozent DA-Hochburg (ANC: 18 Prozent).
       In Johannesburg könnte es eine Koalition ohne ANC (33 Prozent) geben aus DA
       (27 Prozent), Action SA (16 Prozent) und EFF (11 Prozent).
       
       Diese zunehmende Fragmentierung der Parteienlandschaft ist neu.
       Politikprofessor William Gumede meint: „Wie in anderen afrikanischen
       Staaten sehen wir, dass Südafrikaner*innen, die sich traditionell der
       ehemaligen Befreiungsbewegung und jetzigen Regierung ANC verpflichtet
       fühlen, bei Enttäuschungen eher nicht zur Wahl gehen, anstatt eine
       Oppositionspartei zu wählen.“
       
       ## Extreme Gewalt
       
       Überdies fanden die Wahlen [2][im Schatten extremer Gewalt im Juli] statt,
       die Anhänger*innen des 2018 wegen Korruption aus dem Amt gejagten
       Präsidenten Jacob Zuma (79) vom Zaun gebrochen hatten. Vor allem in
       KwaZulu-Natal (KZN) und Gauteng (mit Johannesburg) kam es zu Zerstörungen
       und Plünderungen von Geschäften, Schulen und Krankenhäusern.
       
       Mehr als 300 Menschen kamen ums Leben. Erst der Einsatz von Militär und
       „Bürgerwehren“ beendete diese Unruhen. Vor dem Hintergrund dieser
       Flügelkämpfe im ANC kam es auch in diesem Wahlkampf zu acht politisch
       motivierten Morden, erneut vor allem in der Provinz KZN.
       
       Aufschlussreich ist auch eine aktuelle Umfrage des international
       anerkannten „Afro-Barometers“: 60 Prozent der Befragten nannten
       Arbeitslosigkeit als größtes Problem. 70 Prozent der substanziellen
       Steuerzahler, die zu einer Minderheit in der Bevölkerung zählen, gaben an,
       dass sie höhere Steuern zahlen würden, wenn diese in die Schaffung von
       Arbeitsplätzen investiert würden.
       
       3 Nov 2021
       
       ## LINKS
       
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