# taz.de -- Kolleg:innen und ihr Umgang miteinander: Distanz im Büro
       
       > Menschen mit körperlichen Jobs haben einen anderen Umgang miteinander als
       > Büromenschen. Was es bei beiden gibt sind die Codes unter Kolleg:innen.
       
 (IMG) Bild: Kolleg:innen bei der Arbeit – hier nicht in einem Hamburger Hotel, sondern in der Münchner S-Bahn
       
       Ich liebe es, Menschen zuzuschauen, die einander Kolleginnen und Kollegen
       sind. Die in einem Berufsfeld zusammenstecken und sich mit kleinen Codes
       und Gesten darin verständigen. Besonders gerne mag ich das bei Jobs, die
       nicht schnell in ein Homeoffice verlagert werden können, die eine
       körperliche Präsenz von Menschen verlangen. Sie müssen zusammen in einem
       bestimmten Raum agieren. Ich sehe gerne, wie sich Angestellte in den Pausen
       necken, wie sie zusammen meckern und lachen, als würden sie gegen etwas
       zusammenhalten.
       
       Vor meinem Haus ist ein kleines Drei-Sterne-Hotel. Dort sind drei
       Reinigungsfrauen, sie tragen weiße Kittel, sie putzen zusammen Fenster, sie
       scheuern den Treppenaufgang. Die Frauen sind etwa gleich alt. Fast immer
       sehe ich sie zu dritt zusammen. Wenn eine von ihnen zum Putzen nicht an
       eine bestimmte Stelle kommt, hilft ihr eine andere. Morgens zum
       Sonnenaufgang sitzen sie auf der Treppe, rauchen und lachen miteinander.
       Sie wirken gelöst und heiter.
       
       Ich stelle mir vor, dass dort auf der Treppe alles andere um sie herum egal
       ist. Ihre Familie, ihre Vorgesetzten. Sie sitzen zusammen wie in einer
       gemütlichen Kapsel, zu der nur sie Zugang haben. Die drei Frauen sind immer
       ganz nah zusammen, sie berühren sich oft. Einmal sah ich sie von hinten auf
       dem Bürgersteig. Die drei liefen umarmt nebeneinander in ihrer weißen
       Reinigungskluft. Sie kicherten wie junge Mädchen. Ihr Beruf wirkte in
       diesem Moment von außen betrachtet schön. Sie hatten einen verlässlichen
       Platz, ein sicheres Nest durch die anderen.
       
       Diese körperliche Zugewandtheit erlebe ich seltener bei Menschen, die
       miteinander in Büroberufen sitzen. Und je weiter es in der Karriere nach
       oben geht, desto einsamer und vereinzelter wird es oft. Letztens saß ich
       mit einer Gruppe von Unternehmensberater*innen in einem Zugabteil.
       Sie lachten zusammen, aber mir schien, als würden sie sich dabei auch
       beobachten. Sie umgab eine Distanz, ein ironischer Abstand. Und sie
       beobachteten mich.
       
       ## Professionelle Nettigkeit
       
       Als der Zugbegleiter kam, hatte sich einer gemerkt, was auf meiner
       Fahrkarte stand. Scherzhaft erzählten sie, dass sie gewohnt seien, schnell
       die Psyche von Menschen zu durchschauen. Sie rieten, welchen Beruf ich
       ausüben würde. Es war ein nettes Zusammensein, doch ich blieb vorsichtig.
       Ich spürte, dass dies kein sicherer Raum war. Es war eine professionelle
       Nettigkeit. Auch im Spaß ging es um den Job.
       
       Das mag vielleicht auch verklärt sein, es gibt sicherlich auch Mobbing und
       harte Bedingungen etwa in den Hotels, in denen die Reinigungskräfte
       arbeiten. Oder auf den Baustellen, wo Arbeiter*innen sich zurufen,
       Späße machen, zusammen laut Musik hören. Doch etwas an diesen Welten kommt
       mir anders, direkter vor.
       
       Letztens im Zug saß ich direkt hinter dem Führerstand. Durch eine
       Glasscheibe konnte ich den Lokführer sehen. Neben ihm saß ein Zugbegleiter.
       Dann erreichten wir einen Bahnhof, in dem wir längeren Aufenthalt hatten.
       Die beiden packten zusammen, sie lachten. Durch die Glastür war die gelöste
       Atmosphäre dieser besonderen Zwischenzeit zu sehen, wie sie kurz nach der
       Arbeit und vor dem Feierabend herrscht.
       
       Dann gab es einen Lokführerwechsel. Zwei Zugangestellte gingen durch den
       Gang. Einer von ihnen war jung, vielleicht gerade 18 Jahre alt. Der Jüngere
       wirkte, als könnte er sich gar nicht bremsen, vor Freude nun loszufahren.
       Er stürmte schon in den Führerstand, als die anderen zwei noch in der Tür
       steckten. „Lass doch erst mal die anderen raus“, sagte sein Kollege. Die
       vier begrüßten sich und tauschten sich noch aus. Dann startete der Jüngere
       die Lok. Sein Kollege kontrollierte die Tickets. Wir fuhren durch Felder,
       auf denen Raureif lag.
       
       Schließlich erreichten wir den nächsten Bahnhof. Ein Lokfahrer stand dort
       allein auf dem Gleis. Er nickte und winkte dem jungen Lokführer in unserem
       Zug zu. Der nickte zurück. Es war wie das Kopfnicken von Angestellten, die
       sich im Flur begegnen. Eine kleine Geste, das solidarische Nicken von
       Menschen, die sich zu verstehen geben: Ich sehe dich. Du bist wie ich. Wir
       arbeiten im gleichen Feld. Ein Nicken der Bestätigung. Und ich denke, dass
       jeder Beruf durch dieses Nicken, dieses Gesehenwerden, diese Nähe zu den
       anderen lebt.
       
       12 Nov 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christa Pfafferott
       
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