# taz.de -- Grüne in Frankreich: Jadot wird Präsidentschaftskandidat
       
       > Sieg für die Pragmatiker: Mit einem ziemlich knappen Ergebnis hat sich
       > der Europaparlamentarier Yannick Jadot gegen seine Konkurrentin
       > durchgesetzt.
       
 (IMG) Bild: Jadot war schon 2017 einmal nominiert worden – doch er verzichtete zugunsten der Sozialisten
       
       Paris taz | Ziemlich knapp, mit 51,03 Prozent, hat bei den französischen
       Grünen, Europe-Ecologie-Les Verts (EELV), der 53-jährige Europaabgeordnete
       Yannick Jadot die Stichwahl zur Nominierung des Präsidentschaftskandidaten
       gegen Sandrine Rousseau gewonnen. [1][Schon in der ersten Runde,] bei der
       sich insgesamt fünf Kandidaten und Kandidatinnen beworben hatten, lag Jadot
       nur mit einem kleinen Vorsprung von zwei Prozent vor seiner 49-jährigen
       Konkurrentin. Es war eine Überraschung, dass Rousseau es in die zweite
       Runde geschafft hatte.
       
       Jadot gilt – nach deutschen Kriterien – als „Realo“, er steht innerhalb von
       EELV für einen pragmatischen Kurs und möchte zur Verwirklichung seiner
       klima- und umweltpolitischen Ziele die Regierungsverantwortung übernehmen.
       Er bezeichnet seine Linie als „Ökologie der konkreten Lösungen“.
       
       Das starke Abschneiden seiner Gegnerin, die sich als „Ökofeministin“
       bezeichnet und nach eigener Definition die „Radikalität“ einer
       Gesellschaftsveränderung verkörpern will, belegt allerdings, dass innerhalb
       der Grünen und ihrer Sympathisant*innen weiterhin große
       Meinungsunterschiede bezüglich der Beteiligung an einer Regierung oder gar
       der Frage der Machtübernahme existieren.
       
       Allerdings besteht auch der Verdacht, dass von den rund 120.000 Menschen,
       die an diesen für Nichtmitglieder von EELV offenen Vorwahlen teilnahmen,
       ein beträchtlicher Teil Rousseau nicht wegen ihrer Inhalte wählte, sondern,
       um damit ein Unbehagen mit der Kandidatur von Jadot zum Ausdruck zu
       bringen. Er war nämlich schon bei einer vergleichbaren Vorausscheidung der
       Grünen für die Präsidentschaftswahlen von 2017 nominiert worden, doch dann
       verzichtete er zugunsten des Linkssozialisten Benoît Hamon, der dann mit
       nur 6,35 Prozent ein katastrophal schlechtes Ergebnis erzielte.
       
       ## Jadots Kritiker halten ihn für zu wenig radikal
       
       Das scheinen ihm manche in der Partei nicht verziehen zu haben, allen voran
       die „Fundis“ in der Partei, denen Jadots Vorstellungen zu wenig radikal
       sind und die seine Alleingänge kritisieren. Sie haben deshalb auf die Karte
       von Rousseau gesetzt, die wiederum in den Medien von rechten Gegnern als
       antikapitalistisches Schreckgespenst karikiert wurde.
       
       Jadot kam 2009 anlässlich der Europawahlen mit der Gruppe Europe Ecologie
       zu den Grünen. Seine wichtigste Erfahrung vor dem EU-Parlament war sein
       Posten als Kampagnenleiter von Greenpeace Frankreich von 2002 bis 2008. Im
       Verlauf einer Antiatom-Protestaktion dieser NGO drang er mit anderen
       Aktivisten in die Militärbasis Ile Longue in der Bretagne ein, in der
       Langstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfen einsatzbereit gelagert
       werden. Er wurde deswegen gerichtlich verurteilt.
       
       Umgekehrt plädierte er 2007 zusammen mit anderen Umweltorganisationen, aber
       im Gegensatz zur damaligen Parteiführung von Les Verts, dafür, eine
       Einladung des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu einer
       Umweltkonferenz und einer Kooperation anzunehmen. Als Europaparlamentarier
       gilt Jadot als solider Kenner seiner Themenfelder, zum Beispiel im Kampf
       gegen das Freihandelsabkommen EU-Kanada.
       
       Die französische Linke, zu der auch EELV gezählt wird, tritt getrennt mit
       mehreren Kandidaturen an, von denen nach bisheriger Ausgangslage keine auch
       nur die geringste Chance auf eine Qualifizierung für die Stichwahl hat.
       Jadot hat zudem mit der ebenfalls [2][kandidierenden sozialistischen
       Bürgermeisterin Anne Hidalgo] eine Rivalin, die in vielen Punkten ein sehr
       ähnliches oder analoges Programm verteidigt. Dagegen dürfte Jean-Luc
       Mélenchon von der linken „La France insoumise“ eher erleichtert sein,
       Sandrine Rousseau hätte ihn vermutlich mit ihrem Programm eher Stimmen
       gekostet.
       
       29 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gruene-in-Frankreich/!5797873
 (DIR) [2] /Praesidentschaftswahlen-in-Frankreich-2022/!5796021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Realos
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Präsidentschaftswahl
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Juden in Frankreich
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Parti Socialiste
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in Frankreich: Ein plumper Reaktionär
       
       Im Frühjahr wählt Frankreich. Éric Zemmour könnte dabei sogar Marine Le Pen
       rechts überholen. Seit Jahren verbreitet er Rassismus in Talkshows.
       
 (DIR) Grüne in Frankreich: Ökofeministin kontra Pragmatiker
       
       Zwei mögliche Präsidentschaftskandidat*innen sind im Rennen: Der
       machtbewusste Jadot und die kämpferische Rousseau stehen für zwei
       Richtungen.
       
 (DIR) Präsidentschaftswahlen in Frankreich 2022: Sie will Macron ablösen
       
       Anne Hidalgo steht als Bürgermeisterin von Paris für ökologischen
       Stadtumbau. 2022 will die Sozialistin in den Elyséepalast einziehen.
       
 (DIR) Kommunalwahlen in Frankreich: Grüne auf dem Vormarsch
       
       Bei den Kommunalwahlen in Frankreich verliert die Partei von Präsident
       Macron. Grüne siegen vielerorts, die Sozialisten schaffen ein Comeback.