# taz.de -- Japans designierter Ministerpräsident: Kishida soll LDP und Japan führen
       
       > Die alte Parteigarde hievt Ex-Außenminister Fumio Kishida in den Sattel.
       > Dennoch steht der designierte Premierminister für Veränderungen.
       
 (IMG) Bild: Der frühere Außenminister Fumio Kishida nach seinem Wahlsieg in Tokio
       
       Tokio taz | Japans konservative Liberaldemokratische Partei (LDP) hat Fumio
       Kishida zu ihrem neuen Vorsitzenden gekürt. Am 4. Oktober wird ihn das
       Parlament aufgrund der Mehrheitsverhältnisse zum 100. Premierminister von
       Japan wählen. Er folgt auf [1][Yoshihide Suga], der nach heftiger Kritik an
       seinem Pandemie-Management nicht mehr zur Wiederwahl als Parteichef antrat.
       
       Der 64-jährige Kishida lag überraschend bereits nach dem ersten Wahlgang
       der Parlamentsabgeordneten und Regionalvertreter der LDP mit 34 Prozent der
       Stimmen knapp vor seinem schärfsten Konkurrenten, dem Reformpolitiker Taro
       Kono. Dahinter folgten die 60-jährige Ex-Innenministerin Sanae Takaichi und
       – weit abgeschlagen – die 61-jährige LDP-Generalsekretärin Seiko Noda.
       
       In der Stichwahl erhielt Kishida dann die Unterstützung des
       nationalkonservativen Flügels um Ex-Regierungschef [2][Shinzo Abe] und
       Finanzminister Taro Aso. Sie wollten den populären Impfminister Kono
       verhindern. Denn nach ihrem Geschmack beugt sich der linksliberale
       58-jährige AKW-Kritiker nicht genug der Parteidisziplin und weicht zu stark
       von ihrer nationalkonservativen Linie ab. Kishida setzte sich deshalb mit
       60 Prozent der Stimmen gegen Kono durch.
       
       Auch Kishida gehört zum Partei-Establishment und stammt aus einer
       Politdynastie. Schon der Vater und der Großvater saßen im Parlament. Er
       selbst ist seit 1993 Abgeordneter und leitet eine eigene Parteifraktion mit
       46 Mitgliedern. Zuletzt stand er dem „Forschungsrat“ vor und hielt damit
       einen der drei höchsten Parteiposten. Doch steht er stärker als sein
       zurückgetretener Vorgänger Suga für Veränderungen.
       
       ## Kishida verspricht „neuen japanischen Kapitalismus“
       
       Beispiel Wirtschaftspolitik: Er will zwar die „Abenomics“ mit ihrer
       expansiven Geld- und Fiskalpolitik fortsetzen und bis zum Jahresende ein
       massives Konjunkturpaket in der Größenordnung von 230 Milliarden Euro
       schnüren, um die Folgen der Pandemie für die Unternehmen zu überwinden.
       Aber er versprach auch eine Abkehr vom Neoliberalismus der vergangenen zwei
       Jahrzehnte und kündigte einen „neuen japanischen Kapitalismus“ an.
       
       „Nur Wachstum, Deregulierung und Strukturreformen führen nicht zu realem
       Glück“, meint Kishida. Einer seiner Vorschläge: Wenn Unternehmen höhere
       Löhne zahlen, sollen sie dafür steuerlich entlastet werden. Die ländlichen
       Regionen sollen durch Investitionen in Hochtechnologien wie autonomes
       Fahren wiederbelebt werden. Mit Blick auf die versprochene Klimaneutralität
       bis 2050 fordert Kishida eine „realistische Bewertung“ zum Neustart und
       Neubau von Atomreaktoren.
       
       Seine letzten Duftmarken hat der Vollblutpolitiker jedoch zwischen 2013 und
       2017 als Außenminister und zeitweise als Verteidigungsminister gesetzt. Die
       von ihm geleitete Fraktion gilt als „Tauben-Flügel“ der LDP, der für die
       pazifistische Verfassung und gegen eine Atombewaffnung von Japan eintritt.
       Kishida ist in Hiroshima zu Hause. Mehrere Mitglieder seiner Familie
       starben beim Abwurf der Atombombe auf die Stadt 1945. In einem seiner
       Bücher setzt er sich für eine Welt ohne Atomwaffen ein.
       
       Doch Chinas aggressives Verhalten hat bei Kishida nach eigenen Worten einen
       „starken Alarm“ ausgelöst. Daher sollte sich Japan mit den USA, Europa,
       Indien und Australien gegen autoritäre Systeme verbünden. Aber Kishida legt
       den Fokus nicht nur auf militärische Aufrüstung, auch wenn er Japans
       Raketenabwehr ausbauen will, sondern auch auf „ökonomische Sicherheit“.
       Dazu gehören für ihn sichere Lieferketten für strategisch wichtige
       Komponenten wie Halbleiter.
       
       29 Sep 2021
       
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