# taz.de -- Jungpolitikerin Diana Kinnert: „Deshalb bin ich in der CDU“
       
       > Diana Kinnert ist 30, Unternehmerin und mischt in der CDU-Bundespolitik
       > mit. Ein Gespräch über ihren Weg und warum sich Jugend nicht anpassen
       > muss.
       
 (IMG) Bild: Früher nannte man sie trotz ihrer Ernsthaftigkeit einen Paradiesvogel: Diana Kinnert
       
       taz: Diana, bist du noch jung? 
       
       Diana Kinnert: Ich bin relativ jung, aber nicht absolut. Auf Tiktok habe
       ich Generationen entdeckt, die vom Alter und Mindset ein ganzes Stück
       jünger sind als ich. Für mich ist Harry Potter ein Gleichaltriger; dort
       wird er als alter, weißer Mann verschmäht. Dazu gehöre ich scheinbar auch.
       
       Welche Eckdaten beschreiben Jugend? 
       
       Es kommt auf die Rolle des Lebensalters im Kontext an. Bei Klimapolitik
       sind die Perspektiven Ungeborener relevant. Bei Abgabenlast und
       Steuerpolitik erlebe ich, dass junge Menschen, die noch kein eigenes
       Einkommen generieren, uninteressierter sind.
       
       Für welche Themen und Thesen steht die Jugend? 
       
       Partizipation und Gerechtigkeit. Wahlen ab 16 oder die Frage, wie man
       Aktivisten einbindet. Unser Politiksystem ist 60 Jahre alt. In allen
       politischen Streitfeldern sind radikale Reformen notwendig. Meine
       Elterngeneration kannte Linearität und Verlässlichkeit. Meine Generation
       kennt nur die Disruption. Wir arbeiten projektbasiert und befristet, was zu
       einer Art Selbstausbeutung führt. Dazu kommt ein Trend von Vereinzelung. In
       der pervertierten Falle sitzt jeder im Homeoffice und kennt seine
       Kolleginnen und Kollegen nicht. Viele junge Menschen fühlen sich
       ausgeliefert und wissen keinen Weg, sich zur Wehr zu setzen.
       
       Warum nicht? 
       
       Sie sind überindividualisiert und voneinander isoliert. Da kommt kein
       kollektives Gefühl auf. Ihre Solidarität wird zerschlagen. Jeder kämpft für
       sich.
       
       Bist du für Wählen ab 16? 
       
       Wissenschaftler sagen, ein junger Mensch ist mit 12, 13 Jahren ausgebildet
       genug, um Dinge ins Verhältnis setzen zu können. Ich kenne Hochaltrige, die
       stolz Extremisten wählen. Naive, unverantwortliche Entscheidungen können
       alle treffen. Vor Jahrzehnten haben Jugendliche nur Klassen- und
       Kinderzimmer gesehen. Heute spielen Kinder Fortnite, streamen, chatten um
       die Welt. Diese Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt führt dazu, dass sie
       sich viel früher positionieren können.
       
       Wo können sich junge Menschen am besten organisieren? 
       
       Das geht heutzutage sehr individuell. Der eine tritt mit 14 Jahren einer
       Partei bei, der andere betreibt Aktivismus auf Instagram. Manche rufen zu
       Spenden auf, teilen auf Tiktok Ausschnitte aus Talkshows. Wieder andere
       sitzen im Gemeinderat.
       
       Wie war das bei dir? 
       
       Mit 15 Jahren habe ich mich bei Amnesty International engagiert, dann für
       Greenpeace Tierkostüme getragen und Spenden gegen Tierleid gesammelt. Ein
       Jahr später habe ich entschieden, dass eine Mitgliedschaft in den Parteien
       sinnvoll sein könnte. Da kannst du über den Kurs deiner Partei
       mitentscheiden. Dieser Einfluss war attraktiv für mich. Und ich habe
       begonnen, mich in der CDU zu engagieren.
       
       Rechts oder links, progressiv oder konservativ – nach welchen Maßstäben
       orientiert man sich in dieser Phase? 
       
       Das ist individuell und verändert sich stetig. Aktuell ist zentral: Weiter
       so oder Aufbruch? Sind wir mutig genug für Reformen? Die Wahlergebnisse
       zeigen: Grüne und FDP als Oppositionsparteien haben hinzugewonnen. Obwohl
       beide viel trennt, die Grünen eine linke Partei, die FDP eine bürgerliche
       Partei sind, eint sie der Reformgedanke. Der Modus zu Veränderung
       interessiert junge Menschen. Die Relevanz von links gegen rechts hat
       abgenommen. Dennoch sind Haltungen zu Verteilungsfragen entscheidend. Ich
       wollte damals ganz bewusst in eine Partei eintreten, die Engagement und
       Verantwortung befördert, nicht hemmt, die ermuntert, unternehmerisch aktiv
       zu werden, und den Staat als ordnungspolitischen Regler versteht. Die
       keinen Fürsorgeapparat erschaffen will. Deshalb bin ich in der CDU.
       
