# taz.de -- Die Wahrheit: Deckpassage zum Ararat
       
       > Nach der Flut ist vor den nächsten Fluten – regelmäßige Thekenbesuche als
       > Stammgast können zu seltsamen Träumen führen. Achtung: Nebenwirkungen!
       
       Der Regen nahm kein Ende, und Petris, immer noch als Grieche Wirt des Café
       Gum, wusste, wer dafür verantwortlich war. „Natürlich steckt dieser
       Schäuble dahinter!“, zischte er: „Er hasst die Griechen. Jetzt will er mich
       auch noch fertigmachen.“ Seit Tagen war das Gum menschenleer, nur wir
       ließen uns von den Fluten nicht stoppen und standen jeden Abend durchnässt
       auf unseren Stammplätzen an der Theke, um Petris vor der Pleite zu retten.
       
       Dass ausgerechnet der Ex-Finanzminister die Schuld an dem Dreckswetter
       hatte, fanden wir allerdings zweifelhaft – es gab andere, die deutlich
       verdächtiger waren. „Jeder motzt über den Klimawandel“, brummte Theo, „aber
       keiner lässt das Auto stehen und fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit!“ –
       „Warum kuckst du mich dabei an?!“, rief Luis: „Weißt du, wie weit das ist?
       Immerhin fliege ich nicht jedes Jahr auf die Kanaren!“ –„Ha!“, kreischte
       Theo, „dafür hab ich kein Kind in die Welt gesetzt: Die CO2-Bilanz deines
       Sohns entspricht 15 Transatlantikflügen jährlich!“
       
       Als sie sich an die Gurgel gehen wollten, kam Raimund herein. Er trug einen
       gelben Südwester, Ostfriesennerz und Gummistiefel. „In diesem Outfit ist
       mein Großonkel auf Heringsfang nach Island gefahren, aber den Sturzfluten
       hier hält selbst seine Nordmeerkluft nicht stand.“ Er zog die Gummistiefel
       aus und entleerte sie demonstrativ in den großen Zimmerfarn.
       
       „Ich hätte noch ein paar Außenkabinen im Angebot, natürlich nicht ganz
       billig“, sagte eine altbekannte Stimme hinter uns. Es war Rudi, der
       Blödmann. Wir hatten schon davon gehört, dass er jetzt das Crowdfunding für
       einen 17-jährigen Schlaukopf betrieb, der eine „Arche Zweipunktnull“ vom
       Stapel lassen wollte. Selbst Rudi hatten wir so einen Schwachsinn nicht
       zugetraut – offenbar aber hatten wir uns in ihm mal wieder getäuscht, und
       sein breites Grinsen ließ darauf schließen, dass die Geschäfte mehr als
       blendend liefen.
       
       „Geh weg“, maulte Theo, „du bist der Letzte, dem ich die paar Kröten
       anvertrauen würde, die in meinem Sparstrumpf sind.“ – „Überlegt es euch
       gut, woanders reißt man mir die Plätze aus den Händen!“, sagte Rudi, doch
       wir drehten ihm den Rücken zu und bestellten noch eine Runde zur Rettung
       unseres Lieblingsgriechen.
       
       Später, als ich nach Hause ging, wurde ich zum x-ten Mal nass bis auf die
       Knochen. Ich ging gleich ins Bett und dachte: „Endlich im Trockenen,
       endlich sicher und warm!“ Kaum aber schlief ich, erschien mir Rudi im
       Traum. „Tja“, grinste er spöttisch, „nun sind alle Kabinen weg!“
       
       Er knöpfte mir ein Vermögen für einen Platz auf dem Achterdeck ab, wo mich
       der Regen voll erwischte: Es prasselte auf meinen Kopf, schon wieder
       klebten meine Klamotten nass und kalt an meinem Körper, und als ich
       erwachte, lag ich auf einer durchweichten Matratze, da, wie ich später
       erfuhr, den Nachbarn von oben ein Malheur bei der Verstöpselung ihres neuen
       Wasserbetts unterlaufen war.
       
       12 Oct 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Schulz
       
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