       Junge Menschen haben grundsätzlich weniger Erfahrung. Warum sollte man
       ihnen trotzdem zuhören? 
       
       Die Währung einer Demokratie heißt Vertrauen und das ist individuell. Der
       eine schätzt die Promotion des Kandidaten, der andere, dass er Familie hat.
       Einige Extremisten bei der AfD führen Doktortitel. Friedrich Merz traue ich
       nicht so viel zu; für viele in meiner Partei ist er eine große Hoffnung.
       Und junge Menschen verstehen Digitalisierung und Technologie besser,
       reflektieren Defizite in der Bildungspolitik, denken Klima und Industrie
       nachhaltiger. Sie bringen liberalere und tolerantere Wertvorstellungen mit,
       haben Lust auf und den Glauben an Veränderung.
       
       Zeigt diese Wahl, dass Junge und Alte sehr unterschiedliche Interessen
       haben? 
       
       Dass Grüne und FDP bei der Jugend hinzugewonnen haben, obwohl sie in vielen
       Fragen konträr eingestellt sind, zeigt auch, dass das Alter allein nicht
       ausschlaggebend für politische Positionen ist. Ich persönlich arbeite mit
       alten Bürgerlichen lieber zusammen als mit jungen Linken. Man organisiert
       sich nicht auf Basis des Alters, sondern wegen gemeinsamer
       Wertvorstellungen.
       
       Wie muss man sich anstellen, dass Leute, die sich nicht auf diese
       Argumentation einlassen, junge Menschen wirklich ernst nehmen? 
       
       Zu Beginn meines Engagements habe ich oft politische Texte geschrieben.
       Gastbeiträge für Blogs oder Tageszeitungen. Das Feedback war nur auf meine
       Argumente im Text bezogen. Das war wohltuend, denn mein Alter, mein
       Geschlecht, mein Hintergrund haben keine Rolle gespielt. Bis heute
       kritisieren Leute allerdings, dass ich mich manchmal zu kompliziert
       ausdrücke.
       
       Ist die Kritik richtig? 
       
       Ja. Das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass ich mit hochgestochener
       Sprache überkompensiert habe. Wenn mir keiner etwas zutraut, dann rede ich
       eben so, dass sie wissen, ich kenne mich aus. Irgendwann ist dieses
       Substantivieren bei mir zum Stil geworden. Für mich war wichtig, beharrlich
       zu sein. Wenn dich Kritik einschüchtert und du aufgibst, ist das der
       Nachweis, dass du für die politische Arena nicht bereit bist. Politik
       bedeutet, Widerspruch auszulösen und Kritik auszuhalten. Ich habe Menschen,
       die mich ablehnen, niemals als Entmutigung verstanden, sondern als das
       Gegenteil.
       
       Muss Jugend frech sein, oder macht sie das angreifbar? 
       
       Wer Kindlichkeit ausstrahlt, und zwar durch Fröhlichkeit und Enthusiasmus,
       dem kann man das als Unernst auslegen. Zu Beginn meines Engagements bin ich
       als Paradiesvogel bezeichnet worden, dabei habe ich immer nur schwarze
       Kleidung getragen. Ich habe keine Witze, keine wilden Formate auf Youtube
       gemacht. Ich war ernst. Dennoch ist mir Unernst vorgeworfen worden.
       Authentizität ist wichtig, und so divers die Jugend ist, sollten ihre
       Stimmen sein. Der Auftritt ist nebensächlich. Darum habe ich die Reaktion
       der CDU auf Rezos „Zerstörung der CDU“ als falsch empfunden. Junge Menschen
       hatten etwas zu Nachhaltigkeit, Lobbyismus, Generationengerechtigkeit zu
       sagen. Und die CDU hat nur über Youtube und blaue Haare geredet.
       
       Die Jungen wurden in der CDU nicht ernst genommen? 
       
       In allen Runden, in denen ich war, hat man die Sachargumente und
       inhaltlichen Vorwürfe komplett ausgeblendet. Es wäre ehrlich gewesen zu
       sagen, dass man ihnen gar nicht zutraut, es könne um Inhalte gehen. Eine
       totale Erniedrigung.
       
       Also muss man einen mittelmäßig geschnittenen Anzug tragen, um früh ernst
       genommen zu werden. Das kann doch nicht die Lösung sein. 
       
       Jugend steht nicht in einer Rechenschaftspflicht der alten Politik
       gegenüber, sondern umgekehrt. Es ist überhaupt nicht nötig, sich alter
       Politik anzubiedern.
       
       Junge Menschen können sich entweder gegen etwas stellen, am besten das
       System. Oder versuchen, es von innen zu verbessern. Wie siehst du das? 
       
       In Debatten zu unterliegen, gehört zum demokratischen Akt. Ich kenne viele,
       die chancenlos für den Bundestag kandidiert haben, trotzdem zur Verfügung
       standen. Davor habe ich großen Respekt. Ich mag konstruktives Engagement
       und habe Achtung vor demokratischer Kultur, auch mit Widersachern
       Kompromisse auszuhandeln.
       
       29 Sep 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Adrian Breitling
       
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